Singapore Nights. Kelly Stevens

Singapore Nights - Kelly Stevens


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Die meisten Männer, die Frauen herausfordern, ergreifen bei einer Gegenherausforderung schneller die Flucht, als man gucken kann. Und die wenigen, die zu dumm oder zu betrunken zum Flüchten waren, sind nach gefühlten fünf Minuten gekommen und danach sofort eingeschlafen, während ich mich anzog, auf Londons nächtlichen Straßen auf ein Taxi wartete und zuhause erst einmal ausgiebig unter die Dusche ging, um die Erinnerungen an den Abend abzuwaschen.

      „Ich bin mir sicher“, antwortet er. „Bist du es auch?“ Innerhalb von Sekunden hat er mich in die Toilette bugsiert, die Tür wieder verriegelt und mich an die Wand gedrückt. In der engen Kabine ist kaum Platz für zwei, er steht direkt vor mir. Wie in Zeitlupe sehe ich, dass er seinen Kopf beugt. Nein, das kann nicht sein, denke ich noch ungläubig, als seine Lippen schon meine treffen. Warm, gekonnt und sehr besitzergreifend. Als wolle er mir gar keine Möglichkeit mehr zum Nachdenken geben. Ich bekomme alles wie durch einen Schleier mit: das Vibrieren des Flugzeugs, seine warme Zunge, die sich mit meiner ein Duell zu liefern scheint, seine Finger, die zielsicher über meine Brüste streichen, die sich ihm förmlich entgegen drängen. Ich seufze unwillkürlich.

      „Oh ja, du bist es. Deine Nippel sind ganz hart. Ich wette, du bist schon feucht.“

      Mein Atem kommt stoßweise – ich weiß gar nicht mehr, wie Atmen eigentlich funktioniert. Unwillkürlich kralle ich mich in seinen Hintern.

      Seine Hände gehen auf Wanderschaft, schieben sich unter meinen Hosenbund. Verdammt, ich bin immer noch erregt von dem Buch. Ein wissendes Lächeln umspielt seine Lippen, während seine Finger in meine Spalte eintauchen.

      „Was macht dich so heiß?“, flüstert er neben meinem Ohr. Seine Stimme ist rau, aber sehr sinnlich. „Erregt dich der Gedanke, mit einem Fremden Sex über den Wolken zu haben? Dass wir uns nicht kennen? Dass wir es in einem Flugzeug treiben? Dass wir etwas Verbotenes tun?“

      Seine Worte bringen mich unsanft in die Realität zurück – in eine Flugzeugtoilette mit einem unbekannten Mann, der mit einer anderen Frau liiert ist, die nur wenige Meter entfernt sitzt. Selbst wenn er ein wirklich attraktives Exemplar der männlichen Spezies ist – so etwas mache ich nicht.

      „Tut mir leid“, bringe ich erstickt heraus, drehe mich um und verheddere mich fast in der Falttür beim Versuch, sie zu öffnen. Dann stehe ich auf dem Gang und gehe so schnell ich kann auf meinen Platz zurück.

      Niemand scheint etwas mitbekommen zu haben, alle schlafen, schauen auf ihren Monitor oder dösen vor sich hin. Ich ziehe mir die Decke über den Kopf und würde vor Scham am liebsten im Boden versinken, aber das geht schon normalerweise nicht, und in zwölftausend Metern Höhe erst recht nicht.

      Was ist nur das Problem mit mir und den Männern? Ich hasse sie nicht, aber manchmal verachte ich sie. Dafür, dass sie immer wie selbstverständlich alles fordern und verlangen, und meistens auch bekommen. Die Beförderung, für die ich ihnen zugearbeitet habe. Den fetten Bonus, obwohl ich doch viel härter gearbeitet habe. Die Frauen, die sich an sie ranschmeißen, obwohl es viele nur wegen des Geldes tun. Dass sie denken, sie bräuchten nur mit dem Finger zu schnippen, und schon würde man verzückt in ihr Bett fallen und die Beine breit machen.

      Ich finde es viel spannender, wenn die Kerle machen, was ich sage. Aber das tun sie meistens nicht.

      „Hast du in London denn schon einen netten jungen Mann getroffen?“, hatte meine Mutter bei unserem letzten gemeinsamen Essen im Familienkreis gefragt. Das ewige Thema. Sie machen sich Sorgen um mich, ihre Tochter, die mehr an ihrer Arbeit als an irgendetwas anderem interessiert zu sein scheint.

      „Vielleicht will Olivia ja gar keinen netten Mann“, hatte mein Bruder süffisant gesagt und mir dabei einen Blick zugeworfen, den ich nicht deuten konnte. Peter ist fünf Jahre älter als ich, mein großer Bruder, der mich, solange ich denken konnte, immer beschützt hat, bis er mit achtzehn in seine eigene Studentenbude zog. Soweit ich es mitbekommen habe, hatte er immer irgendwelche Freundinnen, die ihn anhimmelten, die er aber, wie ich fand, ziemlich schäbig behandelte.

      Auch mit seiner aktuellen Begleiterin Alina, die er zur Geburtstagsfeier mitgebracht hatte, wurde ich nicht warm. Sie erschien mir merkwürdig, sah zwar gut aus, aber sprach fast nichts. Beim Essen saß sie ganz vorne auf der Stuhlkante und nestelte die ganze Zeit an einen hässlichen silbernen Fingerring, an dem über eine kleine aufgesetzte Kugel ein weiterer Ring befestigt war, herum. Selbst Peter beachtete sie kaum, dabei wäre jedem Gentlemen aufgefallen, dass sie sich nicht wohl fühlte.

      Die Decke schottet mich tatsächlich ein Stückchen ab, und das Brummen der Motoren wirkt auf Dauer einschläfernd. Vielleicht hat die Besatzung auch einfach nur die Sauerstoffzufuhr herunter gedreht, denn ich dämmere tatsächlich weg und schrecke erst auf, als mein Sitznachbar an mir vorbei will.

      Den Rest des Fluges verbringe ich mit wirren Gedanken, in denen ich plötzlich selbst in der erotischen Szene des Buches bin, aber nicht als Beteiligte, sondern eher als eine Art Betrachter daneben stehe.

      Entsprechend bin ich ziemlich groggy, als wir in Singapur landen. Die Einreiseformalitäten gehen glücklicherweise schnell, mein Koffer kommt fast sofort, nur die Menschenschlange am Taxistand ist länger als gedacht. Während ich dort stehe, sehe ich das Paar von vorhin an mir vorbeigehen und in eine schwarze Limousine steigen.

      Ob sie überhaupt weiß, dass ihr Mann sie betrügt?

      Nicht mein Problem. Ich schaue demonstrativ zur Seite, wo endlich ein leeres Taxi vorrollt. Der Fahrer steigt aus und hilft mir mit dem Gepäck. Ich lasse mich in den Sitz sinken und nenne ihm die Adresse des Hotels, das die Firma für mich gebucht hat.

      Je näher wir dem Zentrum kommen, desto dichter wird der Verkehr. Ich schaue aus dem Fenster, ob ich irgendwelche Wahrzeichen erkennen kann, aber man sieht vor allem Straßen und Häuser.

      Das Hotel, vor dem wir kurz darauf halten, ist ein Business-Hotel, etwa zwanzig Minuten Fußweg von der Orchard Road entfernt, wo ich die nächsten zwei Wochen meinen Arbeitsplatz haben werde. Das Zimmer ist klein, aber zweckmäßig eingerichtet. Mein winziges Studio in London, für das ich jede Woche ein Vermögen an Miete bezahle, ist auch nicht viel größer.

      Ich dusche, ziehe mir frische Sachen an und ergreife meinen Reiseführer. Heute wird voraussichtlich die einzige Chance sein, ein bisschen von Singapur zu sehen; ab morgen früh werde ich mehr oder minder in jeder wachen Minute arbeiten.

      An der Rezeption frage ich nach Busverbindungen, aber entweder kann oder will mir keiner helfen. Ich entschließe mich daher, die Strecke zu meiner neuer Arbeitsstelle zu Fuß zu gehen, damit ich sie morgen früh problemlos finde.

      Zweiundzwanzig Minuten später stehe ich vor der gewünschten Adresse, einem Hochhaus an der Orchard Road, Singapurs berühmter Einkaufsstraße. Wenn ich morgen eine halbe Stunde für den Weg einplane, sollte das ausreichen.

      Erst jetzt gestatte ich mir, die Orchard Road entlang Richtung Meer zu gehen. Spazierengehen scheint in Singapur keine typische Beschäftigung zu sein, und ich verstehe schnell, warum: es ist heiß und schwül. Meine Kleidung klebt an mir, und ich bin froh, nur Sonnencreme und kein Make-Up aufgetragen zu haben. Trotzdem, ins Hotel zurückzukehren kommt nicht in Frage. Schließlich kommt es selten genug vor, dass ich frei habe!

      Laut meinem Reiseführer müsste hinter der nächsten Kreuzung das berühmte Raffles Hotel sein. Wenn ich jetzt einen Mann an meiner Seite hätte, würden wir uns dort an der Bar einen Singapore Sling, den berühmten Cocktail, genehmigen.

      Stattdessen überrascht mich der Sonnenuntergang, alleine, gerade, als ich an einer großen Kreuzung stehe. Ich straffe die Schultern und gehe weiter Richtung Esplanade. Hier ist viel los, junge Pärchen schlendern umher, ältere Pärchen sitzen vor den Restaurants am Wasser. Eine junge Frau führt ihren Sohn, der wohl gerade Laufen lernt, an einer Leine spazieren. Ich will schon den Kopf schütteln, als ich merke, dass er immer wieder Richtung Wasserkante zieht. Vielleicht ist es doch keine so schlechte Idee, Kinder anzuleinen.

      An einem Schnellimbiss gönne ich mir ein paar Satespieße. Dann schlendere ich noch eine Weile am Quay entlang, bevor ich mich auf den Rückweg zum Hotel mache, diesmal mit der U-Bahn.

      Die paar Stunden


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