Reise Know-How Praxis: Sicherheit in Bärengebieten: Mit vielen praxisnahen Tipps und Informationen. Rainer Höh

Reise Know-How Praxis: Sicherheit in Bärengebieten: Mit vielen praxisnahen Tipps und Informationen - Rainer Höh


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Eismeerküste. Über diese Spezies gibt es daher weniger Informationen als über Braun- oder Schwarzbären und da sie für über 99 % der Wanderer ohne Bedeutung sind, werden wir hier auch nicht näher auf Eisbären eingehen. Sie sind jedoch im Gegensatz zu allen anderen Bären nahezu reine Fleischfresser und gelten als sehr neugierig, unerschrocken und daher besonders gefährlich. Vorsichtshalber sollte man sie mindestens so respektvoll behandeln wie Grizzlys. Da sie offensichtlich dem Menschen weniger aus dem Weg gehen und eher angreifen als ihre vegetarischen Brüder, kann es für Touren in Gegenden mit Eisbären durchaus ratsam sein, zur Sicherheit eine geeignete Waffe bei sich zu führen. Dass aber die Waffe allein nicht ausreicht, und was zusätzlich erforderlich ist, wird im Kapitel „Bärenabwehrmittel“ auf S. 123 erklärt.

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      Vorsicht! Nicht immer ist der Eisbär so sehr mit seinem Spiegelbild beschäftigt!

      011ba Abb.: rh

      Bären und Lebensmittel

      Bären (außer den Eisbären) sind – obwohl von den Zoologen als die „größten Landraubtiere“ klassifiziert – keine ausgesprochenen Fleischfresser, sondern Allesfresser wie die Wildschweine und wir Menschen. Zwar gehören die Bären ihrer Abstammung nach zu den Fleischfressern, sie haben aber ihre Ernährung und auch ihr Gebiss im Laufe ihrer Entwicklungsgeschichte stark umgestellt (s. S. 32). Sowohl Schwarzbären als auch Grizzlys ernähren sich heute weitgehend vegetarisch sowie zu einem kleineren Teil von Fischen, Kleinnagern und Jungtieren oder Aas. Zwar gibt es beträchtliche regionale und individuelle Unterschiede, doch meist besteht die Ernährung beider Spezies zu über 90 % aus Pflanzenkost und im Frühjahr und Sommer stehen selbst riesige Grizzlys oft auf der Wiese und fressen Gras wie eine Kuh auf der Weide.

      imageVideo „Sicherheit vor Eisbären“

      Bärenexperte Stephen Herrero hat mehrere Videos zum Thema „Sicherheit vor Bären“ produziert, darunter auch ein spezielles über Eisbären mit dem Titel „Bear Attack: Polar Bears“, vertrieben von Ellis Entertainment, Toronto, Kanada. www.ellisent.com

      Auch wenn es in ganz seltenen Fällen schon vorgekommen ist, dass ein Bär den Menschen als Beute betrachtet hat, auf Wildniswanderer haben sie meist keinen Appetit. Im Gegenteil: Menschengeruch ist ihnen höchst zuwider. Hingegen haben sie eine unbestreitbare Schwäche für Süßigkeiten, Fette und menschliche Lebensmittel ganz allgemein! Deshalb muss man für die Sicherheit (seine eigene und die nachfolgender Wanderer!) in Bärengebieten vor allem den Proviant und alles, was nach Lebensmitteln riecht, mit höchster Sorgfalt behandeln.

      In Gegenden, die häufiger von Menschen besucht werden, lernen die Bären sonst schnell, den Menschen als Futterquelle zu betrachten. Sie sind dann nur sehr schwer wieder davon abzubringen, werden zu gefährlichen Campräubern und im Zweifelsfall ist ihnen jedes Mittel recht, um an das begehrte Futter zu gelangen. Grizzlys haben die Kraft, auch solide Blockhütten über den Haufen zu reißen, wenn sie Futter darin riechen, und sie können in einer einzigen Nacht die Lebensmittel für eine mehrwöchige Tour restlos verputzen.

image Viele Bärenunfälle sind dadurch verursacht worden, dass die Tiere zuerst durch Lebensmittel angelockt und dann durch erschrockene Camper gestört wurden.
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      012ba Abb.: eh

      Bärenhunger

      Ein Grizzly, der in meine Blockhütte einbrach, hat innerhalb von nur zwei Tagen die Hälfte meines kompletten Wintervorrats verschlungen – darunter waren allein 5 kg Dörrobst, 15 kg Zucker und an die 20 kg Fett!

      Falscher Umgang mit Proviant oder organischen Abfällen kann auf diese Weise zum Tod von Bären – aber auch von Menschen führen. Dabei kommen die Verursacher meist unbehelligt davon. Für ihre Fehler müssen Wanderer büßen, die erst Monate oder Jahre später kommen, vielleicht alles richtig machen und die Gefahr nicht ahnen können, in die fahrlässige Vorgänger sie gebracht haben.

      So wird ein Bär gefährlich (gemacht)

      Das Schema ist immer das gleiche: Angelockt durch den Geruch von Proviant oder Abfällen, nähert sich ein Bär einem Camp. Die Camper selbst sind vielleicht längst weitergewandert und ihr Geruch ist verflogen – aber sie haben Abfälle zurückgelassen, die für den Bären eine hochwertige Nahrung darstellen (s. S. 32).

      Die zufällig entdeckte Futterquelle prägt sich der Bär nun ein und er wird diese Stelle früher oder später wieder besuchen. Und wenn er dort mehrmals Nahrung gefunden hat, ohne dabei schlechte Erfahrungen zu machen, wird er sich zunehmend auch an den Geruch des Menschen gewöhnen und seine Scheu verlieren. Er lernt also rasch, dass dieser Geruch keine Bedrohung, sondern eine Belohnung bedeutet.

      Irgendwann wird er sich nachts in das Camp wagen, auch wenn Wanderer dort zelten. Wieder passiert ihm nichts – und diesmal wird er sogar durch noch reichere Nahrung belohnt, die einige Wanderer in ihren Rucksäcken gelassen haben, anstatt sie aufzuhängen. So wird er den Menschengeruch zunehmend mit hochwertigem Futter in Verbindung bringen und immer mutiger werden.

      Bald wird er auch am Tag in ein Camp kommen und nicht mehr unbedingt flüchten, wenn er einem Menschen begegnet. Nur wenige Erfahrungen genügen ihm, um zu lernen, dass ein Mensch, dem er sich nähert (statt vor ihm wegzulaufen), ihn dafür mit einem Rucksack voller Leckereien belohnt! Jetzt ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis ein ahnungsloser Wanderer diesem „verdorbenen“ Bären zu nahe kommt, so dass der Bär vor Schreck oder um seine Beute zu verteidigen angreift und den Menschen verletzt.

      imageVerantwortung

      Halten Sie sich strikt an alle den Proviant betreffenden Regeln der Parkverwaltung – auch wenn es manchmal etwas Mühe macht. Sonst gefährden Sie nicht nur sich selbst, sondern bringen zudem das Leben nachfolgender Wanderer in Gefahr!

      Diese ganze Entwicklung kann sehr rasch verlaufen oder sich über Jahre hinziehen – aber das Ende ist fast immer dasselbe: Es kommt zu einem Bärenunfall, der Bär wird als „blutrünstige Bestie“ verschrien und muss entfernt oder getötet werden.

      Grizzlys können schon nach wenigen Erfahrungen dieser Art zu einer echten Gefahr werden, während Provianträuber unter den Schwarzbären vergleichsweise (!) harmloser bleiben. Inzwischen ist das Risiko seit vielen Jahren bekannt und in den Parks werden alle Anstrengungen unternommen, es zu minimieren. Durch zunehmende Aufklärung wissen die meisten Parkbesucher heute, was sie beachten müssen – es kommt nur darauf an, dass sie sich auch tatsächlich daran halten.

      Verhalten der Bären

       „Die beste Waffe, um das Risiko eines Bärenangriffes auf ein Minimum zu reduzieren, ist Ihr Verstand“, schreibt Stephen Herrero in seinem Buch „Bear Attacks“ (s. Anhang). „Benutzen Sie ihn, sobald Sie anfangen, eine Tour in ein Bärengebiet zu planen – und benutzen Sie hn während Ihres gesamten Aufenthalts.“

      Je besser man die Bären und ihr Verhalten kennt und versteht, desto besser kann man mögliche Risiken einschätzen und vermeiden – und desto eher weiß man, wie man sich in kritischen Situationen verhalten muss, um die Gefahr eines Unfalls zu minimieren oder um im schlimmsten Fall sogar eine Bären-Attacke glimpflich zu überstehen. Nutzen Sie daher


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