Zeit für Liebe. Diana Richardson
zwischen den Körpern ein starkes Magnetfeld. Werden die Körper im Sex verbunden, treffen sie an ihren entgegengesetzten Polen aufeinander, und ein elektromagnetischer Strom schließt sich kreisförmig. Männliche Energie fließt vom Penis in die Vagina und hinauf zum Herzen der Frau. Die weibliche Energie antwortet durch die Brüste, indem die Energie in das Herz des Mannes strömt und abwärts in sein sexuelles Zentrum fließt. Es entsteht eine vollständige Einheit und die zirkulierenden Bioenergien hätten genug Kraft, flackerndes Licht zu erzeugen.
Mit diesem vollständigen Kreislauf bewegt sich die Elektrizität zwischen Mann und Frau hin und her, mit aktiven und passiven Phasen – der Mann wird zur Frau und die Frau zum Mann. Es ist eine natürliche Bio-Elektrizität, die es schon lange vor der modernen Erfindung gab, und Tantra bezieht sich auf dieses Phänomen als den „Kreislauf des Lichts“.
Abb. 6 Energie, die sich zwischen zwei Körpern im Kreis bewegt, bildet einen „Lichtkreis“.
Dieser kraftvolle Polaritätseffekt repräsentiert das höchste Potenzial von Mann und Frau zusammen, eine spirituelle Kraft, die es ermöglicht, die Mysterien des Lebens zu durchdringen.
Diese Information über die Polaritäten können wir in unser Liebemachen auf praktische Weise einbeziehen. Da die Körperenergie – ähnlich der Elektrizität – vom Positiven zum Negativen fließt, sind es die positiven Pole des männlichen sowie des weiblichen Körpers, die es zu erwecken gilt, um die tieferen Bewegungen der sexuellen Energie in Gang zu setzen. Die Bedeutung dieses Ansatzes wird dadurch deutlich, dass Tantra den Penis des Mannes und die Brüste der Frau als die „positiven Pole der Liebe“ beschreibt. Sie sind die Quellen allen Lebens – der Samen des Mannes, die Muttermilch der Frau. Die Pole während des Vorspiels und beim Sex dementsprechend wertzuschätzen macht den qualitativen Unterschied der sexuellen Energie aus, die wir aufbauen.
Sexuelle Energie durch Polarität aufbauen
Das bedeutet auf praktischer Ebene, dass für die Frau die Brüste wesentlich wichtiger sind als ihre Vagina. Aber unser herkömmlicher Ansatz beim Liebemachen und beim Vorspiel besteht darin, sich auf die Genitalien zu konzentrieren und sie zu berühren und zu stimulieren. Wir denken, wir sollten beide so schnell wie möglich zusammenbringen, sobald der Mann eine Erektion hat und lange bevor die Frau sexuell wirklich bereit ist – so nimmt der Sex ja gewöhnlich seinen Lauf. Für den Mann ist der Penis sein positiver/dynamischer Pol und der ist allzeit bereit. Aber für die Frau ist es ihr passiver/negativer Pol, der nicht allzeit bereit ist. Der Fokus liegt versehentlich auf den „Organen der Liebe“ – Penis und Vagina, statt auf den „positiven Polen der Liebe“: dem Penis und den Brüsten.
Was die weibliche Körperenergie betrifft, ist das ein großes Missverständnis, und auf diesem Missverständnis basiert viel Unzufriedenheit im Sex. Männer und Frauen sind wegen ihrer Unfähigkeit, die sexuelle Energie durch die Polarität aufzubauen, enorm frustriert (sogar wütend). Wird beim Vorspiel die Aufmerksamkeit auf die Klitoris der Frau und ihre Genitalien gelegt, ist das energetisch gesehen ineffektiv, selbst wenn es aufregend sein mag. Sie kann sich nicht sexuell in der Tiefe öffnen, denn ihre Genitalien haben eine eher zweitrangige Bedeutung in Bezug auf ihre körperliche Polarität.
Um die in ihr vorhandene angelegte bioenergetische Reaktion zu erhalten, ist es wichtig, die positiven Pole, ihre Brüste und Brustwarzen, miteinzubeziehen und somit auch ihr Herz zu öffnen. Die Liebe und Energie, die so im positiven Pol aufgebaut werden, fließen ganz natürlich über und erfüllen die Vagina mit Wärme, Empfänglichkeit und Bereitschaft. So wird der passive Pol erweckt. Die Vagina kann nicht wirklich bereit sein, wenn der positive Liebespol (die Brüste) nicht miteinbezogen ist. Dieses eigentliche Erwachen der Vagina führt uns automatisch zu dem elektromagnetischen Potenzial von Penis und Vagina, wenn während der Penetration (oder zu einem anderen Zeitpunkt) die männliche Energie wie ein mitreißender Strom von Lebensenergie in diesen Kreislauf überfließt. Das ist eine völlig neue Erfahrung von Sex.
Richtet der Mann vor der Penetration seine ganze Aufmerksamkeit liebevoll auf die Brüste, ist die Frau sowohl körperlich als auch von ihrer Psyche her zum Sex bereit, und das ist wichtig. Dann wird der Mann sofort spüren, dass die Frau mit ihm ist, auf seiner Seite, und sich im Einklang mit ihm bewegt. Es entsteht ein Gefühl von Einheit, ein tiefes körperlichen Ja von ihr: Er muss nicht kämpfen, um Liebe zu bekommen, und sie nicht, um Liebe zu geben. Das ist wahre sexuelle Vereinigung.
Wenn man auf diese Art und Weise Sexualität lebt und dabei die Polarität nutzt, beginnt ein Prozess, in dessen Verlauf sich ein kraftvolles Energiefeld zwischen und in den beiden Körpern aufbaut. Diese Art Bio-Elektrizität, die in diesem Magnetfeld fließt, macht eine Spiralbewegung. Das erklärt, warum die Bewegung der berühmten Kundalini-Energie – am unteren Ende der Wirbelsäule des Mannes – als kraftvoll sich entfaltende, vibrierende und aufwärts bewegende Schlange erfahren wird.
Komplementär dazu liegt die Wurzel der weiblichen Kundalini-Energie nicht am unteren Ende der Wirbelsäule, wie irrtümlich angenommen, sondern in den Brüsten. Und zwar deshalb, weil Energie nicht von einem negativen Zentrum aus aufsteigen kann. Sind die Brüste und das Herz der Frau vollständig resonant, wird sich die Schlange nach innen entladen, anmutig entspannen und im Innern Raum schaffen.
Wenn sich die Energie verbindet und in Körper und Seele vibriert, kann uns diese gemeinsame Bioelektrizität beim Liebemachen in völlig neue Höhen führen. Überlassen wir uns der Regie dieser elektromagnetischen Kraft unseres Körpers, können wir leidenschaftlich lieben: Ein Gefühl von Zeitlosigkeit entsteht und jeder Augenblick ist unmittelbar und ohne Grenzen, etwas, wovon wir bisher vielleicht nur geträumt haben. So wächst das Glück beim Liebemachen, denn Polarität ist unbegrenzt und es kann mehr und mehr ein Strahlen in uns entstehen.
Der Weg zur Ekstase
Die Kunst besteht darin, zu unserer eigenen Polarität zurückzukehren, sie aufzubauen und zu nutzen – dadurch wird der Mann männlicher, die Frau weiblicher. Wenn ein Mann in der Lage ist, eine Frau beim Sex wirklich in der Tiefe zu lieben und zu berühren, denn das ist seine größte Sehnsucht, dann wird er sich geerdeter, reifer und energetischer fühlen. Seine ursprüngliche, männliche Stärke und Klarheit erwächst. Indem die Frau diese Liebe annimmt und erwidert, beginnt sie, sich rein und liebevoll zu fühlen, als eine Quelle der Liebe; und eine zart anmutende Weiblichkeit entsteht. Kommt man durch diese ureigene Polarität in Balance, entstehen Harmonie, Verständnis, Respekt und gegenseitige Wertschätzung. Liebe wird zu einer gelebten Realität. Wenn wir unsere Polarität annehmen, entwickelt sich eine Anziehungskraft, eine organische magnetische Intelligenz zwischen Penis und Vagina, die mit der Zeit stärker wird. Das erstaunliche Ergebnis ist, dass wir uns immer weniger anstrengen müssen, um Liebe zu machen – der Körper macht es wie von selbst. Es ist so: Je weniger wir tun, desto mehr können wir uns erlauben zu sein und umso größer wird unsere Erfahrung.
Das alte tantrische Symbol des Shivalingam, das man auch heute noch überall in Indien finden kann, bildet den Penis (Lingam), gewöhnlich umgeben von der Vagina (Yoni), ab. Sie werden in einer Reihe von interessanten Formen gezeigt, aber die Yoni hat hier eine weitaus tiefere Bedeutung, als nur den negativen weiblichen Pol zu repräsentieren.
Sie repräsentiert eine Passage, den Zugang zum Herzen, durch den der Mann seinen eigenen weiblichen, positiven Pol erreichen und sich mit ihm verbinden kann. In vollkommener sexueller Vereinigung geht der positive männliche Pol in das weibliche Negative, streckt sich nach oben, dehnt sich weiter aus und strömt zum Herz. Wenn dies geschieht, kommt es zu einer Art goldenen Verschmelzung: der Penis umfangen und strahlend aufgenommen im Herzen. Das ist pure Ekstase!
SCHLÜSSEL
Das Männliche und das Weibliche sind – genauso wie Positiv und Negativ – Kräfte, die sich gegenseitig anziehen.
Diese Polarität ist die Quelle unserer sexuellen Ekstase.
Jeder