Die Villen vom Traunsee. Marie-Theres Arnbom
Aufschrift, eine morsche Tür, hinter der ein Müllhaufen mit zerbrochenen Scherben ein fliegenumsummtes Dasein führt. Unmöglich, hier kann kein Brahms-Museum sein! Nach längerem Suchen entdecke ich eine andere Tür, komme längs eines Glashauses mit zerbrochenen Scheiben endlich zu einer menschlichen Behausung. Ein Mann davor weist mich an, den Parkweg weiter hinauf zu gehen, nach einigen Schritten werde ich das Haus mit dem Brahms-Museum finden. Er will indessen jemanden holen, der die Zimmer aufsperrt.
In einer halben Minute bin ich angelangt. Vor mir steht, von alten Bäumen dicht umbuscht, ein kleines Gebäude im Jagdhausstil, mit einem Hirschgeweih über der eichenen Tür. An schönen Tagen mag der Blick auf den Traunstein prächtig sein. Jetzt aber steht das Haus in Einsamkeit und Melancholie getaucht unter dem leise plätschernden Regen. Da kommt der Gärtnerbursch aus der nahen Villa und sperrt die Tür auf. Ich sehe auf die Uhr: über eine Stunde habe ich mit Suchen und Fragen verloren. Aber aller Unmut ist verflogen, da ich die Schwelle des kleinen Museums übertreten habe. Mit unerhörter Geduld und Liebe hat Viktor v. Miller alles zusammengetragen, was mit Brahms, mit seiner Kunst und mit seinem Menschlichen zusammenhängen mochte. Fünf kleine Zimmer umfaßt das Museum. Drei davon enthalten, in Vitrinen aufbewahrt, allerlei Erinnerungen, die Wände sind mit Bildern bedeckt, zahlreiche Büsten des Meisters stehen auf den Regalen. Viel Raum nehmen die Fotographien ein, die immer wieder Brahms, allein oder an der Seite des Hausherrn, darstellen.
In einer anderen Vitrine sieht man eine Handschrift Max Kalbecks ›Persönliches über Johannes Brahms‹. Daneben Bilder seiner treuen Hausgenossin und Pflegerin Cölestine Truxa, die heute noch frisch und rüstig in ihrem mit Brahms-Erinnerungen ausgestatteten Wiener Heim lebt. Darüber hängen ein Ölbild Josef Joachims von Laszlo und eine Radierung, Brahms darstellend, von Michalek.
Ergriffen von soviel Freundestreue verlasse ich die Räume. Ich soll mich noch ins Gästebuch eintragen. Das Büchlein verzeichnet achtzehn Besuchernamen für das Jahr 1931. Als ersten Professor Forke aus Hannover-Münden am Johannistag, dann unter anderen einen Gast aus Indianapolis, einen aus New York und Fürstin Fürstenberg aus Strobl. Der Aufseher verspricht mir, als er hinter mir das Tor schließt, eine Tafel, die er selber anfertigen will, an der Gartentür anzubringen, zur Orientierung der Besucher. Wäre es aber nicht Pflicht von Bund, Land und Gemeinde, für das kleine Museum und seine Instandhaltung zu sorgen?«
Deutlicher wird ein Besucher mit den Initialen C. M., der im Neuen Wiener Journal am 26. Juli 1932 über die Transferierung der Brahms’schen Wohnräume von Bad Ischl nach Gmunden berichtet: »Liebende Freundeshände entführten das Häuschen des Unsterblichen von den Ufern der Traun und trugen es über die Berge an den blauesten See des Salzkammerguts. Wer also Johannes Brahms’ Ischler Sommerhaus sehen will, muß nach Gmunden fahren. Eugen Miller v. Aichholz, der heutige Herr des grandseigneuralen Alt-Gmundner Besitzes, hat als junger Mensch den berühmten Freund seines Vaters gut gekannt. Hier in Gmunden hat man den Meister eigentlich immer in aufgeräumter, oft sogar übermütiger Stimmung gesehen.«
Die beiden Zimmer entsprechen in keiner Weise mehr dem Standard der 1930er-Jahre: »Wie unvorstellbar bescheiden, ja primitiv war doch so eine gutbürgerliche Sommerwohnung der achtziger Jahre! Da steht an der Wand des Arbeitszimmers, eigentlich eines winzigen Kabinetts, die kleine, unbequeme Ottomane, daneben ein paar roßhaargepolsterte Sessel und der altmodische, häßliche Kachelofen. Die typische ›möblierte Wohnung‹ aus der guten alten Salzkammergutzeit, in der das Wort Komfort nicht erfunden war. Es ist wohl die unpersönlichste Stätte, an der je ein großer Mann unsterbliche Werke geschaffen hat.« Wie erstarrt präsentiert sich der gedeckte Frühstückstisch: »Da steht die Kaffeemaschine, auf der er sich selbst den Kaffee bereitete. Seine Frühstückstasse, sein Eibecher, sein einfaches Besteck. Wir gehen hinüber in das anstoßende, noch kleinere Schlafkabinett. Das Bett des Meisters und wieder ein Sofa, beide schmal und unbequem. Kein auf Urlaub gehender, kleiner Kommis würde heute so wohnen wollen. Ein primitiver Waschtisch mit zwei Zahnbürstchen und einem Handtuch.«28
So wird das Brahms-Museum zugleich Pilgerstätte und Zeitdokument der frühen Jahre der Sommerfrische – heute wird die Erinnerung an Johannes Brahms im Kammerhofmuseum Gmunden liebevoll bewahrt. Die schöne Villa, das einstige Zentrum so regen kulturellen Lebens, beherbergt heute eine Volksschule – die Brahmsschule.
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