Die Villen vom Traunsee. Marie-Theres Arnbom

Die Villen vom Traunsee - Marie-Theres Arnbom


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das Wiener Salonblatt am 17. Dezember 1933.

      »Aber auch die Geselligkeit verstand dieser liebenswürdige Hof in vornehmster und gastfreundlichster Art zu heben und zu fördern«, kann man weiter dem Salonblatt entnehmen. »Allsommerlich wurden in der schloßartigen Villa Cumberland Dinners und Einladungen gegeben, zu denen zahllose Gäste von nah und fern geladen waren.« Die schlossartige Villa überragt die Stadt im Nordosten als Symbol des Historismus. Ernst August von Hannover beauftragte Ferdinand Schorbach, einen Architekten aus seiner Heimat, mit dem Entwurf eines neogotischen Schlosses, ganz dem Geschmack der damaligen Zeit entsprechend. Die Baumaterialien kamen aus der Gegend,12 auch die Inneneinrichtung entspricht völlig dem historistischen Geschmack – das Wort »überladen« wirkt fast zu schwach für dieses Schloss voller Rüstungen, altdeutscher Möbel, Vertäfelungen und Wandmalereien. Es gibt kaum einen freien Platz oder eine unverzierte Wandfläche. Wenige Jahre nach Fertigstellung entsteht ein weiteres Gebäude, das sogenannte Prinzenstöckl.

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      Schloss Cumberland

      In den 1930er-Jahren wird im Schloss Cumberland ein Welfen-Museum eingerichtet, doch 1938 beschlagnahmen die Nationalsozialisten den Besitz, nach dem Zweiten Weltkrieg betreibt die Republik Österreich ein Spital – die Zeiten der Repräsentation sind endgültig vorbei. Heute beherbergt das Schloss ein Pflegeheim – man ist versucht zu sagen, dass dies ganz im Sinne der Familie Cumberland ist, die sich in Gmunden vor allem der Wohltätigkeit gewidmet hat.

       3 »In unserem Hause war die Frau Gebieterin.«

       Marie Lang zwischen Gmunden und Altmünster

       Gmunden, Schiffnerstraße 20

      Wie kommt ein Mädchen aus gutem, wenngleich ziemlich unkonventionellem und kunstbeflissenen Hause zur Frauenbewegung? »Menschenrechte, für die ich entbrennen konnte, wenn mein Vater, ein echter 1848er und Liberaler, halbe Nächte lang von Freiheit schwärmte und mein junges Herz dafür entflammte, die gingen doch die ganze Menschheit an.« So wächst das Mädchen heran. »Von meinem Vater bin ich ganz englisch oder freiheitlich erzogen worden, dessen höchster Wunsch es war, seine beiden Töchter zu gesunden und selbständig denkenden Menschen heranzubilden. Unabhängigkeit und eigenes Verantwortungsgefühl hat er außerordentlich in mir entwickelt.« Ein Freigeist also, zu dem Marie erzogen wird. »Auch der Begriff der unterdrückten Frau war niemals in meinem Leben aufgetaucht. In unserem Hause war die Frau Gebieterin. Meine Mutter war Herrin in ihrem Reich, der gehuldigt wurde. Ich kannte keine unterdrückten Frauen – unglückliche ja.«13

      Marie verbringt ihre Sommerfrische in einer beeindruckenden Villa in Gmunden: 1858, im Jahr ihrer Geburt, lässt sich ihr Vater, der »Zimmermeister« Carl Wisgrill, von Heinrich von Ferstel eine Villa entwerfen, 1861 wird sie fertiggestellt. Ihre Mutter, »die liebenswürdige ehemalige Hofschauspielerin Scholz, vereh. Wisgrill, residierte in der schönsten Sommerfrische Gmundens, in einem Prachtbau, der 200 000 fl. gekostet haben soll.«14

      Heinrich von Ferstel äußert sich auch selbst zur Planung dieses Anwesens: »Die sich hier darbietende Fernsicht war für die Lage und Stellung des Gebäudes maßgebend und es wurde die Anordnung in der Art getroffen, daß der Salon nach dem See und dem Höllengebirge gerichtet ist, daß aber die schönste Fernsicht an der nordwestlichen Ecke der Villa genossen wird, wo man ein umfassendes Panorama über den See, das Gebirge und die Stadt Gmunden erblickt.«15

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      Verschiedene Ansichten der Villa Wisgrill, Allgemeine Bauzeitung, 1862

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      Die Bezeichnung Carl Wisgrills als »Zimmermeister« entspricht in keiner Weise der Realität, vielmehr begründet er ein Großunternehmen, das unter anderem alle Zimmermannsarbeiten des Wiener Carltheaters ausführt. Die Affinität zum Theater zeigt sich auch in anderer Beziehung: Am Carltheater wirkt als Kollege Johann Nestroys der berühmte Komiker Wenzel Scholz, dessen Nichte Emilie ebenfalls Schauspielerin ist und 1857 an das Wiener Burgtheater engagiert wird. Nur ein Jahr später bekommt sie eine Tochter, Marie – von Carl Wisgrill, dem Bauunternehmer, den sie jedoch erst nach der Geburt heiratet. Die Mutter zieht sich von der Bühne zurück – so wird es in diesen Jahren von einer verheirateten Frau erwartet.

      In der Sommerfrische verbringt Marie Wisgrill viel Zeit mit der gleichaltrigen Melanie Lang – nicht ahnend, dass diese nach einigen Umwegen ihre Schwägerin werden wird. Doch noch ist es nicht so weit. Melanie heiratet 1878 den Wiener Hofjuwelier Heinrich Köchert, dessen Familie den Besitz Buchschacher in Altmünster erwirbt. Heinrichs Bruder Theodor hat es Marie angetan – 1881 heiraten die beiden: eine der vielen Ehen, die in der Sommerfrische gestiftet werden. Doch hält diese nicht lange, Marie heiratet vier Jahre später den Bruder ihrer Freundin Melanie, Edmund Lang. Durch Melanie kommt sie auch mit dem Komponisten Hugo Wolf in Kontakt.

      »Aus einer Familie und einem Kreis hervorgegangen, der die vollendetste Kultur besaß, aus einem Geschlecht eigentümlich willensstarker Menschen, die durch ihre Begabung und Energie im Guten wie im Bösen hervorragten, selbst schön, reich begabt und von frühester Jugend an im beständigen Umgang mit bedeutenden Menschen, großen Künstlern, reichen Individualitäten jeder Art, entwickelte sie sich selbst zu einer ungewöhnlich stark ausgeprägten Persönlichkeit.« So schreibt der Schriftsteller Karl Federn in der Frauenrundschau über Marie Lang, die sich mit großer Kraft und Energie der Frauenbewegung widmet. Sie ist Mitbegründerin des Allgemeinen Österreichischen Frauenvereins, des Ersten Wiener Frauenklubs und des ungemein umtriebigen Vereins Wiener Settlement, einer Wohlfahrtseinrichtung nach englischem Vorbild, die in einem Haus in Ottakring Kinder, Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen betreut. Das Angebot reicht von einer Ausspeisung über Vorträge, Theateraufführungen, Turnen und Spiele bis zur Organisation von Ferienkolonien – ein großes Unterfangen, das von der Frauenrechtlerin Else Federn und vielen Mitstreiterinnen mit unbeirrbarem Enthusiasmus vorangetrieben wird. »Die Kinder lernen hier nachdenken, hier wird nichts nachgeplappert«,16 berichtet die große Sozialpädagogin Eugenie Schwarzwald. Das Ambiente kann sich sehen lassen: Marie Langs Freunde Josef Hofmann, Kolo Moser und Alfred Roller unterstützen die Ausstattung des Settlement-Hauses, das mit gespendeten Möbeln gemütlich eingerichtet wird.17

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      Marie Lang mit Tochter Lilith und Enkel Peter Oberndorfer

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      Marie Lang

      Ihre Freundin Therese Schlesinger, Schwester des umfassend gebildeten und unkonventionellen Friedrich Eckstein, der ebenfalls Hugo Wolf unterstützt, und die große Frauenrechtlerin Rosa Mayreder beeinflussen das Denken der jungen Marie ebenso wie die engagierte Auguste Fickert, die ihr eine neue Welt erschließt: »das soziale Leben«.18 Und doch bleibt Platz für Konventionen, ist Rosa Mayreder doch gemeinsam mit Friedrich Eckstein Taufpatin von Maries Söhnen Heinz und Erwin.

      Viele Schicksalsschläge muss Marie Lang ertragen: Ihr Sohn Heinz hat, noch nicht 20-jährig, eine Affäre mit der Schauspielerin Lina Loos, die jedoch zu ihrem Mann, dem Architekten Adolf Loos, zurückkehrt – Heinz nimmt sich daraufhin 1904 in England das Leben. »Ich dachte das Richtige zu tun, als ich ihn nach England schickte, um ihn in ein anderes Leben zu bringen, hätte ich ihn bei uns behalten, vielleicht – wer weiß?«19 Dieser Zweifel lässt Marie nie wieder los. Zwei Jahre später trifft sie ein weiterer Schicksalsschlag: Ihre Jugendfreundin Melanie stürzt sich 1906 aus dem Fenster und erliegt kurz darauf ihren Verletzungen.

      Ihren Lebensabend verbringt Marie bei ihrem


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