Die Villen vom Traunsee. Marie-Theres Arnbom
auf die Unterstützung der Familie Köchert vertrauen, der Geigenvirtuose Joseph Joachim verkehrt im Haus Cumberland ebenso wie bei Familie Asten in Rindbach. Dazu kommen die heute vergessenen Diven Pauline Lucca, Friederike Gossmann und Milla Scholz.
Eine weitere Besonderheit ergibt sich durch die Recherchen für dieses Buch: Die Begegnung mit vielen Familien führt mich nach Amerika, Australien, Schweden und Wien, die Nachkommen geben mir Auskunft, graben Erinnerungen aus, blättern in Fotoalben, durchsuchen Dokumente, finden Autobiografien und Briefe – und in der heutigen Welt des Internets kann ich ruhig an meinem Schreibtisch sitzen und mit der ganzen Welt kommunizieren. Da kann es schon passieren, dass in der Nacht um 4 Uhr Informationen aus Australien eintrudeln und zwei Stunden später welche aus Amerika. Bei Abendessen und im Kaffeehaus erstehen plötzlich ganze Familiengeschichten vor mir und ich kann nur dankbar sein, dass dieses Wissen mit mir geteilt wird. Nun darf ich all dies hier präsentieren, der Vergessenheit entreißen und die geschätzte Leserschaft daran teilhaben lassen.
Am Traunsee kommt noch ein anderer Aspekt hinzu: Hier entstanden Schlösser und prachtvolle Villen, erbaut von den großen Architekten ihrer Zeit: Theophil Hansen entwirft in den 1850er- Jahren die Villa der Schwestern Pantschoulidzeff, 20 Jahre später stattet er die Verkaufsräume der Firma Köchert in Wien aus. Die Villa Wisgrill wiederum ist ein Werk von Heinrich von Ferstel – heute abgerissen und vernichtet. Gustav Gugitz’ eindrucksvolle Villa Lanna erfreut das Auge auch heute noch, der hannoveranische Architekt Ferdinand Schorbach schafft das neogotische Schloss Cumberland. Und es gibt noch viel mehr zu entdecken.
Dieses Buch hat eine ganz eigene Dynamik – wie jedes Buch. Doch diesmal vereinen sich mehrere Erfahrungen: Die quellenbasierte Recherche in Kombination mit den vielen persönlichen Begegnungen, die in den vergangenen Jahren so viel an Erinnerungen, Erfahrungen und Geschichten mit sich gebracht haben, bietet eine neue Dimension – die persönliche Ebene gewinnt an Bedeutung.
Was sagt dies alles über die Sommerfrische am Traunsee aus? Diese ist vorerst geprägt von exilierten Höfen und deren Hofstaat. Und viele Adabeis ziehen mit in der sicheren Annahme, am Traunsee, auf halbem Weg zwischen dem kaiserlichen Bad Ischl und Gmunden, Aufmerksamkeit zu erhalten und Aufträge welcher Art auch immer zu ergattern. Der Traunsee liegt in einiger Entfernung von Bad Ischl – und ist dem Zentrum der sommerlichen Welt zugleich nah genug.
Die 1920er-Jahre sind geprägt von wirtschaftlichen Problemen, viele der Sommerfrische-Familien können ihren Besitz nur durch Vermietungen erhalten, andere übersiedeln ganz an den Traunsee und werden zu Ansässigen. Andere erwerben mehrere Mietvillen und können so für ihren oft recht kärglichen Lebensunterhalt sorgen. Die Sommerfrische am Traunsee erzählt also nicht nur Erfolgsgeschichten, sondern bietet tiefen Einblick in die schwierigen Jahre der Ersten Republik.
Jüdische Familien kommen nach und nach auch an den Traunsee – lange werden sie geduldet, wenngleich nicht immer willkommen geheißen, obwohl Arnold Schönberg im Jahr 1922 hier Zuflucht findet vor antisemitischer Propaganda in Mattsee. Drei Jahre später kann man in der Zeitung Die Wahrheit Folgendes lesen: »Vorige Woche hat das Wiener Montagsblatt Der Morgen von dem schlechten Besuche der österreichischen Sommerfrischen gesprochen und die gerade katastrophalen Folgen geschildert, welche diese Erscheinung für alle am Fremdenverkehr interessierten Kreise nach sich ziehen muss. Der Morgen hat auch die Ursachen für das fast vollständige Ausbleiben der Sommergäste in den österreichischen Kurorten eingehend besprochen, welche in den hohen Preisen, den schlechten hygienischen Zuständen und den sonstigen Schikanen, welchen die Fremden ausgesetzt sind, gesucht werden müssen und hat das in den österreichischen Alpenländern leider vorhandene Hakenkreuzunwesen als einen Hauptgrund dafür angeführt, dass zahlreiche österreichische Sommerfrischen leer stehen, während die italienischen und schweizerischen Erholungsstätten derart überfüllt sind, dass in vielen buchstäblich kein Bett aufzutreiben ist. Womit widerlegt nun die in Gmunden erscheinende Neueste Post die Ausführungen des Wiener Montagsblatts, welches sind die Argumente der Zeitung, deren Redakteur der Gmundner Bürgermeister Dr. Thomas selbst ist? Die Antwort, welche dem Berichterstatter des Morgen erteilt wird, lautet: ›Judenbengel!‹ So spricht der Bürgermeister eines Ortes, dessen Kurgäste zum größten Teil Juden sind.«1
Das Jahr 1938 bringt auch hier einen Umbruch, allein in Gmunden werden 25 Villen enteignet, einigen Besitzern gelingt es, aufgrund von »regimekonformen« Ehepartnern ihr Eigentum zu erhalten – willkommen sind sie jedoch alle nicht mehr. Die Prachtbauten rund um den See werden beschlagnahmt, denn die Nationalsozialisten brauchen Platz – für Schulungszentren, später für Lazarette, aber auch für Bonzen, zwischen Gmunden und Rindbach, das durch seine Nähe zum Konzentrationslager Ebensee prädestiniert ist. Dieses prägt die Geschichte von Ebensee und lässt einmal mehr erkennen, wie eng die Idylle der Sommerfrische mit der Brutalität des Nazi-Regimes verbunden ist.
Eine spezielle Quelle stellen die Arisierungs- und Rückstellungsakten dar: Sie geben nicht nur Einblick in die skrupellose Vorgehensweise der Nazis, sondern lassen auch einen Blick in die Villen werfen, liegen doch oftmals genaue Inventare und Beschreibungen der Häuser ein. Nach dem Krieg wird keine unbürokratische Lösung angestrebt, es dauert Jahre, bis die ursprünglichen Eigentümer ihren Besitz zurückbekommen. Das Mobiliar ist längst gestohlen, die Räume zweckentfremdet, die einstmals gepflegten Gärten und Parks devastiert. Dass kaum jemand zurückkommt und die Sommerfrische neu belebt, verwundert nicht.
Und doch gibt es auch heute noch Familien, die seit Generationen am Traunsee ansässig sind und die Tradition der Sommerfrische bewahren und weitertragen.
Am Anfang der Recherche steht nach vielen Entdeckungsfahrten und -spaziergängen das Grundbuch, das dann zur Urkundensammlung im Bezirksgericht Gmunden führt – Verträge werden abgeschlossen, Hypotheken aufgenommen, Menschen ändern ihren Namen, sterben, erben – all diese Informationen bilden die Basis, um sich den Häusern und den Menschen zu nähern.
Verlassenschaftsakte, Opferfürsorgeakte, Meldezettel – die trocken klingenden Archivalien bilden Mosaiksteine, um sich auf die Spur der Menschen zu machen. Sie liegen in Archiven, ohne deren Unterstützung vieles gar nicht möglich wäre: Das Wiener Stadt- und Landesarchiv und das oberösterreichische Landesarchiv erweisen sich einmal mehr als unkomplizierte Kooperationspartner.
Ich durfte in ungedruckte Autobiografien Einblick nehmen und andere finden, die als Romane publiziert wurden und heute vergessen sind. So unterschiedliche Publikationen wie Gedichte, wissenschaftliche Abhandlungen und auch Nachrufe erlauben, sich den geschilderten Personen zu nähern.
Letztere finden sich oftmals in Tageszeitungen – dies führt zum großen Lob für die Plattform ANNO der Österreichischen Nationalbibliothek. Die Recherche erweist sich als sehr zeitaufwendig, findet man doch immer etwas, was man gar nicht gesucht hat. Mein großer Dank gilt Christa Müller, die unermüdlich dafür sorgt, dass das Angebot stetig erweitert wird.
Dass dieses Buch zeitgerecht erscheinen kann, ist einer Person zu verdanken: Gexi Tostmann. Manche Telefonate kommen zum richtigen Zeitpunkt. Nach den beiden vergangenen Jahren mit drei Büchern und etlichen anderen Projekten sank der Energiepegel rapide ab. Ich war überzeugt, dieses nun vorliegende Buch zu verschieben, doch meine Freunde unterstützten mich, ohne Druck auszuüben – danke, dass ihr für mich da wart, Christoph und Moni!
Mein Dank gilt all jenen, die mich mit Hinweisen, Materialien, Fotos, Kontakten, Gedanken, Gesprächen, Wohlwollen und viel Geduld versorgt haben: Paul Adler, Stefan Adler, Harald Brixel, Christoph Cornaro, Wolfgang Köchert, Kathrin Korngold Hubbard, Andrea Loudon, Elisabeth Löwenthal, Catrin Neumüller, Sir Gustav, Brigid und Kate Nossal, Claudia Schorna, Paul Slatin, Simone Slatin, Ossi Stadler, Barbara Thiem, Clemens und Stephan Trauttenberg.
Auf meine unermüdlichen Korrekturleser und -innen ist immer Verlass: Georg Gaugusch, Christiane Arnbom, Elisabeth Kühnelt-Leddihn und Hanna Ecker, die mich mit konstruktivem Feedback versehen haben. Helene Breisach sei für ihr genaues Korrigieren ebenfalls herzlich gedankt!
Dem Amalthea Verlag mit dem engagierten Team um Katarzyna Lutecka danke ich für das Vertrauen und die wie immer großartige Unterstützung.
Marie-Theres Arnbom
März 2019