Fear Street 56 - Die Wette. R.L. Stine
müsst wissen, dass meine Mutter seit der Scheidung von meinem Vater zwei verschiedene Jobs hat. Sie arbeitet jeden Abend sehr lange. Manchmal sehe ich sie tagelang nicht. Deshalb ist es wirklich selten, dass wir gemeinsam zu Abend essen.
Margaret und ich standen also vor der Theke und bestellten Hot Dogs. Wir wirken nicht so, als hätten wir irgendwas gemeinsam. Doch vielleicht ist das der Grund, warum wir so gut miteinander befreundet sind. Ich bin klein und dünn. Ich habe dunkelbraune Augen, und das Schönste an mir ist mein langes, glattes schwarzes Haar. Meine Nase ist zu spitz, und ich hasse das Grübchen in meinem Kinn. Aber das gehört nicht hierher.
Margaret ist fast einen ganzen Kopf größer als ich und etwas kräftiger. Sie versucht immer noch, ihren Babyspeck zu verlieren, jedenfalls behauptet sie das ständig. Ihr lockiges Haar ist so rot wie eine Karotte, und ihr Gesicht ist voller Sommersprossen. Sie ist zwar nicht besonders hübsch, aber sie ist eine tolle Freundin und kann mich andauernd zum Lachen bringen.
Nach der Scheidung meiner Eltern brauchte ich in diesem Winter dringend eine Freundin, die mich aufheiterte. Ich habe schon immer dazu geneigt, das Leben eher düster zu sehen.
Ihr wisst doch, wenn Leute ein Glas Wasser sehen und manche sagen, es sei halb voll, dass andere sagen, es sei halb leer? Na ja, ich bin der Typ, der sagen würde, dass das Glas halb leer ist und einen Sprung hat. Aber wen kümmert so ein doofes Glas überhaupt, verdammt nochmal?
Ich bin schnell schlecht gelaunt, das gebe ich ja zu.
Deswegen ist es so toll, eine Freundin wie Margaret zu haben.
Margaret und ich tragen vielleicht nicht gerade die teuersten Klamotten, und wir fahren auch nicht die coolsten Autos. Meistens sind wir total abgebrannt, aber fast immer haben wir trotzdem unseren Spaß – sogar in einer Kleinstadt wie Shadyside.
„Uns ist der Senf ausgegangen“, sagte der Verkäufer, als er mir zwei Hot Dogs über die Ladentheke reichte. Er war ein Mann mittleren Alters mit schütterem Haar und einem Bierbauch unter dem grünen Hemd.
„Dann nehmen wir sie eben ohne“, sagte ich zu ihm.
„Okay“, murmelte er und gab uns die Hot Dogs. Danach warf er zwei neue Würstchen auf den Grill.
„Hey, Johanna, schau mal dahinten.“ Margaret hielt den Hot Dog in einer Hand und stieß mich mit der anderen an.
Ich folgte ihrem Blick.
Erst hörte ich hinten im Laden Gelächter und laute Stimmen, und dann erkannte ich eine Gruppe von Schülern aus meiner Schule. „Was machen die denn hier?“, flüsterte ich Margaret zu.
Hinten am Getränkeautomaten standen fünf Jugendliche. Ich kannte keinen von ihnen näher. Doch ich erkannte sie trotzdem sofort, weil Margaret und ich ein paar Kurse mit ihnen gemeinsam hatten.
Sie waren so ungefähr die reichsten Kids an der Shadyside Highschool. Ich war sicher, dass alle in North Hills, der feinsten Gegend der Stadt, wohnten. Ihr wisst schon: gigantische Häuser, gepflegte Rasenflächen und hohe Hecken.
Ich entdeckte Dennis und seine Freundin Carol. Ich mag Dennis. Wir gehen in denselben Mathekurs, und er hat mich in einem Test mal abschreiben lassen.
Dennis ist ein echt netter Typ. Und er sieht super aus. Er hat kurzes schwarzes Haar und grüne Augen. Er ist der Star des Leichtathletikteams unserer Schule und hat die Figur eines Profisportlers.
Auch Melody war dabei. Sie ist total eingebildet und versnobt. Sie alberte mit Lanny und Zack herum.
Zack ist groß und kräftig wie ein Ringer. Er hat rote Locken und trägt Tag und Nacht eine schrille blaue Sonnenbrille. Die meisten an unserer Schule halten ihn deshalb für ziemlich verrückt.
Ich biss hungrig in meinen Hot Dog. Während Margaret und ich so taten, als wären wir tief in ein Gespräch vertieft, beobachteten wir die fünf Jugendlichen.
„Ich wette, du traust dich nicht“, sagte einer von ihnen. Ich glaube, es war Lanny.
„Ich wette, du traust dich nicht!“, zischte ein anderer.
Dennis füllte etwas Kirschsaft in einen Becher, und Lanny stieß ihm den Becher aus der Hand. Die rote Flüssigkeit ergoss sich auf Dennis’ weiße Turnschuhe.
„Hey du!“ Dennis boxte Lanny spielerisch an die Schulter.
Dann goss Lanny sich einen großen Schluck Kirschsaft in die Handfläche und schüttelte Dennis die Hand.
Margaret und ich mussten lachen. Ich meine, es war wirklich witzig. Doch aus dem Augenwinkel sah ich, dass der Verkäufer verärgert das Gesicht verzog. Er kochte vor Wut.
Denn der klebrige Kampf geriet nun etwas außer Kontrolle.
Jetzt bespritzten sich Carol und Melody gegenseitig mit dem Saft. Ein großer Schwall der dunkelroten Flüssigkeit landete auf Melodys Kopf und tropfte an ihrer perfekten blonden Frisur herunter.
Dennis stieß ein heiseres Gelächter aus. Doch er verstummte abrupt, als Zack und Lanny ihre Becher mit dem roten Saft über die Vorderseite seiner Shadyside-Highschool-Jacke schütteten.
Die fünf Jugendlichen schlitterten auf dem glitschigen Boden umher. Lanny stürzte zu Boden und rutschte auf dem Rücken weiter. Dann fiel Zack mit wild rudernden Armen auf ihn. Dennis brach wieder in schallendes Gelächter aus.
Alle lachten, auch Margaret und ich. Es war ein Bild für Götter.
„Hört sofort auf damit! Ich hol die Polizei! Das ist kein Scherz!“
Die erbosten Rufe des Verkäufers ließen das Gelächter verstummen. Ich drehte mich um. Sein Gesicht war fast so dunkelrot wie der Kirschsaft, und seine Halsschlagadern pulsierten heftig. Es sah wirklich so aus, als würde sein Kopf gleich explodieren.
Hinten im Laden war Lanny aufgestanden. Doch Zack lag immer noch mit ausgebreiteten Armen und Beinen auf dem Fußboden.
Dennis versuchte, Zack auf die Beine zu helfen, doch dann landeten beide auf dem Boden. Und wieder fingen alle an zu lachen.
„Ihr Kids glaubt, ihr könntet machen, was ihr wollt!“, schrie der aufgebrachte Verkäufer. Er rannte hinter der Theke hervor und erhob verbittert die Faust.
„Oh nein“, dachte ich und warf Margaret einen besorgten Blick zu. „Wird er sich mit ihnen schlagen?“
Der Spaß begann auszuarten.
Margaret packte meinen Arm. Ich glaube, sie merkte nicht einmal, wie sehr sie sich an mir festklammerte.
Nun ging der Verkäufer hinüber zu den anderen. Sein Bauch schwabbelte beim Laufen auf und ab. Er keuchte laut und schüttelte die Faust in die Luft. „Ich hol die Polizei! Jetzt gleich!“
Dennis und Zack erhoben sich. Melody und Carol sahen plötzlich ängstlich aus.
„Nein, das werden Sie nicht tun“, sagte Dennis ruhig.
„Wie bitte? Was hast du gesagt?“, schrie der Verkäufer aufgebracht.
„Ich habe gesagt, Sie werden nicht die Polizei holen“, erwiderte Dennis gelassen.
Und dann erkannte ich, dass er eine Waffe in der Hand hatte.
Margaret muss sie auch gesehen haben, denn plötzlich umklammerte sie meinen Arm noch fester.
Ich hatte keine Zeit, um zu schreien.
„Sie werden niemanden rufen“, sagte Dennis eiskalt.
Dann drückte er auf den Abzug.
Kapitel 2
Ein Wasserstrahl schoss aus der Pistole und ergoss sich über das grüne Hemd des Verkäufers.
Die Jugendlichen flippten aus. Sie johlten und klatschten übermütig in die Hände.
„Dennis, du bist super!“, kreischte Lanny schrill. „Du bist echt super, Mann!“
Der