Katzenfische. Mila Roth
mobile Endgerät auf dem Küchentisch unter einer Zeitung fand. »Janna Berg?«, meldete sie sich etwas außer Atem.
»Sagen Sie mal, stimmt etwas mit Ihrem Handy nicht? Ich versuche schon seit einer Ewigkeit, Sie zu erreichen.«
Als sie die Stimme des Geheimagenten vernahm, mit dem sie seit Juli bereits mehrfach in aufregende und nicht gerade ungefährliche Abenteuer verwickelt gewesen war, machte ihr Herz einen unvermittelten Satz. Vor Überraschung natürlich, denn mit einem Anruf von ihm hatte sie absolut nicht gerechnet. Zuletzt hatte sie ihn vor drei Wochen gesehen, als sie ihren Bericht zu den Ereignissen um die Verhaftung des Terroristen Burayd im Institut abgeliefert hatte. Seitdem hatten weder er noch sein Vorgesetzter, Herr Bernstein, sich bei ihr gemeldet.
Überhaupt fußte ihre gesamte Verbindung zu Markus und dem Institut lediglich auf einer zufälligen Begebenheit. Wenn Markus ihr an jenem Morgen im Juli nicht auf dem Flughafen Köln-Bonn diesen Umschlag mit der DVD aufgedrängt hätte, damit die darauf befindlichen Daten nicht in die Hände von Extremisten gelangten, wüsste sie bis heute nicht einmal um die Existenz jenes Geheimdienstes. So aber hatte sie in einem spontanen und, wie sie inzwischen fand, vielleicht doch etwas unvernünftigen Entschluss zugestimmt, sich in die Liste der zivilen Hilfspersonen dieser geheimen Sicherheitsbehörde eintragen zu lassen, die unter dem Deckmantel eines Meinungsforschungsinstituts agierte.
Doch ob nun unvernünftig oder nicht, die Zusammenarbeit mit Markus Neumann war spannend und interessant, wenn auch ziemlich riskant und voller Gefahren, wie Janna bereits am eigenen Leibe zu spüren bekommen hatte. All das schoss ihr beim Klang seiner Stimme durch den Kopf, aber sie ließ sich nichts anmerken. Stattdessen erwiderte sie kühl: »Zunächst einmal wünsche ich Ihnen einen guten Morgen. Ich kann nur vermuten, dass Sie es sind, Markus, denn offenbar hat man Ihnen nicht beigebracht, sich am Telefon höflich vorzustellen und wenigstens die Tageszeit zu wünschen.« Ihr Herz klopfte noch immer eine Spur zu schnell. Sie schob es auf ihren Unwillen gegenüber unhöflichem Benehmen allgemein. Vielleicht reagierte sie ein wenig zu harsch, aber andererseits – wie man in den Wald hineinrief ...
»Guten Morgen, Janna.« Markus Stimme klang erheitert. »Was ist denn nun mit Ihrem Handy? Haben Sie es ausgeschaltet? Auf diese Weise machen Sie es uns nicht gerade leicht, Sie zu erreichen. Vor allem, wenn Sie auch nicht an Ihr Festnetztelefon gehen.«
»Ich hatte den Staubsauger an und konnte deshalb das Klingeln nicht hören. Aber mein Handy habe ich nicht ausgeschaltet. Moment mal.« Janna ging zur Garderobe und griff nach ihrer Handtasche. Sie klemmte sich den Telefonhörer zwischen Ohr und Schulter, zog das Smartphone aus der Tasche und räusperte sich verlegen. »Ähm, ja, Entschuldigung. Der Akku ist leer. Ich lade ihn am besten gleich wieder auf.«
»Das würde ich Ihnen empfehlen.«
»Gibt es einen Grund für Ihren Anruf?« Während sie sprach, eilte Janna zurück in die Küche, zog das Ladekabel für das Smartphone aus einer Schublade und schloss das Gerät an einer der Steckdosen über der Anrichte an.
»Den gibt es in der Tat.« Das charmante Lächeln auf seinen Lippen erkannte sie an seiner Stimme und sah es auch prompt vor sich. »Wir möchten Sie um einen Gefallen bitten.«
»Was für einen Gefallen?«, fragte sie misstrauisch.
»Nur eine Kleinigkeit. Nichts Gefährliches oder so.«
»Mhm, das hab ich doch irgendwo schon mal gehört. Und kurz darauf hielt mir dann jemand eine geladene Pistole vor die Nase.«
»Keine Sorge, so etwas ist es wirklich nicht«, beruhigte er sie. »Es ist nur eine ganz einfache Sache. Im Grunde müssen Sie so gut wie gar nichts tun.«
»Janna? Bist du in der Küche?«, schallte in diesem Moment Lindas Stimme durchs Haus. »Hier ist ein Paketbote, der etwas für dich abgeben möchte. Er hat versehentlich zuerst bei mir geklingelt.«
»Ein Paketbote?« Verwundert runzelte Janna die Stirn. »Ich habe doch gar nichts bestellt.«
»Oh, oh, sie sind mir zuvorgekommen«, drang wieder Markus’ Stimme aus dem Hörer.
»Was soll das denn heißen?« Irritiert runzelte Janna die Stirn.
»Das Paket kommt vom Institut. Nehmen Sie es einfach an, aber öffnen Sie es nicht. Stellen Sie es irgendwo unter, wo niemand es sehen kann. Ich hole es morgen früh um neun Uhr bei Ihnen ab.«
»Das ist alles?«, vergewisserte sich Janna, während sie ihrer Mutter nach draußen folgte. Mitten im Hof parkte ein Lieferwagen mit dem blauen Schriftzug Parcels International; der Fahrer kam mit einem rechteckigen Päckchen auf sie zu und zückte seinen Scanner, als er ihr direkt gegenüberstand. »Janna Berg?«
Sie nickte.
»Ihren Ausweis bitte.«
»Oh, Moment, den muss ich drinnen holen.«
Das Telefon am Ohr eilte sie wieder ins Haus und kramte ihr Portemonnaie und daraus ihren Personalausweis hervor. »Was ist das für ein Päckchen?«, zischte sie ins Telefon.
»Nichts, was Sie beunruhigen müsste«, antwortete Markus freundlich. »Bewahren Sie es einfach irgendwo unauffällig auf, bis ich es abhole.«
»Es enthält doch wohl hoffentlich keine Bombe oder so?«
»Sie schauen sich zu viele Krimis im Fernsehen an«, erwiderte er.
»Es ist also wirklich harmlos?«
»Sagen wir, es handelt sich um ein hochsensibles Gut, das Ihnen aber in keiner Weise gefährlich werden kann. Zwei Agenten aus Kellermanns Team werden Ihr Haus heute und über Nacht aus sicherer Entfernung im Auge behalten. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag!«
Das Knacken in der Leitung signalisierte ihr, dass er die Verbindung unterbrochen hatte. Kopfschüttelnd schob sie das Telefon in die Tasche ihrer Jeans und eilte mit ihrem Ausweis zurück nach draußen. »Entschuldigen Sie, ich musste nur rasch das Gespräch beenden. Hier ist mein Ausweis.«
Der Paketbote prüfte das Dokument, gab die Ausweisnummer in seinen Scanner ein und reichte ihr dann den Plastikstift, der an dem Gerät befestigt war. »Bitte unterschreiben Sie hier noch.«
Augenblicke später rollte der Lieferwagen wieder vom Hof. Janna beäugte neugierig das Päckchen, das etwa die Größe eines Schuhkartons besaß.
»Was ist denn da drin?« Linda trat neugierig neben sie und musterte das Paket ebenfalls. »Man muss doch sonst nie den Ausweis vorzeigen, wenn man ein Paket bekommt. Außer, na ja, es enthält einen Inhalt für, du weißt schon, Erwachsene.«
»Mama!« Mit einer Mischung aus Empörung und Erheiterung schüttelte Janna den Kopf. »Das ist ein ... Weißt du, ich bewahre das nur für einen Bekannten auf. Es ist wohl ein Geschenk, von dem der Empfänger noch nichts wissen soll ... oder so«, fügte sie rasch an. Sie hasste es, ihre Mutter anschwindeln zu müssen, also bemühte sie sich, ihre Antwort so vage wie möglich zu formulieren.
»Das ist aber nett von dir. Aber mit Ausweiskontrolle? Ist das nicht ein bisschen übertrieben?«
Janna zuckte die Achseln. »So ist er halt manchmal.«
»Kenne ich diesen Bekannten?« In Lindas Augen flackerte Neugier auf.
»Ähm, nein, ich glaube nicht. Ist auch nicht so wichtig. Ich kenne ihn auch nur ... über die Arbeit.«
»Na dann.« Ein wenig wirkte Linda enttäuscht, doch sie fing sich rasch wieder. »Denkst du daran, dass der Fliesenleger nachher kommt?«
»Aber ja, ich komme später zu euch rüber.« Um möglichen weiteren Fragen ihrer Mutter aus dem Weg zu gehen, begab sie sich rasch wieder ins Haus und stellte das Päckchen erst einmal auf dem Küchentisch ab.
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Außenbezirk von Rheinbach
Waldweg nahe Gut Tomberg
Dienstag, 25. Oktober, 3:00 Uhr
»Ich hasse Nachtschichten.