Landschaftsfotografie in Deutschland. Heinz Wohner

Landschaftsfotografie in Deutschland - Heinz Wohner


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Kamera bestimmt die Lichtempfindlichkeit des Sensors. Hatten Filme eine niedrige Empfindlichkeit, beispielsweise ISO 100, mussten also länger belichtet werden, war dies verbunden mit einem feineren Filmkorn und entsprechend besserer Schärfe. Höhere Empfindlichkeit wie ISO 400 ermöglichte kürzere Belichtungszeiten bei gröberem Korn und geringerem Schärfeeindruck. Digital ist die Wirkung die gleiche, nur heißt das grobe Korn des Films jetzt digitales Bildrauschen. Das macht sich umso stärker bemerkbar, je höher der eingestellte ISO-Wert ist. Gute digitale Kameras ermöglichen heute gigantisch höhere ISO-Einstellungen, und das damit verbundene Bildrauschen lässt sich bis zu einem gewissen Grad per Rauschreduzierung schon bei der Aufnahme wie auch bei Bildbearbeitung nach der Aufnahme wieder ausgleichen. Dennoch sollte man einen hohen ISO-Wert nur wählen, wo es zwingend notwendig ist. Im Normalfall ist eine möglichst niedrige ISO-Einstellung von 100 oder 200 empfehlenswert, denn so sind die Bilder von vornherein rauscharm.

      Nun sorgt die Kamera zwar per Belichtungsautomatik in vielen Fällen schon von selbst für relativ korrekt belichtete Bilder, doch da die Automatik immer einen mittleren Grauwert darstellen will, muss ich dennoch oft genug eingreifen. Vor allem aber gehört das Verständnis des Zusammenspiels von Zeit und Blende zum grundlegenden fotografischen Basiswissen, denn mit diesem Zusammenspiel gestalte und beeinflusse ich ganz wesentlich mein Bild. Die Belichtungszeit bestimmt zweierlei: Zum einen hängt von der Belichtungszeit ganz banal ab, ob ich ein Bild noch frei Hand fotografieren kann oder ob ich ein Stativ brauche, weil das Bild bei einer längeren Belichtungszeit verwackelt würde. Als Faustregel gilt hier etwa, dass die Belichtungszeit kürzer sein sollte als der Kehrwert der Brennweite, also beispielsweise bei einem 200-mm-Teleobjektiv kürzer als 1/200 Sekunde. Mit einer längeren Belichtungszeit gelingt mir aus der freien Hand kaum mehr ein verwacklungsfreies Bild.

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       100 mm, Blende 11, 1/160 Sekunde, ISO 200

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       35 mm, Blende 11, 0,5 Sekunden, ISO 200

      Ebenso bestimmt die Belichtungszeit, ob ein bewegtes Objekt im Bild scharf oder verwischt abgebildet wird. Da dies in der Landschaftsfotografie aber eher selten der Fall ist, wäre meine Empfehlung, bei der Belichtungsautomatik mit einer Blendenvoreinstellung zu arbeiten und dabei die sich automatisch ergebende Belichtungszeit im Auge zu behalten. Anders verhält es sich, wenn Bewegung im Bild ist. Dann kann ich über die Zeitvorwahl für eine kurze Belichtungszeit sorgen, mit der die Bewegung »eingefroren« wird wie die Wellen beim Bild der vorherigen Doppelseite. Soll die Bewegung jedoch fließend dargestellt werden wie beim Bild dieser Doppelseite, ist die Einstellung einer entsprechend langen Belichtungszeit sinnvoll, bei der die Blende dann von der Automatik angepasst wird.

      Für ein korrekt belichtetes Bild benötigen wir eine ganz bestimmte Menge Licht, das auf den Kamerasensor fällt. Was hat die Blende damit zu tun? Im Zusammenwirken mit der Belichtungszeit sorgt sie für die richtig dosierte Menge an Licht. Mit ihren im Objektiv sichtbaren Lamellen ist die Blende von ihrer Funktion her im Prinzip nichts anderes als eine Art Ventil, das ich weit öffnen oder eng schließen kann, ähnlich wie einen Wasserhahn. Bei weit geöffneter Blende gelangt die gleiche Menge Licht in kürzerer Zeit auf den Sensor als bei eng geschlossener Blende. Da unserem Vorstellungsvermögen aber für eine ganz konkrete Menge Licht schlicht so etwas wie die Maßeinheit fehlt, behelfen wir uns über den Umweg eines Vergleichs: Wenn wir uns die Menge Licht für ein korrekt belichtetes Bild einfach einmal bildlich als einen Liter Wasser vorstellen, dann hat die Blende sozusagen die Funktion des Ventils am Wasserhahn. Drehe ich das Ventil nur ein wenig auf, so dauert es relativ lange, bis der Liter Wasser in der Kanne ist; drehe ich ganz weit auf, so braucht er nur eine ganz kurze Zeit. Ziel ist aber immer exakt der eine Liter Wasser in der Kanne – eben das korrekt belichtete Bild. Für die korrekte Belichtung stehen Blendeneinstellung und Zeiteinstellung also immer in einem Abhängigkeitsverhältnis zueinander.

      Soweit die technische Aufgabe der Blende. Ihre gestalterische Aufgabe ist die Dosierung der räumlichen Ausdehnung der Schärfe im Bild. Je kleiner – also also je weiter geschlossen – die Blendenöffnung, umso größer die Schärfentiefe vom Vordergrund des Bildes bis zum Hintergrund. Da ich in der »klassischen« Landschaftsfotografie ja meist daran interessiert bin, alle Bereiche des Bildes scharf darzustellen, wähle ich also eher eine recht kleine Blendenöffnung, beispielsweise Blende 11. Will ich hingegen nur ein bestimmtes Objekt fokussieren und den Vorder- oder Hintergrund unscharf abbilden (früher hieß das »gestalterische Unschärfe«, heute hat sich dafür der Begriff »Bokeh« etabliert), so wähle ich eine große Blendeneinstellung, meist gerne die Anfangsöffnung des Objektivs, also beispielsweise 2,8 oder 1,4. Dieser Effekt kommt beim Teleobjektiv weit stärker und deutlicher zum Tragen als beim Weitwinkel. Für das Bild rechts oben wurde mit ganz leichtem Weitwinkel und stark geschlossener Blende 16 eine durchgehende Schärfentiefe vom Vordergrund bis zum Hintergrund erreicht. Beim Bild rechts unten war das Gegenteil gewünscht. Ein leichtes Teleobjektiv mit recht weit geöffneter Blende 5,6 legte den Fokus auf die Blüten in der Bildmitte, während jene im Vordergrund und die Kirschbäume im Hintergrund unscharf abgebildet wurden. Für ein wenig Verwirrung sorgt anfangs oft, dass »große« Blendenöffnung »kleine« Zahl bedeutet und umgekehrt »kleine« Blende »große« Zahl. Doch wenn man sich klarmacht, dass es korrekterweise 1:8 oder 1:1,4 heißen müsste, so wie es auch vorne auf dem Objektiv steht, versteht man den Zusammenhang besser.

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       45 mm, Blende 16, 1/15 Sekunde, ISO 100

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       80 mm, Blende 5,6, 1/400 Sekunde, ISO 100

      KORREKTE BELICHTUNG

      Was aber ist ein »korrekt« belichtetes Bild? Eine grobe Kontrolle erlaubt uns ja schon die im Kameradisplay wiedergegebene Aufnahme. Für Fotografen-Oldies wie mich war genau das ja erst einmal die eigentlich revolutionäre Erleichterung beim Umstieg von Analog zu Digital, dass man das Bild sofort anschauen und notfalls gleich mit einer neuen Aufnahme korrigieren konnte, wenn es falsch belichtet oder unscharf war. Geradezu unvorstellbar heutzutage, dass man sich bei schwierigen Motiven auf seine Erfahrung verlassen und mit einer Restunsicherheit leben musste, bis man endlich den fertig entwickelten Film in der Hand hatte.

      Doch auch das Display-Bild gibt nur einen ungefähren Anhaltspunkt, abhängig von der Helligkeitseinstellung des Displays selbst, aber auch von den Lichtverhältnissen des Aufnahmestandortes. Wirkliche Sicherheit bietet nur – hier wird es dann doch einmal ein wenig technisch – das Histogramm. Das zeigt uns im Kameradisplay die Verteilung der Tonwerte im Bild an, die vom Kamerasensor dargestellt werden können, vom tiefen Schwarz ganz links bis zum reinen Weiß ganz rechts in der Anzeige. Bei einem durchschnittlichen Motiv sind diese Tonwerte bei einer korrekten Belichtung einigermaßen gleichmäßig verteilt, und das Histogramm stellt sich dar wie eine Mittelgebirgslandschaft.

      Nun geht es bei einer korrekten Belichtung aber nicht um die möglichst gleichmäßige, sondern um eine dem Motiv korrekt entsprechende Verteilung. Das Ergebnis wäre sonst bei allen Bildern das schon angesprochene mittlere Grau als Helligkeit. Bei einer hellen Winterlandschaft etwa soll sich die Histogrammkurve ruhig als steiles Gebirge im rechten Bereich der hellen Tonwerte darstellen, während ein dunkler Wald sich umgekehrt im linken Bereich der dunklen Töne abspielt.

      Wichtig ist dabei jedoch, dass die Kurve die darstellbaren Tonwerte nicht überschreitet und beschnitten wird, also nicht links oder rechts »anschlägt« wie eine Welle gegen eine Hafenmauer. Dann ist das Bild unter- oder überbelichtet, und das bedeutet nicht nur einfach »zu dunkel« oder »zu hell«, sondern in den dunklen oder hellen Bereichen ist keine Zeichnung bzw. keine Bildinformation mehr enthalten, sie können nur als reines Schwarz oder Weiß wiedergegeben werden. Das gilt es unbedingt zu vermeiden, denn das ist auch in der späteren Bildbearbeitung nicht mehr korrigierbar.


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