Landschaftsfotografie in Deutschland. Heinz Wohner
an die rechte Grenze der Überbelichtung bringen, um die Bilder so rauscharm wie möglich zu halten. In der Praxis ist aber ein sogenanntes »Absaufen« der dunklen Schatten meist immer noch erträglicher als ein »Ausfressen« der Lichter. Die fehlenden Tonwerte bzw. Bildinformationen beispielsweise eines überbelichteten Himmels lassen sich auch in der Bearbeitung nicht mehr herbeizaubern, während dunkle Bereiche durchaus noch aufgehellt werden können.
50 mm, Blende 11, 1/50 Sekunde, ISO 800
Das Histogramm des Felswand-Motivs zeigt einen durchschnittlichen »Mittelgebirgsverlauf«: Die Kurve läuft gemäßigt von dunkel nach hell, sehr helle Bereiche sind nicht vorhanden, und nur die fast schwarzen Schatten unter den Felsbrocken sorgen für den Ausschlag im dunklen Bereich.
Ein »gemäßigt« helles Wintermotiv, noch weit entfernt von reinem Weiß. Die Baumstämme sind verantwortlich für die dunkleren Anteile in der Kurve, die hier einen ganz gemächlichen Verlauf nimmt bis zu den hellen Spitzen des Schnees.
28 mm, Blende 11, 1/50 Sekunde, ISO 200
Umgekehrt ist auch der Buchenwald noch kein extrem dunkles Motiv, doch sieht man hier schon sehr gut die Konzentration der Tonwerte in der steilen Kurve auf der linken Seite.
80 mm, Blende 11, 1/60 Sekunde, ISO 200
OBJEKTIVE
Die verschiedenen Objektive vom Weitwinkel bis zum Tele haben ganz wesentlichen Einfluss auf die Gestaltung eines Bildes. Neben ihrer Funktion, einen möglichst weiten oder möglichst engen Ausschnitt der Realität einzufangen, verändern diese beiden verschiedenen Objektivarten auch die Bildwirkung. Der weite Blick des Weitwinkels erzeugt fast automatisch auch eine starke räumliche Tiefe im Bild, die durch geschickten Einsatz eines geeigneten Vordergrunds und einer in die Tiefe weisenden gestalterischen Linienführung noch verstärkt werden kann. Das Teleobjektiv hingegen hat nicht nur die Aufgabe, Entferntes »näher ran« zu holen, sondern führt zu einer meist eher zweidimensional erscheinenden Bildwirkung und ermöglicht den Blick auf Detailansichten. Hinzu kommt noch, dass der in der räumlichen Tiefe scharf abgebildete Bereich – die sogenannte Schärfentiefe – beim Teleobjektiv wesentlich kleiner ist als beim Weitwinkel, dort also leichter mit Schärfe und Unschärfe gespielt werden kann. Auf andere Kunstformen wie Kino oder Schauspiel übertragen, könnte man auch sagen: Weitwinkel ist Drama oder große Oper, während das Teleobjektiv eher Konzentration und Kammerspiel bedeutet.
Abendlicher Blick über das Basaltblockmeer am Schafstein in der hessischen Rhön.
Bei der »Totalen« im Bild oben umfasst der weite Winkel von 16 mm die gesamte Szenerie, die großen Basaltblöcke steigern die räumliche Wirkung und ziehen den Blick hinab in die tiefe Bildmitte. Horizontal ist das Bild nahezu in Drittel aufgeteilt, nur die schräge Linie der Basaltblöcke bringt etwas Dynamik hinein, die aber durch die zentrale Position der Sonne am Horizont wieder ausbalanciert wird.
Man hält es auf den ersten Blick kaum für möglich, dass schon so eine relativ leichte Tele-Brennweite von 100 mm genügt, um solch einen kleinen Ausschnitt aus der Gesamtansicht zu schneiden wie im Bild unten. Die gestaffelten Reihen der Bäume wirken wie eine dunkle Wand. Die durch die Schleierwolken etwas abgemilderte Sonne lässt die Baumkronen wunderbar im Gegenlicht erstrahlen.
16 mm, Blende 11, 1/200 Sekunde, ISO 200
100 mm, Blende 11, 1/50 Sekunde, ISO 200
BILDBEARBEITUNG UND FILTER
Die wenigsten Bilder sind schon absolut perfekt, so wie sie aus der Kamera kommen. Gerade in der Landschaftsfotografie wollen sie oft noch ein wenig nachbearbeitet werden und »den letzten Schliff« bekommen. Das ist auch völlig legitim und unumgänglich, soweit es sich in einem gewissen Rahmen bewegt. (Kleiner Kalauer am Rande: Wie weit man diesen »gewissen« Rahmen fassen möchte, ist eine Frage des persönlichen »Gewissens«).
Dennoch verzichte ich hier auf ein ausführliches Kapitel zum Thema Bildbearbeitung. Dazu gibt es genügend eigene Fachbücher. Mit ein Grund ist aber auch, dass ich in meiner eigenen Arbeit – wohl auch meinem Alter geschuldet – recht »Old School« geprägt bin. So wie ich es schon im Analog-Zeitalter gelernt und praktiziert habe, bemühe ich mich auch digital darum, dass das Bild möglichst schon bei der Aufnahme »steht«. Meine Nachbearbeitung beschränkt sich meist auf das Arbeiten am Kontrast und ein wenig an der Farbigkeit, so wie man das früher auch in der Dunkelkammer gemacht hat. Anders als in der analogen Dunkelkammer kann man dies digital natürlich erheblich gezielter und präziser. Ebenso nutze ich gerne die Möglichkeit, große Helligkeitsunterschiede im Bild durch Belichtungsreihen auszugleichen und so aus den unterschiedlich belichteten Aufnahmen das eine perfekt belichtete Bild zu erzeugen.
Blick über die Höhenzüge der Eifel an einem leicht dunstigen Herbstnachmittag. Die blasse Sonne war zwar schon unterwegs Richtung Horizont, die rötliche Färbung des recht milchigen Himmels habe ich allerdings in der Bearbeitung noch ein gutes Stück verstärkt und den Himmel auch mit einem Verlaufsfilter nachgedunkelt. Die bunte Färbung des Herbstlaubs wurde durch eine Anhebung des Kontrasts noch stärker zum Leuchten gebracht.
Für die meisten sicherlich ein gänzlich »harmloses« Beispiel an Bildbearbeitung, für absolute »No Filter«-Puristen jedoch wäre vielleicht hier schon diskussionswürdig, was an Eingriffen legitim ist und was nicht.
Es kommt dabei meiner Meinung nach sehr auf das richtige Maß an. Sicherlich kann man in der Nachbearbeitung ganz enorm an einem Bild »herumschrauben«, und es ist mir auch einsichtig, wie verführerisch das sein kann. Aber ich finde doch nach wie vor, es ist nicht das nachträgliche »Editing«, was ein gutes Bild ausmacht, sondern die Bildidee und -gestaltung vor Ort bei der Aufnahme, und ihr sollte meiner Meinung nach auch stets die eigentliche Bemühung gelten. Es gibt unzählige »kreative Tools«, mit denen man aus einem Bild etwas völlig anderes machen kann als man bei der Aufnahme vor sich gehabt hat. Das kann auch seine Berechtigung haben, und ich will darüber nicht urteilen. Digitale Bildbearbeitung ist in der Fotografie ein ebenso selbstverständliches künstlerisches Mittel geworden wie Farbe und Pinsel in der Malerei, und es gibt großartige Werke, die auf andere Art und Weise gar nicht möglich gewesen wären. In der Landschaftsfotografie sollte man jedoch sparsam und vorsichtig damit umgehen, zumindest wenn man real existierende und keine Fantasie-Landschaften zeigen möchte. Mein Ziel bei der Arbeit ist es jedenfalls, dass das Bild möglichst dem entspricht, was ich beim Fotografieren vor Ort gesehen und empfunden habe.
Das Abendrot über den Höhenzügen der Rhön kann da schon viel eher als Beispiel eines bearbeiteten Bildes stehen. Natürlich