Seewölfe Paket 33. Fred McMason
– wie Sie selbst ausführten, Señor Capitán – Ansehen bei der Admiralität genießt. Er hat einen Geheimauftrag, und das kann zu einem gehörigen Stunk führen, wenn wir uns da einmischen. Außerdem – und das dürfte Ihnen allen bekannt sein – werden als Kommandanten von Kurierschiffen nur besonders befähigte Seeoffiziere von der Admiralität auserwählt – eben weil sie sehr schwierige und häufig gefährliche Aufträge zu übernehmen haben. Hier wurde eben abfällig über Krüppel gesprochen …“
„Verbitte mir Kritik!“ schnarrte der Capitán.
„… aber ich hatte den Eindruck“, fuhr der Erste ungerührt fort, „daß die ‚El Tigre‘ von diesen Krüppeln in hervorragender Weise gesegelt wurde. Jedenfalls sieht man so etwas selten …“
„Papperlapapp!“ unterbrach ihn der Capitán ein zweites Mal. „‚El León‘ wird noch besser gesegelt. Haben Sie sonst noch was zu sagen?“
„Aus den von mir genannten Gründen“, erwiderte der Erste, „schlage ich vor, die erste Alternative vorzuziehen. Sie entspricht im übrigen unserer Order.“ Und ziemlich kaltschnäuzig fügte der Erste hinzu: „Ich habe jedenfalls keine Lust, wegen Nichtbefolgung der Order vor ein Kriegsgericht gestellt zu werden.“
Der Junggockel zuckte zusammen, und der Zweite Offizier sagte sofort: „Ich auch nicht!“
„Und wenn ich die zweite Alternative vorziehe?“ fragte der Capitán lauernd.
„Das haben Sie als Kommandant der ‚El León‘ zu verantworten“, erklärte der Erste Offizier kühl. „Vor einem späteren Kriegsgericht werde ich aussagen, daß ich Sie an die Order erinnert und geraten habe, sie zu befolgen.“
„Ja-jawohl“, stotterte der hühnerbrüstige Teniente, „die – die Order muß befolgt werden, da-das betonte auch mein Vater, der Generalkapitän, immer wieder.“
„Interessant, was ich für schlappe Offiziere habe“, knarrte der Capitán, und die Galle stieg ihm wieder hoch – auch der Rotwein, wie er mit einem Rülpser verkündete.
„Sollten Sie schlapp mit Gehorsam verwechseln“, sagte der Erste Offizier, „dann fühle ich mich geehrt, Señor Capitán. Gehorsam ist das Mark echten Soldatentums.“
Da der Capitán bei diesen Worten gerade sein soundsovieltes Glas leerte, verschluckte er sich und erlitt einen ernsthaften Erstickungsanfall, den der Erste Offizier sofort mit einem kräftigen Abklopfen des ehrenwerten Rückens bekämpfte.
Danach keuchte der Capitán mit röchelnder Stimme: „Wir laufen Cadiz an.“
Seine Bewährungsprobe stand ihm allerdings noch bevor. Und ob die „El León“ besser gesegelt wurde als die „El Tigre“ mit ihren „Krüppeln“ an Bord, das war auch noch nicht bewiesen.
„‚El León‘ im Auge behalten!“ befahl Philip Hasard Killigrew, als die Schebecke nordwärts brauste. „Und holt raus aus unserem Zossen, was drinsteckt! Dan! Berechne schon jetzt den Kurs, den wir steuern müssen, wenn wir den Konvoi erreicht haben und wieder ostwärts segeln, um diese verdammte Kriegskaravelle zu erwischen. Sie segelt Kurs auf Cadiz, darf Cadiz aber nicht erreichen, sonst können wir unser Geschenk für die königliche Lissy in den Schornstein schreiben!“
„Aye, aye, Sir!“ schmetterte Dan O’Flynn und verschwand im Kartenraum.
„Also doch“, sagte Ben Brighton grinsend. „Was – ‚also doch‘?“
„Klarschiff zum Gefecht.“
„Mann, in Sichtweite der ‚Respeto‘ konnten wir doch nicht über eine spanische Kriegskaravelle herfallen“, fauchte Hasard.
„Irrtum“, beharrte Ben. „Wir hätten erklären können, die ‚El León‘ sei ein verkappter französischer Freibeuter gewesen.“
Hasard stöhnte. „Hätte dir das nicht früher einfallen können?“
„Ist mir aber eben erst eingefallen“, sagte Ben. „Du hättest ja auch an so was denken können, aber du warst ja wie vernagelt, als Dan die ‚El León‘ in Sicht meldete.“
„Ja-ja! Immer drauf auf den Alten, der hat zu denken, zu reagieren, zu handeln, zu befehlen, zu machen, hinter die Kimm zu spähen …“
„Das ist Old Donegals Aufgabe“, unterbrach Ben Brighton und grinste weiter impertinent. „Aber reagiert hast du exzellent, als du merktest, daß dieser Schnauzbart den echten Don Julio kannte. Mein Gott, mir haben die Hosen geflattert. Der Neffe von Don Julio! Mir wär das in diesem Moment nicht eingefallen, ehrlich. Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Und diese beiden Affen haben das gefressen.“
„Haben sie nicht.“ Hasard schüttelte den Kopf. „Hast du gesehen, wie dieser de Freitas Batuti gemustert hat? Als sei unser Mann eine Wanze! Und dem Jüngelchen sind die Knie weich geworden, als es unsere beiden Hakenmänner entdeckte. Bist du darüber informiert, ob Schwarze oder Schwerbeschädigte auf spanischen Kriegsschiffen geduldet werden?“
Don Juan de Alcazar schaltete sich ein. „Sind sie nicht, Schwarze schon gar nicht. Und Krüppel sind eine Beleidigung für die Krone, obwohl sie Ihre Knochen für den König hingehalten haben.“ Don Juan spuckte über Bord. „Zum Kotzen ist das.“
„Du sagst es.“ Hasard nickte. „Aber sie werden nach Cadiz segeln und melden, auf was sie gestoßen sind. Und dann haben wir die ganze Flotte auf den Fersen, die sich zur Zeit in Cadiz befindet. Ihr könnt euch ausmalen, was das bedeutet.“
„Halleluja“, sagte Ben Brighton.
In diesem Moment erstieg der Profos das Achterdeck, mußte aber aufpassen, daß ihm der Helm nicht vom Kopf fiel. Er hielt ihn mit beiden Händen fest. Das sah mal wieder flott aus. Dieser Profos hatte wirklich eine unnachahmliche Art, für Gelächter zu sorgen. Vor allem, wenn er sauer war, stinksauer. Alle trugen passende Helme, nur er nicht.
„Na, Ed?“ fragte Hasard glucksend.
„Ich halte es unter diesem Scheißding nicht mehr aus, Sir“, knurrte der Profos erbittert. „Bitte um Erlaubnis, diesen verdammten Nachttopf absetzen zu dürfen, Señor Capitán.“
„Genehmigt, Señor Carberrio!“ schnarrte Hasard nach Art der spanischen Kapitäne auf Schiffen Seiner Majestät.
Da überzog das zernarbte Gesicht Carberrys ein glückliches Grinsen. Er riß sich die Blechtüte vom gewaltigen Schädel und schleuderte sie mit mächtigem Schwung nach Lee über Bord. Das Ding kreiselte durch die Luft und klatschte ins Wasser, als sei dort eine Mörserkugel eingeschlagen.
„Schade, daß dort kein Don im Wasser schwamm“, sagte Ben Brighton.
„Ich schieße nicht auf Schiffbrüchige, Mister Brighton!“ bollerte der Profos und rieb sich die Stirn, über die ein rotes Band lief – Druckstelle des zu engen Helms. Der Profos mußte wirklich gelitten haben.
„Shane?“ rief Hasard und schaute sich um.
„Sir?“ Big Old Shane verließ die Kuhl und enterte aufs Achterdeck.
Hasard wies auf den Profos. „Ed braucht einen passenden Helm. Das ist wichtig. Dieser spanische Capitán hat ihn angeglotzt wie einen Affen, der zum erstenmal auf Menschen stößt. Das muß ja nicht sein, nicht wahr? Kannst du für Eds Kopfgröße einen spanischen Helm herstellen?“
„Hm, kann ich“, brummelte Old Shane, „kein Problem, nur muß dafür der Kutscher seinen größten Suppenkessel rausrücken, besser wär ’n Waschkessel oder ’ne Badewanne für Ladies, wenn du weißt, was ich meine.“
„Wo die ihren Popo drin waschen?“ fragte der Profos mißtrauisch.
Da brauste wieder das Gelächter aller Arwenacks über die Decks, und es schallte hinüber bis zur „Respeto“, die zu diesem Zeitpunkt passiert wurde. Capitán Pigatto schüttelte griesgrämig den Kopf. Daß die noch lachen konnten! Ihm war es längst vergangen. Er hatte bereits zehn seiner Kerle verhört wie einer dieser verdammten Inquisatoren, die wissen wollten, ob