Seewölfe Paket 33. Fred McMason
warnender Blick unter den buschigen Augenbrauen hervor traf Hasard. Der ältere Geistliche führte mit den Fingern langsame Bewegungen aus, die besagen sollten, den Mönch nicht zu reizen.
Hasard nickte Don Ginestra zu und fragte: „Was sucht die Inquisition, die durch Sie vertreten wird. Obwohl wir einander noch nicht vorgestellt wurden.“
„Ich bin Hernando Ferrer“, schnappte der Mönch. „Abgesandter des Tribunals von Leon.“
Hasard antwortete, noch immer ruhig: „Vor Ihnen steht Generalkapitän Don Julio de Vilches, Verantwortlicher des Königlichen Schatzamtes. Das einzige Buch, das vielleicht auf dem Schiff der Krone zu finden ist und auf Ihren Index gehört, ist ein Buch mit weißen Seiten, in das ich hineinschreibe, wieviel ich von dem Geld des Königs ausgebe. Darf ich Ihr Ansinnen als gegenstandslos betrachten?“
Aus der halb überdachten Werft drangen die Arbeitsgeräusche der Schiffszimmerleute.
Die meisten Müßiggänger hatten den Hafen verlassen und sahen, daß es nichts mehr zu begaffen gab. Auf den Schiffen arbeiteten die Seeleute, und soeben pullten die Fischer die „Honestidad“ vom Kai ins Fahrwasser. Der Vorgang lief viel schneller ab als bei der „Salvador“. Einige Kinder winkten den Seeleuten zu. Die „Patricia“ schien ohne fremde Hilfe ablegen zu können.
„Keineswegs. Was auf den Index gehört, nachdem ich es als Vertreter der Inquisition beschlagnahmt habe“, entgegnete der Mönch, „bestimmt die Liste des Tribunals. Sie ist lang, Señor.“
Seine Stimme verriet, daß er am Rand der Beherrschung stand. Er mußte sehen, daß sich das seltsame Schiff immer weiter vom Ufer entfernte, und er ärgerte sich über die aufkeimende Erkenntnis, daß er nichts mehr tun konnte.
„Es ist uns leider unmöglich, das Schiff zurückzurufen. Gegen den Wind können unsere Leute leider nicht segeln“, sagte Don Juan sachlich. „Sie sehen es selbst. Und aus welchem Grund sollten spanische Schiffe, die aus der Neuen Welt bis hierher gesegelt sind, verbotene Bücher oder derlei an Bord haben? Noch schreiben die Indios nicht für die Ketzer.“
Das Gesicht des Mönches verzerrte sich vor Wut. Diesmal änderte es die Farbe wieder in ein ungesundes Weiß. Er fuchtelte mit seinen schlanken Fingern vor Hasards Gesicht herum und blickte hilfesuchend von Don Jaime, dem Gouverneur, zu den Soldaten und zu Don Ginestra und dann wieder zum Heck der Schebecke, wo Pete Ballie an der Pinne stand.
„Und ich sage, daß es nicht mit rechten Dingen zugeht. Ich habe fremde Worte an Bord gehört.“
„Zweifellos“, erwiderte Don Juan. „Ich muß Ihnen beipflichten. Um ihre Abscheu gegen die perfide Ketzerinsel dazutun, benutzen sie sogar die Sprache des Erbfeindes. Und es wimmelt von Wörtern der Eingeborenen, die in den königlichen Goldminen unserer Kolonien schuften. Eine Erklärung, die jeden Hafenkommandanten zufriedenstellt. Warum unterstellen Sie uns eigentlich Ketzertum und Teufelswerk, Padre?“
Don Juan de Alcazar hatte sich ebenso zusammengenommen wie Hasard. Am liebsten hätte er den Eiferer mit Fußtritten bis zum Strand des Atlantiks hinausgetrieben. Aber jetzt schaltete sich Don Jaime La Roda in die hitzige Unterhaltung ein.
„Sie beginnen, einen Gast meiner Stadt zu beleidigen, Padre“, sagte er mit einer Stimme, die so laut war wie die des Profosen, wenn er schlechter Stimmung war.
„War nicht meine Absicht“, zeterte der Mönch. „Aber das Gesetz der Inquisition …“
„Findet auf Schiffen, die nicht mehr betreten werden können, wenig Gültigkeit, ganz zu schweigen von der Anwendung“, sagte der Gouverneur. „Ich achte die Absichten der Inquisition, aber Sie belästigen, ich wiederhole es, die Gäste der Stadt. Überdies werden sie in ihrer schwierigen Aufgabe aufgehalten.“
Dann fiel ihm etwas Neues ein. Sein verdüstertes Gesicht erhellte sich. Er sagte: „Sie segeln nach Santander. Ist es nicht so?“
„Wenn uns nicht der Sturm über das Meer zerstreut. Santander ist das nächste Ziel. Nicht so laut, Gouverneur, es schadet der Geheimhaltung.“
„Also?“ zeterte der Mönch.
„Wir segeln nach Santander“, wiederholte Hasard. „Schicken Sie einen schnellen Boten dorthin. Dann kann die Inquisition alle Schiffe vom Kiel bis in die Kapitänskammer durchsuchen.“
„Das war es, was ich vorschlagen wollte“, sagte der Gouverneur. „Ein Mittel, es allen recht zu tun, nicht wahr? Der Kirche, dem König und den Wellen des Meeres.“
„Nicht zu vergessen auch des kräftigen Windes“, erwiderte Don Juan aufatmend.
Mit achterlichem Wind hatte sich die „Salvador“ in guter Fahrt an die Spitze gesetzt. Zwei Kabellängen hinter ihr legte die „Honestidad“ das Ruder hart Backbord und ging ins Kielwasser des Flaggschiffes. Die „Patricia“ löste sich vom Kai, weil ihre Seeleute sie mit den Riemen abstießen und das Wasser frei war. Das Fischerboot war mit viel Geschrei an den Bug der „Santa Helena“ gelotst worden.
Die Schebecke blieb am äußersten Steuerbord-Ufer der Bucht, die sich zwischen wuchernden grünen Hängen und einzelnen Häusern weitete. Auch auf der „Concordia“, der letzten Galeone des halbierten Konvois, lösten sich die Gordings, und die nasse Leinwand sackte schwer nach unten.
Hasard drehte sich wieder um und kämpfte mit dem plötzlichen Entschluß, dem Mönch die Läufe seines Drehlings über den kahlen Schädel zu ziehen.
Mit erzwungener Liebenswürdigkeit sagte er: „Wenn Sie sich beeilen, Hochwürden, dann kann ein anderer Abgesandter der Inquisition uns in Santander treffen. Beim herrschenden Wind, nun, ich schätze – was meinen Sie, Don Juan?“
„In zwei oder drei Tagen“, erwiderte Don Juan, schamlos lügend und mit unerschütterlicher Selbstsicherheit. „Ich glaube, wir müssen eilen, denn sonst segelt die Flotte ohne ihren Generalkapitän.“
Natürlich hatte der Kapitän der „Concordia“ gemerkt, daß Don Juan und Hasard noch am Ufer standen.
Die Galeone wurde langsam an die Stelle gezogen, an der die Schebecke vertäut gewesen war. Die Galeone verholte nur mit Hilfe der Festmacher, die an Bord um die Poller liefen und von vielen kräftigen Seemannsfäusten gehalten wurden.
Der Mönch sah aus, als wäre seine Welt untergegangen.
Hasard packte die Hand des Gouverneurs, schüttelte sie überschwenglich und sagte: „Wir müssen an Bord. Schließlich werden wir noch gebraucht.“
Dem Mönch hatte es vorübergehend die Sprache verschlagen. Don Jaime und der Stadtgeistliche schauten recht zufrieden drein. Aufgeregt trat der Inquisitor von einem Fuß auf den anderen. Er kochte vor Wut, aber er merkte, daß er sich mit jedem weiteren Wort unglaubwürdig und lächerlich gemacht hätte. Offensichtlich fürchtete er sich davor mehr als vor dem Tadel seiner Vorgesetzten, die natürlich sehr weit von seinem jetzigen Standort entfernt waren.
„He, Capitán general!“ schrie jemand von der Kampanje der „Concordia“. „Wir legen ab! Wollen Sie hinterher schwimmen?“
„Wir kommen!“ schrie Don Juan zurück.
„Ein paar Minuten!“ rief Hasard. Er wandte sich an den Gouverneur. „Wir müssen an Bord. Es eilt. Philipp der Dritte würde uns niemals verzeihen, wenn wir weiterhin hier nutzlos miteinander palavern. Señores!“
Er zog wieder seinen Hut, schwenkte ihn, schaute jedem der Beteiligten tief in die Augen und entdeckte den kalten, erbarmungslosen Haß des Mönches.
Dann, nachdem sich auch Don Juan auf seine höfliche Weise verabschiedet hatte, wandten sich Hasard und Don Juan um und liefen auf den Punkt zwischen Kai und Steg zu, an dem das Heck des letzten Schiffes, der „Concordia“, nach einem vorsichtigen Manöver anlegen würde.
Hinter ihnen blieben der Gouverneur und Don Ginestra zurück, die mit dem Ausgang dieser Auseinandersetzung mehr als zufrieden waren, und der Mönch, der mit unumstößlicher Sicherheit wußte, daß er betrogen worden war.
Als Don Juan und Hasard