Zu viele Putzfrauen. El Awadalla

Zu viele Putzfrauen - El Awadalla


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Das Taxi steckt eine Weile im Stau, überholt trotzdem noch zwei Straßenbahnen.

      Christian ist noch nicht da, Lena wartet vor dem Haus, da kommt auf einmal der Janicek, der anscheinend den Hof gekehrt hat, heraus, begrüßt sie geheimnisvoll zwinkernd, klaubt Zweige auf und bittet sie hinein. Sie sagt, sie wolle lieber hier draußen auf Christian warten, weil er das Geld eingesteckt hat.

      Janicek sperrt Besen und Mistschaufel in ein Kammerl, aus dem er eine Brieftasche holt. Endlich kommt Christian, Janicek hüpft vor dem Motorrad herum, meint, Christian solle es doch in den Hof stellen, hier sei es im Weg.

      Im Hausverwalterbüro sitzen zwei aufgetakelte Damen, ganz auf Sex and the City, nachgestellt von Kleiderbauer, getrimmt. Ein aufgedunsener Mann, etwa fünfzig Jahre alt und furchtbar wichtig, tritt auf, stellt sich als Hausverwalter vor und schüttelt Hände. Er fragt nach Christians Gewerbeschein.

      »Ich hab keinen, weil ich keinen brauche«, sagt Christian.

      Der Verwalter erklärt, dass ein Gewerbeschein zum Mieten eines Gewerbelokals notwendig sei, was nicht stimmt, wie Christian genau weiß. Während dieser Diskussion liest Lena, die eigentlich die Mieterin sein wird, den bereits fertig ausgestellten Mietvertrag.

      Unter den Kündigungsgründen steht ausdrücklich: wohnen.

      Die Diskussion um Christians Gewerbeschein dreht sich im Kreis. Lena sagt schließlich, dass sie die zukünftige Mieterin ist und den Vertrag unterschreiben wird. Der Hausverwalter ist baff. Lena sagt, sie werde rechtzeitig alle notwendigen Papiere bereithaben. Dann stellt sich heraus: Der Hausverwalter hat gar keinen Mietvertrag dabei.

      »Na dann gebn S’ uns das Geld zurück«, sagt Lena.

      Welches Geld, es ist doch gar kein Geld geflossen, sagt der Verwalter und schmeißt die beiden hinaus.

      Lena und Christian setzen sich ins nächste Lokal. Kein Geld ist geflossen. Lena will zu einem Anwalt gehen, den sie von ihrer Arbeit kennt, aber zuerst ruft sie die Meier an. Die weiß plötzlich auch nichts mehr von dem bereits bezahlten Geld.

      Am nächsten Tag fährt Lena mit ihrem Bruder und seinem Arbeitskollegen zum Frisiersalon, um die bezahlten Trockenhauben zu holen. Lena hat ihr schreiend buntes Radio, Stil Ghettoblaster und zu einer erstaunlichen Lautstärke fähig, im Rucksack, Robschi einiges Werkzeug im nicht mehr ganz neuen Billa-Sackerl. Lena muss noch Batterien kaufen und geht ins nächste Elektrogeschäft. Dort gibt es nur eine einzige Batterie in der passenden Größe, dabei verlangt der Ghettoblaster sechs Stück. Er ist sehr retro. Im türkischen Supermarkt am Eck neben dem Frisiersalon gibt’s genügend passende Batterien.

      Vor dem Supermarkt erteilt Lena die letzten Anweisungen: Robschi und Hans sind ab sofort die Handwerker, die nur tun, was ihnen gesagt wird.

      Punkt drei betritt Lena das Geschäft, gefolgt von ihren Handwerkern; die Meier, schon von Natur aus der Typ blasse Blondine, verfärbt sich unter ihrer Schminke sofort und deutlich sichtbar in Richtung cremeweiß. Sie bittet mit Nachdruck ins Hinterzimmer. Der alte Meier schneidet gerade einem kleinen Buben die Haare, wagt kaum einen Blick, nur seine Ohren laufen rot an. Der arme Bub, denkt Lena, hoffentlich fehlt dem nicht gleich ein Stückerl Ohr.

      »Ja, und was wünschen Sie?«, fragt die Meier bemüht freundlich.

      »Wir holen die Trockenhauben«, sagt Lena.

      »Am Abend«, vertröstet die Meier.

      »Bis vier«, sagt Robschi sehr barsch und schaut demonstrativ auf die Uhr.

      Die Meier gibt auf. Lena zeigt den beiden die Trockenhauben. Wie sie es schon geahnt hat, sitzt unter einer der Hauben eine Kundin; nach oftmaligem »Tschuldigen, pardon, bitte sehr und danke schön« wird sie unter eine andere Trockenhaube komplimentiert.

      Der Salon, bis auf den letzten Platz besetzt, knistert vor Spannung, die Kundinnen sind neugierig, Der alte Meier versänke am liebsten im Boden, seine Frau versucht, einen Es-ist-alles-ganznormal-Eindruck zu machen. Lena wartet auf ihren großen Auftritt. Robschi und Hans spielen überzeugend und böse grinsend Meister und Lehrbub.

      Im nur durch einen Vorhang abgetrennten Hinterzimmer stehen Lena und Agnes Meier und versichern einander Verständnis. Lena will erst die Rede aufs Geld bringen, wenn die zwei Handwerker als Zeugen anwesend sind, doch sie spielt der Frau schon einmal vor, was sie auf Band aufgenommen hat. Sehr laut spielt sie ihr das vor. Als die Beschimpfungen gegen die Hausbesitzerin laut und deutlich im ganzen Salon zu hören sind, gibt die Meier auf.

      Zwei Tage später haben die beiden ihr Geld zurück, auch das vom Janicek, der es per Postanweisung schickt.

      Am selben Tag wird zwei Gassen weiter ein Mordopfer gefunden.

      Ingrid fällt aus dem Lift. Sie bleibt auf dem Boden liegen und schaut zu, wie Münzen aus ihrer Tasche herauskullern. Ewig könnte sie so liegen bleiben, doch etwas stimmt nicht. Ein Männerschuh steht plötzlich ganz knapp vor ihren Augen. Von sehr weit oben über dem Schuh hört sie eine Stimme sagen: »No Gnädigste, hamma a Räuscherl?«

      Dann wird sie unter den Armen gepackt und auf die Füße gestellt. Als sie sich gleich wieder niederlegen will, also eher zu fallen droht, spürt sie feste Griffe an beiden Schultern. Vor ihr steht ein Gesicht unter dem Ganglicht, über dem Gesicht eine Polizeikappe. Ihr in Rotwein eingeweichtes Hirn versucht sich zu einem, wenigstens einem klaren Gedanken zu versammeln.

       Was ist hier los? Wo bin ich?

      Sie sieht das lächerliche Blumenkranzerl an der Tür ihrer Nachbarin, gut, sie ist also daheim, aber was will der Polizist von ihr?

      »Na wo samma denn gwesn?«, hört sie die Stimme fragen; gute Frage, an das letzte Lokal kann sie sich nur noch verschwommen erinnern; zuerst ist sie bei einer Lesung der Krimifrauen im Au gewesen, dann mit einer von ihnen und einer Bekannten im Café Weidinger und dann noch im Tschocherl bei einem Poetry-Slam.

      Die Polizisten wollen wissen, was ein Poetry-Slam ist. Das kann sie heute nicht mehr erklären –

      Und dann? Irgendwo war sie dann noch, mit wem?

      Irgendwo dort in der Gegend halt, sie will sich einfach niederlegen, ob in ihr Bett oder auf den Boden, ist ihr momentan herzlich egal; der zweite Mann hält sie noch immer; anscheinend gibt’s noch mindestens einen dritten Mann, schließt sie aus den Stimmen, die sie hört.

      Irgendwie gelingt es den Polizisten, zu ihrem Wohnungsschlüssel zu kommen, die Tür wird aufgesperrt, sie hineinbugsiert, auf die Couch platziert und am Einschlafen gehindert, zwei Polizisten in Uniform und ein Ziviler stehen um sie herum, einer will ihr Wasser einflößen, sie beißt die Zähne zusammen.

       Was? Was?

      Mehr kann sie jetzt nicht sagen.

      Die Frau, die unter ihr wohnt, ist ermordet worden, heute am Nachmittag, wo sie gewesen sei zu dieser Zeit?

      Sie will sich auf die Couch legen, ein Uniformierter setzt sie wieder auf, sie tritt ihn, er schimpft und droht mit einer Anzeige wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt, aber Ingrid ist das im Moment auch egal. Es geht noch ein Weilchen hin und her.

      »Frau Haselsteiner«, sagt der Zivile zum Abschied – »ich heiße Haselberger …«, sagt sie –, »wir kommen wieder.« Dann gehen die drei.

      Mordverdacht, klingt es in ihren Ohren. Mordverdacht?

      »Sie sind verdächtig«, haben die Polizisten gesagt.

      Es ist schon hell, als Ingrid die Türglocke hört, ihr Kopf dröhnt, ein ausgewachsener Kater hält sie gefangen, rumort in Kopf und Magen – die Türglocke, nein, ich stehe nicht auf, nein, es läutet, es pumpert, sie steht doch von der Couch auf, wankt zur Tür. Polizei.

      »No, Gnädigste, samma ausgschlafen?«

      Fragt einer der Polizisten. Ist es der, der in der Nacht auch schon da war? Ingrid kann sich an nichts Genaues erinnern, sie will die Polizei nicht in die Wohnung lassen.

      »Ihre Nachbarin ist ermordet worden«, sagt der Zivile,


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