Wyatt Earp Box 14 – Western. William Mark D.
Ein müdes Lächeln flog über das Gesicht des Missouriers.
»Wenn ich wüßte, daß da oben ein Steak auf mich wartet, würde ich auch in Galopp fallen«, sagte Doc Holliday.
*
Endlich hatten sie das Ranchtor erreicht. Vor ihnen lag der weite Platz, der von den verschiedenen Gebäuden gesäumt wurde. Drüben rechts lag das zweigeschossige große Wohnhaus. Gegenüber, auf der anderen Seite des Hofes, war das langgestreckte, eingeschossige Mannschaftshaus. Daneben Ställe, Scheunen, Geräteschuppen und Werkstätten.
Wyatt dachte daran, daß fast zehn Jahre verstrichen waren, seit er zum letzten Mal auf der Ranch gewesen war.
Es hatte sich hier manches verändert. Zum Beispiel die Veranda vorm Ranchhaus, die Balustrade oben, die neuen blockartigen Gebäude rechts vorm Tor und vor allem die drei großen Scheunenbauten links vorm Corral. Aber im Grunde war es doch das Bild der alten Heeth-Ranch geblieben.
Kaum hatten die beiden einige Schritte auf den Hofplatz getan, als ein gewaltiger ockerfarbener Hund auf sie zuschoß und erst wenige Yards vor ihnen laut kläffend stehenblieb.
»Wer ist das?« fragte Holliday.
»Keine Ahnung. Damals, als ich hier war, existierte dieser Bursche noch nicht hier. Der Rancher hatte einen großen schwarzen Neufundländer.«
»Well, gehen wir weiter.«
Da fletschte der kalbsgroße Hund seine Zähne, und sein rauhkehliges Gebell verstärkte sich ins Unerträgliche.
Links öffnete sich eine Stalltür, und ein untersetzter Mann im grünen Hemd und grauer Hose trat auf den Hof.
Er streckte den linken Arm aus und rief:
»He, was fällt euch ein?«
»Er ist fast so gut wie der Hund«, meinte Holliday, während er sein Zigarettenetui herausnahm und seelenruhig eine seiner geliebten Glimmstengel zwischen die Lippen schob.
Wyatt Earp warf einen kurzen Blick zum Ranchhaus hinüber, dann ging er auf den Mann mit dem grünen Hemd zu.
»Hallo, ich hätte gern Mister Heeth gesprochen.«
»Was wollen Sie von ihm?«
»Wenn Sie gestatten, würde ich es ihm selbst sagen.«
Der Mann mit dem grünen Hemd schürzte die Lippen. Dann kam ein quäkender Laut aus seiner Kehle.
»Ihr bildet euch doch wohl hoffentlich nicht ein, daß wir uns hier mit Tramps aufhalten können? Seht zu, daß ihr auf eure Gäule kommt, sonst…« Er hatte sich unterbrochen und sah sich um.
»He, wo habt ihr die Pferde?«
»Wir haben keine Pferde.«
»Keine… Das kann doch nicht wahr sein. Ihr seid doch nicht zu Fuß gekommen?«
Holliday ging auf den Brunnen zu, auf dessen steingefügten Rand er sich niederließ.
Das veranlaßte den Hund, sein für kurze Zeit unterbrochenes Gekläff wieder anzustimmen.
Wyatt wischte sich mit dem Handrücken über die von Staub und Schweiß verschmierte Stirn.
»Mein Name ist…«
Der Mann mit dem grünen Hemd machte eine wegwischende Bewegung.
»Der Name interessiert hier niemanden. Packen Sie Ihren Partner und verschwinden Sie!«
»Freundliche Gegend da«, meinte der Spieler.
Da kamen aus einem Geräteschuppen zwei Männer. Sie waren groß und hatten sehnige Gestalten.
Man glaubte ihnen die Weidearbeit auf zwanzig Schritt ansehen zu können.
Der Bursche mit dem grünen Hemd rief ihnen zu:
»Etwas schneller, Boys. Diese beiden Burschen hier machen sich ziemlich breit. Wird Zeit, daß ihr sie hier vertreibt.«
Aus dem Bunkhaus kam ein o-beiniger Mann mit wasserhellen Augen und wuchtigen Kinnladen.
Die drei anderen verstummten, als er dazukam.
Aus scharfen Augen fixierte er den Missourier.
»Was wollt ihr?«
Der Bursche mit dem grünen Hemd deutete mit dem rechten Daumen über die Schulter auf Wyatt.
»Der Mann hier hat ein ziemlich großes Maul, Vormann. Er sagt, daß er mit Heeth sprechen müsse.«
Immer mehr Cowboys kamen heran.
Das heisere Gebell des zottigen Hundes schien bis in die hintersten Winkel der Ranch gedrungen zu sein.
Da drang plötzlich Hufschlag an die Ohren der Männer, und zwischen dem alten Wagenhaus und dem Küchenbau kamen zwei Reiter über den Hof.
Der eine von ihnen war ein Mann in den Sechzigern mit grauem Haar und hartem kantigem Gesicht. Er trug Weidereiterkleidung und hatte den grauen Stetson tief in die Stirn gezogen. Dennoch hatte Wyatt Earp ihn sofort erkannt.
Es war James Heeth, der Rancher.
Der Mann neben ihm mochte eben vierzig sein, hatte ein ovales gutaussehendes Gesicht, braune Augen, trug einen schwarzen Hut, ein blaues Hemd und eine helle Hose.
Die beiden Reiter kamen heran.
Der Vormann tippte mit der Hand an den Hutrand und sagte nur: »Hallo, Boß.« Dann deutete er auf die beiden Dodger. »Wir haben die Tramps hier aufgegriffen, Boß.«
Wyatt wußte nicht, ob der Rancher ihn erkannt hatte.
James Heeth saß mit unbeweglichem Gesicht im Sattel.
»Aha«, kam es spröde von seinen Lippen. »Wer hat sie aufgegriffen?«
»Ich«, sagte der Vormann schnell.
»Dann tust du mir sehr leid, Steve.«
Der Vormann sah seinen Boß verständnislos an.
»Well«, meinte der Rancher, »ein Mann, der nur noch wenige Minuten zu leben hat, ist doch ein bedauernswerter Bursche, nicht wahr?«
»Ja, aber…«
Der Rancher deutete auf Wyatt Earp.
»Hast du mit diesem ›Tramp‹ da schon gesprochen?«
»Natürlich, der Kerl ist frech wie Bohnenstroh. Ich werde ihm ein paar Maulschellen verpassen lassen, Boß…«
»Davon möchte ich dir entschieden abraten, Steve. Hast du den Mann nach seinem Namen gefragt?«
»Nein.«
»Damit hättest du dir einigen Ärger erspart, Junge.«
Er hatte ihn also erkannt.
Wyatt nahm den Hut ab und fuhr sich durch den Schopf.
»Wir haben unsere Pferde verloren, Rancher«, sagte er.
»Sind sie euch gestohlen worden?«
»Yeah, gestern mittag. Zwischen hier und Arkansas City auf einer Overlandstation.«
»Das ist eine böse Sache. Ich möchte auf keinen Fall in der Haut des Burschen stecken, der diesen üblen Streich verübt hat.«
»Leider war es kein Streich, Mister Heeth. Es war ein Verbrechen. Wir wurden niedergeschlagen und beraubt – und eine Frau wurde erschossen.«
James Heeth rutschte langsam aus dem Sattel.
»Eine Frau?«
Wyatt nickte. »Sie war mit der Overland gekommen und wurde von mehreren Banditen niedergestreckt.«
Der Rancher reichte dem Missourier die Hand.
»Es tut mir leid, daß Ihnen so übel mitgespielt wurde. Trotzdem, willkommen auf der Ranch, Mister Earp.«
»Earp?«