Dr. Norden Bestseller Box 13 – Arztroman. Patricia Vandenberg
sein mußte.
Sie war eine sympathische Frau, schlicht und dazu unvorteilhaft gekleidet, mit strenger Frisur.
»Sie kommen doch nicht etwa als Interessentin für die Klinik, Frau Dr. Norden?« fragte sie zögernd.
Fee war erst einmal überrascht. »Wollen Sie verkaufen?« fragte sie zurück.
»Ich muß.« Eine kleine Falte hatte sich zwischen ihren Augenbrauen gebildet.
»Das wußte ich nicht«, sagte Fee.
»Es sollte auch noch geheim bleiben, aber nun redet man schon darüber.«
»Ich kümmere mich nicht um das übliche Gerede«, erklärte Fee. »Ich wollte nur fragen, inwieweit die Möglichkeit besteht, Patientinnen bei Ihnen unterzubringen, wenn die Leitner-Klinik belegt ist.«
Frau Baumgart sah sie erstaunt an. Fee wurde unsicher unter diesem Blick. Sie fühlte sich durchschaut.
»Wir schließen Ende des Jahres«, erklärte Frau Baumgart ruhig. »Es wird nun doch bald offiziell sein. Ich bekomme eine sehr anständige Abfindung und bin dann allen Ärger los. Die Kinder sind erwachsen, und ich kann anderswo noch eine Stellung finden. Ganz ohne Arbeit würde es mir langweilig.«
»Was geschieht mit dem Haus?« fragte Fee Norden.
Frau Baumgart zuckte die Schultern. »Ich weiß es nicht. So ist es ja nicht tragbar.« Sie lächelte verlegen. »Es ist für mich nicht viel übriggeblieben, Frau Doktor. Es reicht gerade, daß ich die Kinder über die Runden bringen konnte. Manch einer mag gemeint haben, daß ich das Geld nur so scheffele, aber von den Ärzten war jeder auf seinen Vorteil bedacht.«
»Was macht denn Dr. Kobelka?« wagte Fee nun einen Vorstoß.
»Kobelka? Er ist doch ein kranker Mann. Nun ja, es hat sich auch schon herumgesprochen, daß da manches passiert ist. Ich will mich dazu nicht mehr äußern. Für mich sind all die Aufregungen vorbei. Nach dem Tod meines Mannes dachte ich, daß ich es ihm schuldig bin, die Klinik zu erhalten. Ich glaube nicht, daß er damit einverstanden gewesen wäre. Aber da ich nun so offen war, würden Sie auch mir offen sagen, weshalb Sie wirklich gekommen sind?«
»Sie brauchen mir keine Antwort zu geben, Frau Baumgart. Uns hätte interessiert, warum Sonja Friedels Baby gestorben ist.«
»An Sauerstoffmangel, das ist kein Geheimnis. Es wäre nicht gut gewesen, wenn es am Leben geblieben wäre, wenn ich mich so ausdrücken darf. So ist es mir jedenfalls erklärt worden.«
»Es wird keine Schwierigkeiten geben, wenn Frau Sommer sich für eine andere Klinik entscheidet?« fragte Fee.
»Mir kann das nur recht sein. Außerdem befindet sich Dr. Kobelka seit zwei Tagen selbst in der Klinik, und ich glaube nicht, daß er seine Praxis nochmals aufnehmen wird.«
»Danke für diese Auskunft«, sagte Fee. »Ich werde es nicht weitersagen.«
»Du lieber Gott, es läßt sich doch nicht verheimlichen, daß er ein Nervenleiden hat. Er bekam vorgestern während einer Geburt einen Nervenzusammenbruch. Wir konnten die Patientin noch in die Leitner-Klinik bringen lassen. Wußten Sie das nicht?«
»Nein, das ist mir ganz neu«, erwiderte Fee überrascht.
»Und ich dachte, Sie kämen deswegen«, sagte Frau Baumgart. »Es ist doch bekannt, daß Sie mit Dr. Leitner befreundet sind.«
»Aber wie Sie feststellen können, wird die Schweigepflicht auch unter befreundeten Kollegen gewahrt.«
»Und ich habe geschwatzt«, sagte Frau Baumgart mit einem verzeihungsheischenden Lächeln.
»Ich bin Ihnen sehr dankbar, Frau Sommers wegen. Ihr muß geholfen werden.«
Frau Baumgart begleitete sie die knarrende Treppe hinab. Nun war Fee die Atmosphäre dieses Hauses nahezu unheimlich. Ein sterbendes Haus, dachte sie, und doch werden hier noch Kinder geboren. Sie hörte ein leises Quäken, die ersten Laute eines Neugeborenen.
»Manchen hat es recht gut gefallen bei uns«, sagte Frau Baumgart mit einem wehmütigen Lächeln. »Aber dem Fortschritt muß Rechnung getragen werden. Das habe ich eingesehen. Möchten Sie mal in unser Babyzimmer schauen, Frau Doktor?«
»Ja, gern«, erwiderte Fee.
Es war ein großer hellgetünchter Raum. Die weißen Bettchen, acht an der Zahl, standen nicht aneinandergepreßt, wie es in manchem modernem Krankenhaus der Fall war.
»Ich glaube nicht, daß wissentlich etwas versäumt wurde«, sagte Frau Baumgart.
»Das glaube ich auch nicht.«
»Menschliches Versagen mag vielerlei Gründe haben«, fuhr Frau Baumgart fort. »Auch Ärzte sind Menschen, und wenn einer von ihnen krank ist, wehrt er sich genauso verzweifelt wie jeder andere gegen die Erkenntnis, daß alles zu Ende sein könnte. Dr. Kobelka war ein guter Arzt. Mein Mann hat ihn sehr geschätzt.«
Sie sprach schon in der Vergangenheitsform, und Fee kroch ein Frösteln über den Rücken, doch sie konnte nicht ahnen, daß Dr. Kobelka in dieser Stunde gestorben war. Später dachte sie darüber nach, ob es Frau Baumgart vorausgesehen hatte.
*
»So, nun blicken Sie einmal auf den Bildschirm, Frau Sommer«, sagte Dr. Leitner zu Andrea.
Lange und intensiv hatte sie ihn angeschaut. Einen vertrauenerweckenden Eindruck hatte er auf sie gemacht. Eine so faszinierende Ausstrahlung wie Dr. Norden hatte er nicht, aber seine Augen waren gütig, seine Stimme warm und beruhigend.
Sie blickte auf den Monitor, sah, wie sich da etwas bewegte, nicht gar so deutlich zu erkennen, wie sie voller Spannung erhofft hatte, aber doch zu definieren. Es war natürlich auch faszinierend zu wissen, daß sich dies in ihrem Körper abspielte.
»Ein lebhaftes Baby«, sagte Dr. Leitner mit einem ermunternden Lächeln. »Genau die richtige Lage. Es wird etwa sechs Pfund wiegen, wenn es zur Welt kommt.«
»Ist alles in Ordnung?« fragte Andrea beklommen.
»Wirklich bestens.«
»Kann man feststellen, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird?«
»Wollen Sie sich nicht überraschen lassen?« fragte er. »Oder haben Sie sich auf einen Sohn versteift?«
»Nein, nur gesund soll es sein, und leben soll es«, erwiderte Andrea.
»Dann freuen Sie sich mal richtig auf den Tag, an dem Sie Ihr Baby im Arm halten können. Sie brauchen keine Angst zu haben.«
»Wie kommt man gegen die Angst an?« fragte Andrea.
»Zum Beispiel durch autogenes Training. Wir führen das mit unseren werdenden Müttern durch und auch mit denen, die gerne Mutter werden wollen. Es ist nicht ungewöhnlich, daß werdende Mütter unter gewissen Zwangsvorstellungen leiden. Aber man kann etwas dagegen tun.«
»Könnten Sie mir auch verraten, welche Zwangsvorstellungen andere werdende Mütter haben?«
»An erster Stelle steht die Eifersucht«, erwiderte Dr. Leitner. »Der Körper verändert sich. Man kommt sich nicht mehr so begehrenswert vor. Viele Frauen unterliegen der irrigen Meinung, daß ihr Mann anderen Frauen nachschauen könnte, die sexy sind, beschwingt daherschreiten und sich abends nicht nur nach Ruhe sehnen.«
»Und sonst?« hakte Andrea nach. »Ich bin nicht eifersüchtig.«
»Sie sind anderen Einflüssen ausgesetzt worden«, erwiderte Dr. Leitner. »Mein Freund, Dr. Norden, hat mit mir darüber gesprochen, Frau Sommer. Sie wünschten das.«
»Ja, ich habe ihn darum gebeten.«
»Ihre Schwester hat ihr erstes Kind verloren und leidet allem Anschein nach seit dieser Zeit unter Depressionen. Jetzt könnten Sie dazu beitragen, ihr zu helfen, anstatt sich beeinflussen zu lassen.«
Mit weit offenen Augen sah ihn Andrea an. »Aber es wird erst recht schlimm für sie sein, wenn ich ein gesundes