BAT Boy. C. A. Raaven

BAT Boy - C. A. Raaven


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...«, begann sie, aber Lucas schnitt ihr das Wort ab.

      »Ines, sei bitte so gut und lass mich das sagen, was ich dir sagen will – was ich dir eigentlich schon die ganze Zeit sagen wollte. Wenn ich jetzt wieder aufhöre, dann bringe ich wahrscheinlich nie wieder im Leben einen zusammenhängenden Satz raus.«

      Ines holte Luft, ließ sie dann aber doch wieder langsam entweichen. Ihre Arme vor dem Körper verschränkt blieb sie stehen, wo sie war, und starrte Lucas angriffslustig an.

      »Gut. Also das, was ich dir seit Tagen, eigentlich Wochen, hätte erzählen sollen, ist Folgendes: Ja, wir wohnen fast in direkter Nachbarschaft und ja, zu meinem Geburtstag habe ich ein Teleskop bekommen, aber nicht, um dich damit zu beobachten. Ich interessiere mich für Astronomie.«

      »Ach ja?«, schoss es aus Ines‘ Mund. »Wie viele Monde hat der Jupiter?!«

      »Sechzehn«, kam es von Lucas fast automatisch zurück. »Io, Europa, Ganymed, Callisto, Amalthea, Himalia, Elara, Pasiphae, Sinope, Lysithea, Carme, Ananke, Leda, Adrastea, Thebe und Metis.«

      »Oh, also ähm ... ich wusste gar nicht, dass er überhaupt welche hat«, sagte Ines kleinlaut. Dabei starrte sie ihn an, als ob sie ihn vorher noch nie gesehen hätte. Dann schien sie ihr Starren zu bemerken und ergänzte schnell: »Wolltest du noch was sagen?«

      Sie hatte sich ihm immer noch nicht richtig zugewandt, aber ihre Züge wirkten um einiges weniger abweisend.

      »Na ja, wir, das heißt ich, hatte an meinem Geburtstag Gäste. Das war übrigens der Tag, an dem wir uns im Stadion getroffen haben.«

      Ines runzelte kurz die Stirn, während sie überlegte, was Lucas wohl meinen könnte, aber dann glätteten sich die Falten. »Ach ja und du hattest so eine riesige Beule auf der Stirn. Wir haben kurz gesprochen und dann warst du plötzlich weg.«

      »Ja, mein Kopf hat so gedröhnt, dass ich da raus musste.«

      »Hhmm.«

      »Also was ich eigentlich sagen wollte, ist: Ich hatte Besuch von Kevin, einem alten Kumpel. Dieser gute alte Kevin war der Meinung, er müsste unbedingt rausfinden, ob man mit dem Teleskop auch was ‘Richtiges’ beobachten kann. Er fand dich. Als ich das mitgekriegt habe, da bin ich ausgerastet und hab ihn rausgeschmissen.«

      »Aha«, murmelte Ines und blickte Lucas forschend an. »Warum hast du mir das denn nicht schon viel früher gesagt?«

      Lucas begutachtete seine Zehenspitzen. Ja, warum hatte er es eigentlich nicht getan? So betrachtet erschien es als das einzig Sinnvolle.

      »Mann weißt du, ich hab mich einfach so für ihn geschämt. Da hab ich versucht, nicht mehr dran zu denken. Es kam erst wieder hoch, als ich dich hier in der Lobby getroffen habe.«

      Ines musste gegen ihren Willen lächeln. »Ach deshalb hast du mich so angesehen, als ob ich King Kong wäre.«

      Lucas machte eine Grimasse. »Mmmhja, stimmt.«

      Eine Pause trat ein, in der beide nicht so recht wussten, was sie als Nächstes sagen sollten. Die Geräusche um sie herum, die sich während des eben geführten Gespräches geradezu ausgeblendet hatten, füllten diese Pause aus: Vögel zwitscherten, der Wind rauschte in den Bäumen und ein paar Zikaden fingen schon mal an, für das allmittägliche Zirpkonzert zu üben. Schließlich räusperte sich Tom.

      »Also Leute, ich störe ja nur ungern, aber wir müssen echt langsam los, wenn wir heute Abend in unserer Nachtunterkunft angekommen sein wollen.«

      Ines bedachte ihren Vater mit einem seltsamen Blick. Lucas fragte sich später immer, ob er darin Erleichterung oder Zorn gesehen hatte – oder vielleicht beides. Dann sah sie zurück zu Lucas.

      »Also weißt du, das ist im Moment alles ein bisschen viel auf einmal. Ich glaube, es ist besser, wenn wir es erst mal dabei belassen. Wir sehen uns dann ja irgendwie zuhause.«

      »Also dann macht’s gut und kommt heil nach Hause«, antwortete Lucas ein wenig lahm. Er konnte in diesem Moment einfach nicht sagen, ob er diesen Schluss nun gut finden sollte oder nicht. Und war es denn überhaupt ein Schluss? Für den Moment? Für wie lange?

      Sein Vater riss ihn aus den Gedanken. Er war zusammen mit seiner Mutter hinter ihm aufgetaucht und schwenkte ein Paket.

      »He, Ihr wollt doch wohl nicht einfach ohne Eure Wegzehrung aufbrechen?«

      Tom stutzte. Dann breitete sich ein Grinsen auf seinem Gesicht aus. »Ihr habt doch nicht etwa ...?«

      »Oh, doch«, kam es von Betty zurück. »Hausgemachte Pasta, von Alfredo persönlich, mit ... äh wie hieß die Soße noch mal?«

      »Ist doch egal – Hauptsache sie schmeckt«, ließ sich Diana vernehmen. »Danke ihr Lieben. Zuhause werden wir uns mal revanchieren.«

      »Wenn wir überhaupt jemals zu Hause ankommen«, sagte Tom mit gespielter Verzweiflung, während er in den Wagen stieg. Die anderen beiden lachten und stiegen ebenfalls ein. Dann setzte der Wagen aus der Parklücke zurück. Er fuhr gemächlich den Schotterweg bis zur Schranke und außer Sichtweite.

       Die neue Schule

      ucas vertrieb sich den letzten Tag des Urlaubs mit seinen Eltern. Sie hatten viel Spaß, aber insgeheim dachte Lucas immer wieder daran, wie viel Spaß es wohl mit Ines gemacht hätte. Dann kam auch für sie der Morgen der Abreise. Obwohl es doch alles in allem eine sehr schöne Zeit gewesen war, freuten sie sich auch auf Zuhause. Die Fahrt zurück kam ihnen unheimlich lang vor, aber letztendlich kamen sie an. Während des Restes der Ferien versuchte Lucas immer wieder mal zufällig auf Ines zu treffen, was ihm aber nie gelang. Dann brach die letzte Ferienwoche an. Im Haus der Frankes begann es, hektisch zu werden. Unterlagen mussten ausgefüllt und Material musste besorgt werden, denn schließlich begann das neue Schuljahr ja an einer anderen Schule. Langsam wurde Lucas ein wenig nervös – zum einen aus Vorfreude, zum anderen auch ein bisschen aus Angst, ob auch alles gut gehen würde.

      Der erste Schultag selbst verlief dann jedoch ganz anders, als er es sich vorgestellt hatte. Insgesamt war alles ziemlich geschäftsmäßig. Man begab sich in den Raum, der laut einem im Foyer der Schule aushängenden Plan zu der Klasse gehörte, der man zugewiesen worden war. Lucas stellte fest, dass er einige Gesichter erkannte. Außer ein paar seiner bisherigen Klassenkameraden waren offensichtlich auch einige Mitschüler aus anderen Klassen seiner Grundschule nun in seiner Klasse. In dem allgemeinen Gewimmel entdeckte er plötzlich Ines. Dabei stellte er erstaunt fest, dass sie im Urlaub gar nicht darüber gesprochen hatten, auf welche Schule sie gehen würden. Er hob die Hand, um sie zu begrüßen, ließ sie aber sofort wieder sinken. Anstatt ihn zu bemerken, hatte sich Ines eben zu einem wesentlich älteren Schüler umgedreht, der von hinten an sie herangetreten war und ihr die Augen zugehalten hatte. Gemeinsam gingen die beiden nun Arm in Arm die Treppe zu den Klassenräumen hoch. Lucas blieb mit einem Gefühl im Magen, das stark an einen Eisklumpen erinnerte, in der Menge stehend zurück.

      Da war sie wieder. Diese Stimme in seinem Kopf, die ihm zu sagen schien: Siehst du. Es geht weiter. Gewöhn Dich lieber daran, dass du ein Pechvogel bist.

      Er schüttelte heftig den Kopf, um diesen Gedanken zu vertreiben. Dann stieg er langsam ebenfalls die Treppe hinauf. In seinem Klassenraum angekommen setzte Lucas sich auf einen der freien Plätze und wartete auf das, was da noch kommen mochte.

      Was kam, war ihr erster Lehrer – vielmehr die erste Lehrerin. Sie rauschte in einem Schwall von Parfumduft durch die Tür und schloss diese leise hinter sich. Sofort war der gesamte Raum von diesem schweren süßen Duft erfüllt, sodass sich einige der Jungen verstohlene Blicke zuwarfen und verhalten kicherten.

      Erik, neben den Lucas sich gesetzt hatte, raunte ihm zu: »Die scheint zuhause Parfum als Leitungswasser zu haben.«

      Lucas verbiss sich einen Lachanfall.


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