Ascension-Saga: 1. Grace Goodwin

Ascension-Saga: 1 - Grace Goodwin


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Freunden zu zählen.”

      Seine dunklen Augen wurden schwermütig und er blinzelte feste, dann wandte er sich ab, damit ich nicht seine Tränen sah. “Ich habe versagt, Sie enttäuscht. Ich habe den König enttäuscht.”

      “Nein.” Ich nahm seine Hand und legte sie auf die leichte Wölbung meines Bauches. “Nein. Er lebt weiter. Unsere Tochter wächst bereits in mir heran. Heute Nacht ist nicht das Ende unserer Familie. Wir leben weiter, solange das Licht des Turms erstrahlt. Und wir werden zurückkehren.”

      “Wie kann ich Eure Majestät?” Er fiel vor mir auf die Knie und geriet ins Straucheln, als frisches Blut seine Flanke tränkte. Der jüngere Garde fiel ebenfalls auf die Knie.

      “Wie können wir ihnen dienen?”

      “Erzählt niemandem, dass ihr mich begleitet habt, dass ihr mich gesehen habt. Erzählt keinem von meinem Kind.” Ich richtete mich so gut wie möglich auf und hielt mein Kinn hoch, selbst als ich Schritte hörte. “Und ihr müsst am Leben bleiben. Haltet durch und helft meiner Tochter, sobald sie zurückkehrt.”

      Beide senkten ihre Köpfe und ich nutzte den Moment, um in die Zitadelle zu schlüpfen. Der Eingang war ein unsichtbares Energiefeld; er sah aus wie jeder andere Teil der Wand. Diejenigen mit königlichem Blut in ihren Adern brauchten nur einen Schritt zu tun, um die Barriere zu durchschreiten und ins Innere Heiligtum zu gelangen.

      Draußen hörte ich Klingen aufeinander schlagen und Gebrüll. Todesschreie. Aber ich wagte es nicht mich umzudrehen. Wenn der Feind bereits da war, würden mir nur Minuten bleiben, um die Halskette zu verstecken und zu entkommen, ehe einer meiner verräterischen Cousins die Barriere durchbrechen würde.

      Als die Edelsteine sicher versteckt und ohne meine Anweisung nicht mehr auffindbar waren, blickte ich ein letztes Mal zu den heiligen Turmspitzen auf. Mehrere Stufen heiliger Steine, die mit Edelmetall verziert waren. Die Zitadelle war auf unerklärbare, wundersame Weise—die besten Wissenschaftler des Planeten hatten seit Jahren versucht herauszufinden, wie die Energie des Gemäuers mich und alle anderen Königinnen vor mir auserkoren hatte—mit meiner Lebenskraft verbunden und solange ich lebte, würde mein Turm weiter erstrahlen; ganz egal, wo ich mich aufhielt. Solange die Lebenskraft durch meinen Körper floss, waren die Steine und ich auf Quantenebene miteinander verbunden.

      Ich trat aus dem geheimen Raum heraus und blickte auf. Mein Turm, also der Beweis, dass ich am Leben war, war hell erleuchtet. Alle Türme waren meilenweit zu sehen, ihr Licht war seit Jahrtausenden ein Zeichen königlicher Stärke und Macht. Zu Anfang, als die königliche Blutlinie noch stark war, erstrahlten noch alle neun Türme. Eine unzerstörbare Thronfolgelinie.

      Im Laufe der Zeit aber hatte sich das geändert. Es gab weniger Geburten. Kriege. Und jetzt? Jetzt war nur noch ich übriggeblieben. Aber solange die Lichtsäule des Turmes in den Himmel ragte, würde niemand meinen Thron an sich reißen. Der Turm log nicht. Sein meilenweit sichtbares Licht würde erst mit meinem letzten Atemzug erlöschen. Keiner meiner Cousins war von der geheimnisvollen Intelligenz der altertümlichen Steinstruktur als würdig erachtet worden.

      Aber ich zweifelte nicht an der Lebenskraft und an dem Feuer, das meine Tochter in sich tragen würde. Bei ihrer Rückkehr würde ich sie hierher bringen, ihr Blut auf den heiligen Stein tröpfeln lassen und sie in die Arme schließen, sobald ihr Turm vor den Augen aller erstrahlen würde.

      Jetzt aber musste ich von hier verschwinden und abwarten. Mich so unauffällig wie möglich machen, bis es für meine Tochter an der Zeit war zurückzukehren. Ich würde den Planeten inkognito verlassen müssen und nicht als Königin. Also zog ich meine Juwelen-bestickten Roben aus und ließ sie zu Boden fallen. Das schlichte Unterkleid und ein Schal würden mir erlauben, unbemerkt zu entkommen.

      Wer auch immer die königliche Familie stürzen wollte, heute Nacht würden sie nicht triumphieren. Und die Lichtsäule des Turms würde meine Feinde beständig quälen, und zwar bis ich meine Familie rächen könnte. Bis meine Tochter den Thron übernehmen würde.

      Wieder brach es mir das Herz, ich biss den Kiefer zusammen und zog meine Schultern zurück, als ich zum letzten Mal das Licht des Turms betrachtete. Ich würde nicht hier sein, um mein Volk anzuführen, aber sie würden wissen, dass ich sie nicht verlassen hatte und auf meine Rückkehr warten.

      Ich blickte ein letztes Mal auf das Versteck der königlichen Halskette. Die heiligen Edelsteine würden sicher sein, und zwar bis meine Tochter zurückkehren würde.

      Ich schluckte meine Tränen runter, machte mich zum geheimen Ausgang auf und verschwand.

      Trinity Jones, Gegenwart, Abfertigungszentrum für interstellare Bräute, Erde

      Der Wagen schlitterte und die beiden linken Reifen hoben vom Asphalt ab, als ich rasend schnell in die Kurve bog. Meine Fähigkeiten im Autorennen machten allerdings keinen Unterschied, denn der schwarze Geländewagen hinter uns wurde nicht einmal langsamer.

      “Ich brauche mehr Fahrunterricht,” fauchte ich und umklammerte das Lenkrad.

      Ich war aufs College gegangen, hatte Jura studiert und die Grundlagen der Selbstverteidigung gelernt, aber nichts davon hatte Stuntfahren beinhaltet. Mutter hätte wohl darauf bestehen sollen, als ich sechzehn geworden war.

      “Meine Güte, Trin, du wirst uns noch alle umbringen.” Meine mittlere Schwester Faith—sie war ganze acht Minuten älter als ihr Zwilling—schimpfte vom Rücksitz aus, ihre weißen Knöchel klammerten sich im Todesgriff an den Vordersitz und das war das einzige, was sie davon abhielt, aus dem Auto geschleudert zu werden.

      “Halt einfach an, damit ich diese Arschlöcher abknallen kann. Dann können wir nach Alera gehen.” Und diese genervte Stimme gehörte meiner kleinsten Schwester Destiny, sie saß auf dem Beifahrersitz und streichelte ihre Knarre wie ein Schoßhündchen. Ich befürchtete schon längst nicht mehr, dass sie mich aus Versehen erschießen könnte; sie war viel zu geschickt. Sie sah zwar wie die Entspanntere meiner beiden Zwillingsschwestern aus, hatte aber seit ihrem vierten Lebensjahr nichts anderes getan, als zu jagen, zu stalken und zu töten. Ihr lila Haar und ihre riesigen, unschuldigen, babyblauen Augen waren eine totale Täuschung für jeden Mann, der gedacht hatte, dass er sie durchschaut hatte.

      Nicht, dass sie vielen Typen eine Chance gegeben hätte. Wir alle hatten Beziehungen gehabt. Wir waren keine unschuldigen, abgeschotteten Jungfrauen. Wir waren Prinzessinnen. Nicht, dass irgendjemand darüber Bescheid wusste. Und es war auch nicht gerade so, dass wir es bis vor wenigen Stunden selber geglaubt hätten. Es gab zu viele Disney-Prinzessinnen, als dass wir wirklich geglaubt hätten, dass wir echte Royals von einem anderen Planeten waren.

       Von einem verfluchten anderen Planeten.

      “Schieß ihnen doch einfach in die Reifen. So wie sie es im Film immer machen.” Faith grinste wie wahnsinnig; sie liebte Abenteuer. Im Gegensatz zu Destiny sah Faith vollkommen unschuldig aus. Wie die Unschuld in Person. Langes, goldbraunes Haar. Warme, dunkle Augen. Sie sah wie das liebenswürdigste Mädel des Planeten aus. Und sobald es um Tiere ging, dann stimmte das auch. Sie schleppte jede kranke Kreatur in einem Umkreis von zehn Meilen mit nach Hause, Schlangen miteingeschlossen. Aber mit Leuten? Autsch. Eher weniger. Als Zwillinge hätten sie sich eigentlich ähnlicher sein müssen, aber sie waren eher wie Geschwister und ihre Persönlichkeiten waren genauso verschieden wie ihr Look.

      “Wehe,” warnte ich und blickte weiter geradeaus auf die Straße. “Wir sind fast da. Ich kann schon den Parkplatz sehen.”

      “Ich werde sie nicht verfehlen, Trin. Lass mich schießen.” Destiny beäugte bereits den Geländewagen, die Straße, die Winkel.

      “Nein. Ich glaube gerne, dass du treffen wirst.” Ich warf einen Blick in den Rückspiegel. “Sie fahren zu schnell. Die dumme Karre wird sich wahrscheinlich überschlagen und einer dieser armen Bastarde wird heute Abend nicht mehr zu seiner Familie heimkehren. Nein. Für sie ist es nur ein Job.”


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