Auf den Flügeln der Liebe. Barbara Cartland

Auf den Flügeln der Liebe - Barbara Cartland


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ruckartig auf.

      »Nein, Vater!« entgegnete er heftig und vergaß dabei einen Moment, die Silben zu dehnen. »Sie brauchen sich keine Vorwürfe zu machen! Wenn ich mich in den vergangenen fünf Jahren schlecht benommen habe, tragen Sie daran nicht die geringste Schuld. Ich glaube, die Erklärung dafür ist, daß ich so verdammt einsam gewesen bin und mich unsagbar gelangweilt habe.«

      Lord Morden erhob sich und trat ans Fenster. Dort verharrte er kurz und sagte dann mit völlig veränderter, ja fremder Stimme: »Jetzt hast du ganz wie deine Mutter gesprochen. Ich habe sie oft genau dieselben Worte sagen hören: ,Ich langweile mich, Bruno.' Weißt du noch, daß sie mich Bruno nannte, weil ich so groß und sie so klein war? ,Ich langweile mich, Bruno! Das Leben ist unerträglich öde!' Dann ging sie immer und tat irgendetwas äußerst Schockierendes.«

      Lord Mordens Stimme verlor sich. Er stand noch immer am Fenster und starrte hinaus in den Garten, als er plötzlich die Hand seines Sohnes auf der Schulter spürte und zusammenfuhr. Er hatte nicht gehört, wie dieser sich aus seinem Sessel erhoben hatte.

      »Auch ich habe mich schockierend benommen, Sir«, sagte Lord Sheringham ruhig, »und jetzt werde ich, um das wiedergutzumachen, nach Frankreich gehen und die Informationen besorgen, die Sie brauchen.«

      »Es wird keine leichte Aufgabe sein«, gab Lord Morden zu bedenken.

      »Das weiß ich.«

      »Es wird sogar sehr gefährlich sein.«

      »Möchten Sie mir etwa Angst vor ein paar Franzosen einjagen?«

      Lord Morden wandte den Kopf, und beide Männer blickten einander an; dann lachten sie.

      »Gott segne dich, mein Junge! Ich habe mich doch nicht in dir getäuscht!«

      Lord Mordens Stimme bebte leicht.

      Lord Sheringham schob seinen Arm unter den seines Vaters.

      »Lassen Sie uns die Mission besprechen«, schlug er vor. »Haben wir irgendwelche Kontaktpersonen in Frankreich, mit denen ich Verbindung aufnehmen könnte?«

      »In Paris gibt es ein paar Kontaktmänner«, antwortete Lord Morden, »aber bei keinem von ihnen sind wir unserer Sache sicher. Canning ist der Meinung - und da gebe ich ihm recht -, daß du am besten ganz auf dich allein gestellt arbeitest. Finde heraus, soviel du nur kannst, alles, was in deiner Macht steht, und komm dann hierher zurück! Da wir nicht sicher sind, wem wir trauen können, würden Briefe oder Empfehlungsschreiben, die wir dir mitgeben, vielleicht gerade die Schlinge um deinen Hals bedeuten. Selbstverständlich können wir dir gewisse Informationen mitgeben; doch es ist ratsam, daß du keinem Menschen traust, bis er sich als zuverlässig erwiesen hat, und selbst dann solltest du noch auf der Hut sein.«

      »Ich verstehe, Vater. Welche Vorkehrungen haben Sie für meine Reise dorthin getroffen?«

      »Du wirst den Kanal auf einem Kriegsschiff überqueren«, erklärte Lord Morden. »Du wirst an die normannische Küste gerudert und dort abgesetzt werden. Natürlich erhältst du genügend Geld.

      Du kannst dir ein Pferd oder eine Kutsche kaufen und dich gemächlich auf den Weg nach Paris machen. Canning zieht gerade bei seinen Agenten Erkundigungen über Familien in der Normandie ein, die seit der Revolution ziemlich zurückgezogen gelebt haben.

      Sicherlich gibt es darunter mindestens eine, die einen Sohn in etwa deinem Alter hat, der entweder tot oder in irgendeiner Weise untauglich ist. Du wirst seinen Namen annehmen und mit seiner Identität wenig oder gar kein Aufsehen in Paris erregen.«

      »Ein guter Plan«, erwiderte Lord Sheringham, »vorausgesetzt, daß alles sorgfältig vorbereitet wird. Es wäre doch sehr peinlich, bei einer Abendgesellschaft einem Herrn zu begegnen, dessen Namen und Stammbaum ich mir, ohne ihn vorher zu fragen, ausgeliehen habe.«

      »Wir werden dafür sorgen, daß das nicht passiert. Also, Armand, was hältst du von dem Vorschlag? Und hast du irgendwelche Ideen hinsichtlich der Ausführung dieser Mission?«

      Lord Sheringham lächelte.

      »Es ist sehr freundlich von Ihnen, Sir, mich nach meiner Meinung zu fragen. Ich bin bereit, nach Frankreich aufzubrechen. Wie Sie vor ein paar Minuten sagten, habe ich fünf Jahre in London verbracht - ausschweifende und liederliche Jahre, wenn Sie so wollen. Ich bin sechsundzwanzig und habe bis jetzt nichts erreicht und kaum etwas anderes gelernt, als daß Frauen so lange begehrenswert sind, bis sie sich einem Mann hingeben, und daß das Spielen ein teurer und im Grunde ziemlich reizloser Zeitvertreib ist.«

      Lord Morden warf den Kopf in den Nacken und lachte.

      »Ein Zyniker!« rief er. »Und das mit sechsundzwanzig! Armer Armand!«

      »Trotzdem, es ist die Wahrheit«, widersprach Lord Sheringham. »Vielleicht liegt es an meinem französischen Blut, Sir, daß ich so ruhelos bin. Ich muß immer neue, aufregende Sachen finden, neue Wege, um mich bei Laune zu halten, selbst wenn ich dabei riskiere, Botschafter zu beleidigen!«

      »Du wirst diese Sache nicht vergessen«, sagte Lord Morden.

      »In der Tat, ich habe sie nicht vergessen«, antwortete Lord Sheringham. »Sehen Sie denn nicht, Sir, daß sie in gewisser Hinsicht vorteilhaft ist? Sie sind ganz offensichtlich äußerst verärgert über mich, und die gesamte adlige Welt wird sich darin einig sein, daß Sie völlig recht daran tun, mich für ein paar Monate aufs Land zu schicken und Morden House in der Zwischenzeit zu schießen.«

      »Ich verstehe«, sagte Lord Morden. »Wir werden eine Erklärung für deine Abwesenheit von England brauchen.«

      »Von London, Sir«, verbesserte Lord Sheringham ihn. »Sie besitzen doch Güter in Norfolk. Sie werden verlauten lassen, daß ich dorthin geschickt wurde, um ein ländliches Leben zu führen - keine Frauen, keine Karten; als einzige Unterhaltung Rebhühner schießen, wenn sie abschußreif sind.«

      »Ausgezeichnet!« pflichtete Lord Morden ihm bei.

      »Wenn ich einen Vorschlag machen darf, Sir«, fuhr Lord Sheringham fort, »so halte ich es für ratsam, daß niemand außer Ihnen, Mr. Canning und den Kabinettsmitgliedern, die heute nachmittag hier waren, wissen, wohin ich fahre. Es wäre mir am liebsten, wenn Sie es auch nicht meiner Stiefmutter erzählten. Sie wissen, wie sehr ich Lady Morden schätze, aber Frauen klatschen nun einmal viel, weil sie sonst wenig zu tun haben.«

      »Ich werde ihr sagen, daß du in Norfolk bist«, sagte Lord Morden. »Aber wie steht es mit deinen Freunden, mein Junge, besonders mit den weiblichen?«

      »Denen werde ich genau dasselbe erzählen. Heute Abend wird ganz London bereits von Ihrer Härte und Strenge wissen. Ich werde Sie wegen Ihres Verhaltens beschimpfen und vielleicht sogar ein paar Tränen an einer weißen Schulter weinen. Und schon morgen könnte ich dann aufbrechen.«

      Lord Morden streckte seine Hand aus.

      »Danke, Armand.«

      »Im Gegenteil, Vater, ich habe Ihnen zu danken. Zum ersten Mal seit Monaten habe ich etwas zu tun, was mich wirklich interessiert.«

      »Willst du mir etwa erzählen«, fragte Lord Morden mit gespieltem Ernst, »daß dich all jene wunderschönen Damen, mit denen dein Name auf solch widerwärtige und bedauerliche Weise in Verbindung gebracht worden ist, nicht interessierten?«

      »Bis zu einem gewissen Punkt interessieren sie mich zwar«, sagte Lord Sheringham, »aber dieser Punkt, Sir, war immer gegen Morgen erreicht.«

      Lord Morden lachte, doch sein Blick, der auf dem hübschen Gesicht seines Sohnes ruhte, war traurig.

      Drei Tage später landete Monsieur Armand de Segury bei Tagesanbruch an der Küste Frankreichs. Die Matrosen, die ihn gemäß ihren Anweisungen ans Land ruderten, sprachen nicht, als er zum Abschied winkte.

      Sie beobachteten, wie er leichtfüßig vom Bug des Bootes auf den Sand sprang, und warteten, bis seine hohe Gestalt im Schatten der Klippen verschwunden war. Dann ruderten sie rasch zurück zu ihrem Schiff.

      Armand begab sich in aller Ruhe zu einem Dörfchen, das etwa


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