Butler Parker Staffel 10 – Kriminalroman. Günter Dönges
Als das Telefon klingelte, hob Madison ab und meldete sich. Er hörte einen Moment zu und nickte dann. Er legte auf und wandte sich Paul Storn zu, der ihn fragend ansah.
»Eben war es noch Morgan, jetzt ist Baxter dazugekommen«, sagte er lächelnd. »Ihre Vermutung bestä-tigte sich, Paul. Man setzt sich nacheinander ab und bringt sich in Sicherheit. Jeder von ihnen scheint Dreck am Stecken zu haben.« an »Dann sind ja nur noch Natway und ad Caropoulos im Club«, sagte Storn.
»Genau, Paul.«
»Ihr Überwachungsdienst funktioniert erstklassig, Chef.«
»Perfektion ist alles, Paul. Man darf nichts dem Zufall überlassen.«
»Dann können wir bald unseren Auftrag erledigen, Chef?«
»Was tun wir denn sonst die ganze Zeit? Wir treiben unser Wild in die Falle.«
»Ich weiß inzwischen, daß Sie mir nie den Namen des Opfers nennen werden.«
»Okay, Paul. Was Sie nicht wissen, können Sie auch nicht verraten.«
»Sie glauben doch wohl nicht, daß die ich Parker etwas sagen würde, Chef?« Storns Stimme klang ent-rüstet.
»Sie sind doch kein Selbstmörder«, gab Madson zurück. »Und da Sie von Parker reden, der interessiert mich inzwischen mehr als unser Vertragsobjekt.«
»Ob es an der Skeletonbahn mit ihm klappen wird, Chef?«
»Natürlich. Er hat keine Chance. Schon jetzt stelle ich die Weichen, und wir haben noch gut anderthalb Stunden Zeit.«
»Kann ich denn wenigstens erfahren, wie viele Mitarbeiter Sie zusätzlich eingesetzt haben?«
»Sie werden sie zählen können, wenn sie Parkers Leiche umstehen, Paul. Dann gibt es keine Geheimnisse mehr!«
*
Mike Rander näherte sich Kandersteg.
Immer wieder hatte er sich vergewissert, ob er verfolgt wurde, doch dies schien nicht der Fall zu sein. Auf der nur teilweise geräumten Straße gab es kaum Verkehr. Ein Verfolger wäre ihm mit Sicherheit aufgefallen.
Parkers Gast im Fond des Wagens war übrigens eine Puppe. Eine jener Figuren, über die der Butler stets verfügte. Normalerweise zusammengerollt, ließen sich diese Puppen sehr leicht aufblasen und ankleiden. Baxter, der den Wagen angeblich bestiegen hatte, hatte ihn sofort wieder verlassen.
Nicht umsonst hatte der Anwalt sich so ungeschickt angestellt und hatte der hochbeinige Wagen des But-lers so dicht an der Hauswand und neben der geöffneten Tür gestanden. Baxter hatte beim Herausquellen der schwarzen Auspuffwolken die schlechten Sichtverhältnisse genutzt und war durch die geöffnete Tür zurück in den Club geschlüpft.
Mike Rander, der die Scheinwerfer aufgeblendet hatte, entdeckte plötzlich hinter einer scharfen Kehre das Flackerlicht eines Polizeifahrzeugs.
Er fühlte sich sofort alarmiert.
War das eine Falle des Mörders?
Madson war solch ein Trick durchaus zuzutrauen.
Rander verlangsamte das Tempo und fühlte nach seinem 38er, der griff- und schußbereit in der Schul-terhalfter steckte.
Das Fernlicht erfaßte inzwischen die Szene, die aber unmöglich gestellt sein konnte.
Zwei Polizeifahrzeuge standen am Straßenrand, der hier steil hinunter in eine kleine Schlucht abfiel. Dann war da noch ein Kranwagen, an dem herumhantiert wurde. Ein Polizist mit einem Signalstab in der Hand winkte Randers Fahrzeug ab.
Der Anwalt ließ das hochbeinige Monstrum bis an die Unfallstelle rollen und stoppte. Irgendwie ahnte Rander bereits, daß es sich um Morgan handeln mußte.
»Unfall?« erkundigte er sich bei dem Polizeibeamten.
»Ein Wagen ist von der Straße gerutscht und liegt unten in der Schlucht«, sagte der Beamte. »Wir bergen gerade den Fahrer.«
Mike Rander verließ sein Fahrzeug und ging nahe an die Unfallstelle heran.
Die Straßensicherung in der Form von leichten Seitenplanken war durchbrochen worden. Im Schnee er-kannte man Schleifspuren. Vom Kranwagen aus hatten sich zwei Beamte abgeseilt, wie Rander erfuhr.
Nach zehn Minuten wußte er mehr.
Der Tote, den man aus dem Wagen geborgen hatte, hieß Billy Morgan.
*
Die lange und steile Röhre der Skeletonbahn lag einsam und verlassen in der Dunkelheit, die nur von eini-gen spärlich brennenden Kontrollichtern erhellt wurde.
Das Schneetreiben war zwar schwächer geworden, doch die Sichtverhältnisse hatten sich kaum gebessert.
Parker sah sie kommen.
Es handelte sich um zwei Männer, stämmig, untersetzt. Einer von ihnen hinkte leicht, was den Schluß zu-ließ, daß er sich schon mal in der Rolle eines Bobs versucht hatte.
Parker kam dieser Mann irgendwie bekannt vor. Es mußte sich um jenen Skiläufer handeln, den er mit vereisten Schneebällen beschossen hatte. Der zweite Mann stammte sicher aus dem Peugeot, der die Verfol-gung dieses Eiskunstläufers und seine Rettung aus der Schneewand getätigt hatte.
Die beiden Männer, die eindeutig von Madson geschickt worden waren, suchten nach geeigneten Stand-orten, um den ihrer Meinung nach später kommenden Butler geschickt in die Zange nehmen zu können.
Der Hinkende, der verständlicherweise nicht gut zu Fuß war, entschied sich für das langgestreckte Holz-haus, in dem normalerweise die Skeletons untergebracht waren.
Der zweite Mann ging hinüber zum Starthaus, wo Parker sich mit Paul Storn treffen wollte. Er knackte das Schloß und schaute sich in dem kleinen, fast würfelförmigen Haus um.
Dann kam er wieder heraus und blieb entsetzt stehen.
Sein Partner warf gerade beide Arme hoch in die Luft und überschlug sich.
Er absolvierte einen derart gekonnten Salto, daß man ihn als reifen Zirkustrick bezeichnen konnte.
Ein feines Zischen ließ den Entsetzten und Verblüfften herumwirbeln.
Dann sah er es, und seine Augen weiteten sich bis zur Größe einer Mokka-Untertasse.
Ein Eisstock zischte genau auf ihn zu.
Es handelte sich um einen runden, abgeplatteten Stein, der gut und gern seine zwanzig Kilo wog. Ein Ge-rät, wie es beim Curlingsport oder Eisstockschießen verwendet wird.
Mittels eines Griffes, der im Stein eingelassen ist, werden solche Eisstöcke mit viel Schwung und Können auf eine Eisbahn gesetzt, in der stillen Hoffnung, daß sie das Ziel treffen. Teams spielen gegeneinander und versuchen, die Eisstöcke ihrer Gegner wegzukicken. Erfahrung und Kraft spielen dabei eine große Rolle, wie sich auch hier zeigte. Parker verfügte nämlich über die erforderlichen Fähigkeiten, denn er hatte sowohl den ersten als auch den zweiten Eisstock auf die abschüssige Bahn des Skeletonlaufs gebracht. Er hatte sich die-se Geräte und andere von einem Sportartikelgeschäft n, hinauf ins Chalet bringen lassen. Und er hatte sie dann mit hinaus zur Eisröhre gebracht.
Nicht ohne Absicht, wie sich bereits in einem Fall gezeigt hatte. Doch auch im zweiten Fall blieb ihm der Erfolg nicht versagt. Der Mann mit den kreisrund und weit geöffneten Augen wollte im letzten Moment noch ausweichen. Er sprang hoch, aber eben nicht hoch genug.
Sein Salto war daraufhin fast noch gekonnter als der seines Partners. Der Mann flog durch die Luft und blieb benommen liegen. Als er Schritte hörte, sich, aufrichtete und nach der Waffe greifen wollte, traf ein Schneeball sein Gesicht.
Er verlor die Übersicht und rutschte – zurück. Dann traf ihn ein gutdosierter Schlag auf den Hinterkopf.
Der erste Wintersportler dachte nur an Rettung und Flucht. Er robbte durch den Schnee. Sein Ziel war das langgestreckte Holzhaus. Das er allerdings nicht mehr erreichte.