Mami Staffel 12 – Familienroman. Sina Holl

Mami Staffel 12 – Familienroman - Sina Holl


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uns doch nicht. Ich kann gar nicht genug Familie um mich haben.«

      »Ich weiß.« Gerhard lächelte seiner Mutter flüchtig zu. »Aber ich will mein neues Leben sobald wie möglich im Griff haben«, fuhr er sachlich fort. »Für Angela möchte ich einen Platz in einem Kindergarten finden. Sie soll nicht immer nur unter Erwachsenen sein, sie muß auch Umgang mit Gleichaltrigen haben.«

      »Das ist schon richtig«, nickte Monika. »Aber vergiß nicht, daß sie auch eine Oma hat, die sie gern ein bißchen verwöhnen möchte.«

      »Das vergesse ich nicht, Mama. Wir werden dich schon noch brauchen.« Gerhard rückte an seinem Glas, das noch halbvoll war. »Ja, und dann werde ich mir wieder eine Stellung suchen. Ich habe drüben eine Menge an Wissen und Erfahrung gesammelt, und hochqualifizierte Arbeitskräfte werden immer gesucht. Da ist mir nicht bange.«

      Die beiden Männer redeten über die allgemeine Wirtschaftslage. Es war ein Thema, über das man sich ausbreiten konnte.

      Anja kam hinzu. Sie hob den linken Arm und deutete auf die Uhr an ihrem Handgelenk. »Bitte zu beachten, daß ich pünktlich bin«, bemerkte sie. Dabei sah sie auf ihren Vater.

      »Ausnahmsweise«, bemerkte dieser trocken. »Weil Gerhard da ist.«

      Sie lachte und warf sich in einen Sessel, streckte die jeansbehosten Beine weit von sich. Dann sah sie von einem zum anderen. »Ihr macht so ernste Gesichter«, stellte sie fest. »Um was geht’s denn?«

      »Um den Ernst des Lebens, Schwesterchen, von dem du noch keine Ahnung hast«, antwortete Gerhard.

      »Das sagst du. Hast du ’ne Ahnung, was von Kids alles verlangt wird, und wie die Lehrer einen nerven, bis zum Zusammenbruch.«

      »Ach ja? Ist das nicht eher umgekehrt der Fall«, sagte der Bruder erheitert. Anja schnitt eine Grimasse. Sie rutschte im Sessel zurück und schwang ihre Beine über die Lehne, was ihr einen Verweis ihres Vaters eintrug.

      »Mußt du dich so hinfläzen? Jetzt bist du gerade sechzehn geworden und weißt dich immer noch nicht zu benehmen.«

      »Okay, okay.« Anja setzte sich wieder gerade hin, sie sah ihren Bruder bedeutungsvoll an. »Ich wünschte, ich wär’ an deiner Stelle.«

      »So, möchtest du lieber schon dreißig sein?« lächelte Gerhard.

      »Nenee, das nun grad nicht«, sagte Anja schnell. »Aber du kannst doch jetzt leben, wie es dir gefällt. Du kannst dir, zum Beispiel…«, ihre Augen wurden träumerisch, »eine tolle Villa in Saint Tropez kaufen, und… ja, eine Luxusyacht dazu, und…«

      »Ach, du meinst, ich würde mich jetzt auf die faule Haut legen«, unterbrach Gerhard amüsiert die Spinnereien seiner jungen Schwester.

      »Na klar, was sonst? Du wärst ja blöd, wenn du noch was arbeiten würdest.« Bei den letzten Worten setzte sie zu einem herzhaften Gähnen an.

      »Geh schlafen, Anja, bevor du noch weiter solche Sprüche von dir gibst«, sagte ihre Mutter. »Morgen hast du um acht Uhr Schule.«

      Das Mädchen schob sich aus dem Sessel. »Wir reden morgen weiter, Gerd. Schlaft mal alle gut.« An der Tür drehte sie sich noch einmal um. »Ich seh noch mal nach Angela, ja?«

      »Aber mach leise, daß sie nicht aufwacht«, riet die besorgte Oma.

      Anja nickte. Sie wedelte kurz mit der Hand und verschwand.

      »Wenn sie schläft, kann man sie forttragen«, bemerkte Gerhard über sein Töchterchen. Eigentlich sollten sie jetzt auch schlafen gehen, aber da war noch Wein in den Gläsern, und sie waren auch so angeregt. Es war doch der Abend des Wiederfindens nach langer Trennung.

      »Was unser Küken daherredet, ist natürlich Unsinn«, begann Gerhard. »Aber du könntest vorzeitig in Ruhestand gehen, Papa. Du bist siebenundfünfzig, und du hast von frühester Jugend an hart gearbeitet.«

      »Ich denk’ nicht dran«, wehrte Arno Schilling ab. »Was sollt’ ich denn den ganzen Tag tun? Hier herumsitzen?«

      »Schöne Reisen mit Mama machen, euch etwas gönnen…«

      »Jetzt redest du schon wie Anja, Sohn. Euch steigt wohl das viele Geld zu Kopf, das du gemacht hast.«

      »Das bestimmt nicht«, versicherte Gerhard. »Dafür bin ich viel zu nüchtern. Das Kapital wird gut und wertbringend angelegt, das darfst du mir schon zutrauen.«

      »Aber nicht bei Korff«, sagte der Vater aufblickend.

      Gerhard stutzte. »Wie meinst du das?«

      »Mit dem Bankhaus Korff soll es nicht gut stehen.« Der Ältere strich sich über den Bart. »Es heißt, daß es verschuldet ist.«

      »Das kann ich mir nicht vorstellen«, widersprach Gerhard entschieden, mit einem leichten Kopfschütteln. »Das ist eine seriöse Privatbank, seit Generationen in der Familie.«

      »Vielleicht ist es ja auch nur ein Gerücht«, warf die Mutter ein. Ihr Mann wiegte den Kopf. »Mißwirtschaft kann auch ein seriöses Unternehmen in den Ruin treiben. Das Führungspersonal soll ständig gewechselt worden sein, Prokuristen kamen und gingen. Anscheinend ist Leonard von Korff nicht mehr Herr der Lage.«

      »Woher willst du das wissen, Vater?« äußerte Gerhard mit gerunzelter Stirn. Er konnte es einfach nicht glauben.

      »Ich lese den Wirtschaftsteil unserer Zeitung, mein Sohn«, betonte Arno Schilling. »Für ganz so dumm mußt du mich auch nicht halten.«

      »Aber, Papa«, Gerhard lächelte versöhnlich, »seit wann bist du denn empfindlich.« Er überlegte. »Hm, wenn da wirklich etwas dran ist, werde ich es schon erfahren…«

      »Ach, Kinder«, Monika unterdrückte ein Gähnen, »darüber brauchen wir uns doch nicht den Kopf zu zerbrechen, was mit der Korffschen Bank los ist. Trinken wir aus und machen Schluß für heute. Es war doch ein langer und«, ein mütterlicher Blick streifte den Sohn, »ein ereignisreicher Tag.«

      *

      Das Bankhaus Korff.

      Gerhard mußte doch noch dran denken, bevor er sich niederlegte bei seinem Töchterchen, dessen Bett an der anderen Wand stand, in diesem Zimmer, das er früher mit seinem Bruder Rolf geteilt hatte.

      War es denn denkbar, daß es ins Wanken geraten konnte?

      Er hatte seine Ausbildung in einer Großbank genossen, nicht in dieser vergleichsweisen kleinen, feinen Privatbank, wo die Großbürger dieser Stadt ihr Vermögen anlegten.

      Er war nur daran vorbeigekommen auf seinen Wegen. Aber das Wohnhaus der Familie, diese herrliche Villa im Jugendstil, die hatte er oft betrachtet, wenn er mit Paul eine Butterbrotpause machte. Manchmal war ein Fenster offengestanden, dann erhaschte er einen Blick auf das kostbare Inventar in den hohen Räumen, die glänzenden Möbel, die Gemälde an den Wänden.

      Manchmal – ein leiser Schreck durchfuhr Gerhard, als sie plötzlich wie eine Erscheinung vor ihm auftauchte – manchmal hatte er auch das Mädchen gesehen, Ariane von Korff, die Tochter des Hauses.

      Ihr langes rötlichblondes Haar, das ihre Schultern umwogte, leuchtete in der Sonne wie Gold. Zuerst war sie noch fast ein Kind gewesen, dann wurde sie zu einem schönen jungen Mädchen. Schöner als alles, was seine Augen je erblickt hatten, so war es ihm erschienen.

      Wie sehr hatte er sich gewünscht, daß sie nicht nur flüchtig über ihn hinwegsehen würde, sondern daß er den Blick dieser hellen Augen einmal, ein einziges Mal nur für eine Sekunde festhalten könnte. Aber sie ging vorüber, mit dem Tennisschläger in der Hand zu den nahegelegenen Tennisplätzen, oder den Kiesweg entlang zu ihrem Sportwagen, mit dem sie davonbrauste.

      Warum hätte sie ihm auch nur die geringste Beachtung schenken sollen, dem Jungen, der da im

      parkähnlichen Garten die Frühjahrsbeete anlegen half, im Herbst die Erde mit umgrub und die Blätter von den Bäumen zusammenfegte. In der Großgärtnerei Müller nahm man ihn, wann immer er sich zur Arbeit anbot, um sein schmales Taschengeld


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