Mami Staffel 12 – Familienroman. Sina Holl

Mami Staffel 12 – Familienroman - Sina Holl


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Spontan hob Monika die Vierjährige zu sich empor.

      »Ich bin deine Oma, Angela.«

      Mit einem ernsthaften Ausdruck sah das Kind ihr ins Gesicht. Dann nickte es. »Papa hat mir schon gesagt, daß wir zu Oma und Opa kommen. Wo ist denn der Opa?«

      »Der wird auch bald dasein. Er muß noch arbeiten. Weißt du, in solchen großen Häusern mit zehn Stockwerken gibt es immer viel zu tun. Dein Opa sorgt dafür, daß alles in Ordnung ist.«

      »Hier gibt es aber doch gar keine großen Häuser«, wandte Angela ein. »Sie sind alle klein.«

      »Vergiß nicht, daß deine Enkelin aus New York kommt«, schmunzelte Gerhard.

      »Ach ja!« Seine Mutter lachte leicht auf, sie strich Angela die hübschen Locken aus der Stirn. »Aber ich bin froh, daß du wenigstens deutsch sprichst. Deine Oma kann nämlich kein Wort englisch.«

      »Mein Papa hat immer so mit mir gesprochen«, erklärte ihr die Kleine. »Gina nicht. Die konnte das nicht.«

      »Gina war das Kindermädchen«, warf Gerhard ein.

      »Das Kindermädchen, so.« Monika ließ die Enkelin aus ihren Armen gleiten. Von der Existenz einer Mutter schien hier nicht die Rede zu sein. »Du wirst dich ein bißchen frischmachen wollen, Gerhard. Rolfs Zimmer habe ich für euch hergerichtet. Er wohnt ja schon mit seiner Freundin zusammen.« Sie zuckte die Achseln. »So ist das eben heute.«

      Alles war liebevoll vorbereitet, ein zweites kleines Bett für das Kind aufgestellt. »Du hattest mir ja schon geschrieben, daß du mit Angela allein kommen würdest«, sagte die Mutter mit abgewandtem Gesicht. Als der Sohn darauf schwieg, fügte sie fragend hinzu: »Kommt sie nach?«

      »Nein.« Gerhard trug die Koffer aus der Diele herein. »Ich werde es euch später erzählen.«

      Anja kam hereingewirbelt. »Hallo, Großer, da bist du ja schon!« rief sie und umarmte den Heimgekommenen.

      »Hallo, Anja!« Schlank und rank war sie geworden, die nun Sechzehnjährige.

      »Du hast ja deinen Babyspeck verloren«, neckte Gerhard sie.

      »Ja, und jetzt kommst du, wo ich groß genug bin, um allein nach New York zu fliegen. Aber du hast mich ja auch nicht eingeladen«, schmollte sie scherzhaft. Dann sah sie Angela, der die Oma in der Küche etwas zu trinken gegeben hatte.

      »Das ist deine Tante Anja«, sagte Monika.

      »Ph, Tante. Wer sagt denn heute noch Tante. Ich bin einfach die Anja. Und du bist eine kleine Süße. Ich werde dich Angie nennen.«

      Zum Abendessen saßen sie alle um den großen runden Tisch. Nur Rolf fehlte, er wollte am Sonntag kommen. Angela betrachtete etwas ängstlich den Opa, der so ein breitschultriger, starker Mann war, und einen Bart hatte er, der gekitzelt hatte, als er sie hochhob und ihr ein Küßchen gab.

      »Nun iß mal schön, du Spatz«, ermunterte Monika ihre Enkelchen. »Du wirst dich doch nicht fremd bei uns fühlen.«

      »Sie muß sich erst daran gewöhnen, in einer Familie zu sein«, meinte Gerhard lächelnd. Darauf war es einen Moment still in der Runde.

      »Was ist ein Spatz?« wollte Angela nach einigem Nachdenken wissen.

      Anja erklärte es ihr. Sie ließ ihre Hand über den Tisch hüpfen, als wäre der kleine Vogel, der Krümchen aufpickte. Damit brachte sie das ernste Gesichtchen endlich einmal zum Lächeln.

      Aber bald wurde sie doch sehr müde, nach dem langen Flug, der in aller Morgenfrühe begonnen hatte, und den vielen, vielen neuen Eindrücken.

      »Ich bring dich ins Bett«, sagte die Oma. »Dir fallen ja schon die Äuglein zu.«

      »Nein, Papa«, wisperte das Kind. »Das tut immer mein Papa.«

      Später brachte Arno Schilling eine Flasche Wein auf den Tisch. Die Heimkehr des Sohnes mußte doch gefeiert werden. Nur Anja wollte noch mal weg, sich mit Freundinnen treffen.

      »Aber um zehn bist du zu Hause«, sagte der Vater streng.

      Anja zwinkerte ihrem Bruder zu. »Da siehst du, wie man’s mit mir macht. Wenn man die Jüngste ist, wird man ewig noch wie ein Kind behandelt.«

      »Laß nur, erwachsen wirst du noch früh genug«, sagte Gerhard heiter.

      Als eingeschenkt war, begann der Vater ernst: »So, nun möchten wir doch gern mal wissen, was eigentlich mit deiner Frau ist. Oder mit deiner Lebensgefährtin, wie man heute sagt, denn verheiratet seid ihr ja wohl nicht, obwohl ihr ein Kind zusammen habt.«

      »Ja, da sind wir nie draus klug geworden«, bestätigte Monika. »Und jetzt kommst du auch ohne Lizzy. So heißt sie doch?«

      Gerhard nahm erst noch einen Schluck von dem guten Wein, dann holte er tief Atem. »Es wird euch nicht gefallen, was ich euch jetzt erzählen muß. Angelas Mutter ist vor zwei Jahren gegangen.«

      »Was heißt, gegangen?« fragte der Vater barsch.

      »Plötzlich hat sie uns verlassen. Ohne Abschied, ohne Vorbereitung. Sie ließ nur einen Zettel zurück, daß sie nur zur Mutter nicht tauge.«

      »Zur Mutter nicht tauge«, wiederholte Monika entsetzt. »Gibt es denn so etwas? Man läßt doch sein Kind nicht im Stich.«

      »Das sagst du, Mama. Du hast für uns, für deine Familie gelebt. Lizzy war leider ganz anders. Sie wollte ja auch nicht heiraten. Sonst hätte ich unsere Verbindung schon legalisiert, als das Kind kam.« Gerhards Blick verlor sich. »Im Nachhinein betrachtet, war es gut, daß es nicht dazu gekommen ist. Es vereinfachte die Sache.«

      »Aber für dich muß das doch furchtbar gewesen sein«, sagte seine Mutter erregt. »Wie bist du denn nur zurechtgekommen, allein mit einem Kleinkind?«

      »Das ging schon. Ich hatte ein nettes Kindermädchen, das Angela gut versorgte, wenn ich tagsüber nicht da war.«

      »Aber Mutterliebe konnte ihr doch eine fremde Person niemals geben!« rief Monika aus und schlug die Hände zusammen.

      »Die hatte Angela auch vorher schon nicht. Lizzy hat ihr Kind nicht wirklich geliebt. Sie hatte keine Vorstellung davon, was es an Verantwortung mit sich bringen würde. Sie hatte sich gedacht, ein Baby, das wäre so eine Art Spielzeug, mit dem eine hübsche junge Frau herumtändeln könnte. Als sich das als ein Irrtum herausstellte, war kein Auskommen mehr mit ihr.«

      »Du lieber Himmel!« seufzte Monika, und sie blickte nach oben, als könnte der Himmel ihr Antwort geben auf etwas, das ihr Begriffsvermögen überstieg.

      »Da frage ich mich nur«, grollte ihr Mann, der bisher nur schweigend, mit zusammengezogenen Augenbrauen, zugehört hatte, »warum du dich mit so einer Person eingelassen hast.«

      Gerhard hob die Schultern, sein Mund verzog sich zu einem selbstironischen Lächeln. »Hinterher ist man immer klüger«, murmelte er.

      »Das arme, arme Ding«, klagte seine Mutter, und sie schüttelte heftig den Kopf dabei. »Da hätte ich mir für mein erstes Enkelchen doch ein anderes Los gewünscht. Darum ist sie auch so still und unkindlich ernsthaft.«

      »Ach, Angela kann auch ganz lebhaft sein«, nahm Gerhard sein Töchterchen in Schutz. »Sie entwickelt sich ganz normal. Sie ist aufgeweckt und lernt schnell. Ihr müßt bedenken, welche Umstellung das jetzt für sie ist.«

      »Natürlich. Aber trotzdem kann sie einem leid tun.«

      »Jetzt hör auf zu jammern«, warf Arno Schilling ein. »Es gibt Schlimmeres.«

      »Schlimmeres, wenn ein Kind keine Mutter hat?« begehrte seine Frau vorwurfsvoll auf.

      Sie schwiegen. »Und was sind deine weiteren Pläne?« fragte der Vater nach einer Pause ablenkend.

      »Jetzt laß Gerhard doch erst mal zur Ruhe kommen, Arno«, mahnte Monika. »Da muß man ja nicht gleich am ersten Abend drüber reden.«

      »Warum nicht, Mama. Ich habe doch meine


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