Dr. Norden (ab 600) Jubiläumsbox 1 – Arztroman. Patricia Vandenberg
sie wieder lange und zärtlich. »Blick nie mehr zurück, mein Liebes, denk nur an die Zukunft.«
»Wir werden noch viel Mut brauchen, bis alles überstanden ist«, sagte sie stockend.
»Du hast schon sehr viel Mut bewiesen, Kim.«
»Ohne deine Hilfe wäre ich untergegangen, da gibt es nichts zu beschönigen. Ich war wirklich verzweifelt, und ich habe meinen Frust an dir ausgelassen, ausgerechnet an dir.«
»Das ist doch vorbei, denk nicht mehr daran.«
»Ich verdiene dich gar nicht, so ist es.«
»Du wirst mich trotzdem nicht los, wenn du dir auch noch soviel einredest. Ich liebe dich nämlich, und wie sehr.«
Sie küßten sich noch einmal, und Anne Cornelius sagte später zu ihrem Mann, daß Kim Glück hätte, diesen Partner zu haben.
»Er hat auch Glück«, erklärte Johannes Cornelius, »solche Mädchen werden immer seltener.«
Für Constantin war endlich die Stunde gekommen, der er mit brennender Ungeduld entgegengesehen hatte. Er wurde sich nicht bewußt, wie aufgeregt er war, das merkten nur andere, die ihn kannten und für die er immer ein paar Minuten Zeit und ein paar freundliche Worte hatte. An diesem Nachmittag war er mit seinen Gedanken nur bei Conchita. Er hatte regelrechte Angst ausgestanden, daß die nicht kommen würde.
Doch nun kam sie, hinreißend anzusehen. Ein anderer Ausdruck fiel ihm nicht ein.
»Sie sind hier«, sagte er, und allein das klang schon wie eine Liebeserklärung.
»Ich bin hier«, erwiderte Conchita, »es war gar nicht einfach, einen Parkplatz zu finden.«
»Hätten Sie mich rufen lassen, ich hätte Ihren Wagen in die Tiefgarage gefahren.«
Sie sah ihn nachdenklich an. »Sie sind ein seltsamer Mann, Constantin, aus Ihnen werde ich wirklich nicht klug.«
»Was gibt Ihnen Rätsel auf?«
»Daß Sie so tun, als sei ich wichtig für Sie.«
»Ich tue nicht so, Sie sind wichtig für mich. Sie sind die erste Frau, die eine Bedeutung für mich hat, das müßten Sie doch eigentlich spüren. Ich habe nie etwas Ähnliches zu einer Frau gesagt, das ist kein Gerede. Ich habe nie gedacht, daß ich je so empfinden könnte, es war Liebe auf den ersten Blick, Conchita.«
Sie war tatsächlich aus der Fassung gebracht. Damit hatte sie nicht gerechnet. Eigentlich hatte sie gedacht, daß er nur an ihrer äußeren Erscheinung interessiert sei.
»Ihre Bilder sind realistisch«, sagte sie stockend. »Und so habe ich Sie auch eingeschätzt.«
»Aber Ihnen hat ›Illusion‹ gefallen, weil es Sehnsucht ausdrückt«, sagte er.
»Wie genau Sie das erkannt haben! Eigentlich sind Sie doch ein Mann, der keine Illusionen hat.«
»Aber Träume. Hat nicht jeder Mensch Träume?«
»Sie gehen selten in Erfüllung.«
»Manchmal vielleicht doch.«
»Sind Sie oft von Frauen enttäuscht worden?«
»Nein, weil ich mich nie mit Frauen befaßt habe. Wenn Sie jetzt sagen, daß Sie lieber wieder gehen möchten, wäre ich tief enttäuscht und mehr als das, es würde sehr weh tun.«
»Ich gehe nicht. Ich bin gekommen, um Sie kennenzulernen. Ich habe mich auch noch nie intensiv für einen Mann interessiert, aber ich bin von einem sehr enttäuscht worden.«
»Haben Sie ihn geliebt?«
»Ja, sehr, es handelt sich um meinen Vater. Er hat meine Mutter verlassen wegen einer anderen Frau. Ich möchte niemals so verlassen werden. Er hat meine Mutter zerstört.«
»Ich würde Ihnen niemals weh tun«, sagte Constantin leise.
»Wir werden sehen.«
Er ergriff spontan ihre Hände. »Deswegen gefällt Ihnen ›Illusion‹ so gut.«
»Es hat mich tief beeindruckt.«
»Ich möchte es Ihnen schenken.«
»Ich weiß, daß Ihnen fünfzigtausend Euro dafür geboten wurden.«
»Von einem Spekulanten, der keine Ahnung hat, was es aussagt und nur daran denkt, was meine Bilder eines Tages wert sein könnten. Ich denke darüber nicht nach. Geld hat für mich nur eine untergeordnete Bedeutung. Das Bild gehört Ihnen.«
»Das kann ich nicht annehmen.«
»O doch, das können Sie. Sie haben etwas in mir geweckt, aus verborgenen Tiefen geholt und zum Klingen gebracht, das mich beflügelt. Ich weiß, daß jetzt der richtige Durchbruch für mich kommt. Sie sind meine Muse, wenn Sie es sein wollen, Conchita.«
In ihren Augen war ein geheimnisvolles Leuchten, als sie ihn ansah. »Ich möchte gern das für Sie sein, was Sie in mir sehen, Constantin. Ich habe das Gefühl, noch niemals so von einem Menschen verstanden worden zu sein.«
Er zog sie sanft zu sich heran und umschloß ihre Schultern mit festem Griff.
»Weil wir vom Schicksal füreinander bestimmt sind«, sagte er mit dunkler Stimme.
Sie lehnte die Stirn an seine Schulter.
»Ich habe es gefühlt, daß das Bild für mich eine tiefe Bedeutung hat, daß da ein Mensch ist, der ebenso empfindet wie ich. Und dann standest du plötzlich vor mir, Constantin Meyring, so unerwartet, und ich wußte, daß dieser Tag mein Leben verändert.« Sie blickte mit verklärtem Ausdruck zu ihm auf und war so wunderschön in diesem Augenblick, daß ihm der Atem stockte.
»Bitte bleib so stehen, ich muß das festhalten«, sagte er und griff schon nach seinem Skizzenblock.
»Du bist mein lebendig gewordener Traum«, sagte er leise, während er mit kräftigen Strichen ihr Antlitz auf dem Block festhielt, mit diesem verträumten Ausdruck, dem zärtlichen Lächeln. Er wußte, daß es der Anfang einer großen Liebe war, von der er überwältigt wurde.
»Jetzt brauche ich wohl gar nicht mehr Modell zu sitzen?« fragte sie, als er den Block zur Seite legte.
»O doch, aber diese Skizze und das Bild, das daraus entstehen wird, gehört nur mir. Niemand sonst wird es sehen.«
»Ich auch nicht?« fragte sie lächelnd.
»Das könnte die Ausnahme sein. Weißt du, wie schön du bist?«
»Du Schmeichler, du geheimnist etwas in mich hinein. – Aber vielleicht hast du auch etwas in mir geweckt«, fuhr sie nach einem kurzen Atemholen fort.
»Es ist Liebe«, sagte er leise und küßte sie.
*
Das Läuten des Telefons riß sie aus ihrer zärtlichen Zweisamkeit. Constantin seufzte schwer, erhob sich dann aber doch.
»Es könnte Kim sein«, sagt er, »Kim ist meine Schwester«, fügte er hastig hinzu, als sich Conchitas Augen weiteten.
Aber es war nicht Kim sondern Ulrike, und sie hatte den ungünstigsten Zeitpunkt erwischt.
»Ich habe jetzt keine Zeit«, fuhr er sie unwillig an. »Ruf später noch mal an.«
»Ich habe meine Zeit nicht gestohlen, ich komme jetzt zu dir«, sagte sie. Bevor er etwas erwidern konnte, hatte sie aufgelegt.
»Ich muß dir jetzt etwas erklären, etwas sehr Unangenehmes. Es hat mit dem Fisch zu tun, aber vielleicht kannst du mir einen Rat geben. Ich habe es gespürt, daß du Intuitionen hast. Es wird jetzt gleich eine Frau erscheinen, eine gefährliche Frau, die meine Schwester in eine so mißliche Lage gebracht hat, daß Kim krank wurde. Hoffentlich reicht die Zeit, es dir in kurzen Worten zu schildern.«
»Dann halte dich nicht bei der Vorrede auf«, sagte Conchita.
Sie unterbrach ihn nicht, aber ihr