Geschichte des dreißigjährigen Krieges. Friedrich Schiller

Geschichte des dreißigjährigen Krieges - Friedrich Schiller


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werden; er brauchte also den Beistand des Reichs, und der Religionsfriede allein hielt das getheilte Reich noch in einem Körper zusammen. Das ökonomische Bedürfniß machte ihm die Protestanten nicht weniger nöthig, als die Katholischen, und legte ihm also auf, beide Theile mit gleicher Gerechtigkeit zu behandeln, welches bei so sehr widerstreitenden Forderungen ein wahres Riesenwerk war. Auch fehlte viel, daß der Erfolg seinen Wünschen entsprochen hätte: seine Nachgiebigkeit gegen die Protestanten hatte bloß dazu gedient, seinen Enkeln den Krieg aufzuheben, der sein sterbendes Auge verschonte. Nicht viel glücklicher war sein Sohn Maximilian, den vielleicht nur der Zwang der Umstände hinderte, dem vielleicht nur ein längeres Leben fehlte, um die neue Religion auf den Kaiserthron zu erheben. Den Vater hatte die Notwendigkeit Schonung gegen die Protestanten gelehrt; die Notwendigkeit und die Billigkeit dictierten sie seinem Sohne. Der Enkel büßte es theuer, daß er weder die Billigkeit hörte, noch der Notwendigkeit gehorchte.

      Sechs Söhne hinterließ Maximilian, aber nur der älteste von diesen, Erzherzog Rudolph, erbte seine Staaten und bestieg den kaiserlichen Thron; die übrigen Brüder wurden mit schwachen Apanagen abgefunden. Wenige Nebenländer gehörten einer Seitenlinie an, welche Karl von Steyermark, ihr Oheim, fortführte; doch wurden auch diese schon unter Ferdinand dem Zweiten, seinem Sohne, mit der übrigen Erbschaft vereinigt. Diese Länder also ausgenommen versammelte sich nunmehr die ganze ansehnliche Macht des Hauses Oesterreich in einer einzigen Hand, aber zum Unglück in einer schwachen.

      Rudolph der Zweite war nicht ohne Tugenden, die ihm die Liebe der Menschen hätten erwerben müssen, wenn ihm das Loos eines Privatmannes gefallen wäre. Sein Charakter war mild, er liebte den Frieden, und den Wissenschaften – besonders der Astronomie, Naturlehre, Chemie und dem Studium der Antiquitäten – ergab er sich mit einem leidenschaftlichen Hange, der ihn aber zu einer Zeit, wo die bedenkliche Lage der Dinge die angestrengteste Aufmerksamkeit heischte und seine erschöpften Finanzen die höchste Sparsamkeit nöthig machten, von Regierungsgeschäften zurückzog und zu einer höchst schädlichen Verschwendung reizte. Sein Geschmack an der Sternkunst verirrte sich in astrologische Träumereien, denen sich ein melancholisches und furchtsames Gemüth, wie das seinige war, so leicht überliefert. Dieses und eine in Spanien zugebrachte Jugend öffnete sein Ohr den schlimmen Ratschlägen der Jesuiten und den Eingebungen des spanischen Hofs, die ihn zuletzt unumschränkt beherrschten. Von Liebhabereien angezogen, die seines großen Postens so wenig würdig waren, und von lächerlichen Wahrsagungen geschreckt, verschwand er nach spanischer Sitte vor seinen Unterthanen, um sich unter seinen Gemmen und Antiken, in seinem Laboratorium, in seinem Marstalle zu verbergen, während daß die gefährlichste Zwietracht alle Bande des deutschen Staatskörpers auflöste und die Flamme der Empörung schon anfing, an die Stufen seines Thrones zu schlagen. Der Zugang zu ihm war Jedem ohne Ausnahme versperrt; unausgefertigt lagen die dringendsten Geschäfte; die Aussicht auf die reiche spanische Erbschaft verschwand, weil er unschlüssig blieb, der Infantin Isabella seine Hand zu geben; dem Reiche drohte die fürchterlichste Anarchie, weil er, obgleich selbst ohne Erben, nicht dahin zu bringen war, einen römischen König erwählen zu lassen. Die österreichischen Landstände sagten ihm den Gehorsam auf, Ungarn und Siebenbürgen entrissen sich seiner Hoheit, und Böhmen säumte nicht lange, diesem Beispiel zu folgen. Die Nachkommenschaft des so gefürchteten Karls des Fünften schwebte in Gefahr, einen Theil ihrer Besitzungen an die Türken, den andern an die Protestanten zu verlieren und unter einem furchtbaren Fürstenbund, den ein großer Monarch in Europa gegen sie zusammenzog, ohne Rettung zu erliegen. In dem Innern Deutschlands geschah, was von jeher geschehen war, wenn es dem Thron an einem Kaiser, oder dem Kaiser an einem Kaisersinne fehlte. Gekränkt oder im Stich gelassen von dem Reichsoberhaupt, helfen die Stände sich selbst, und Bündnisse müssen ihnen die fehlende Autorität des Kaisers ersetzen. Deutschland theilt sich in zwei Unionen, die einander gewaffnet gegenüberstehen; Rudolph, ein verachteter Gegner der einen und ein ohnmächtiger Beschützer der andern, steht müßig und überflüssig zwischen beiden, gleich unfähig, die erste zu zerstreuen und über die andere zu herrschen. Was hätte auch das deutsche Reich von einem Fürsten erwarten sollen, der nicht einmal vermögend war, seine eigenen Erbländer gegen einen innerlichen Feind zu behaupten? Den gänzlichen Ruin des österreichischen Geschlechts aufzuhalten, tritt sein eigenes Haus gegen ihn zusammen, und eine mächtige Faktion wirft sich seinem Bruder in die Arme. Aus allen seinen Erbstaaten vertrieben, bleibt ihm nichts mehr zu verlieren, als der Kaiserthron, und der Tod reißt ihn noch eben zeitig genug weg, um ihm diese letzte Schande zu ersparen.

      Deutschlands schlimmer Genius war es, der ihm gerade in dieser bedenklichen Epoche, wo nur eine geschmeidige Klugheit und ein mächtiger Arm den Frieden des Reichs retten konnte, einen Rudolph zum Kaiser gab. In einem ruhigern Zeitpunkt hätte der deutsche Staatskörper sich selbst geholfen, und in einer mystischen Dunkelheit hätte Rudolph, wie so viele Andre seines Ranges, seine Blößen versteckt. Das dringende Bedürfniß der Tugenden, die ihm fehlten, riß seine Unfähigkeit ans Licht. Deutschlands Lage forderte einen Kaiser, der durch eigne Hilfsmittel seinen Entscheidungen Gewicht geben konnte, und die Erbstaaten Rudolphs, so ansehnlich sie auch waren, befanden sich in einer Lage, die den Regenten in die äußerste Verlegenheit setzte.

      Die österreichischen Prinzen waren zwar katholische Fürsten, und noch dazu Stützen des Papstthums; aber es fehlte viel, daß ihre Länder katholische Länder gewesen wären. Auch in diese Gegenden waren die neuen Meinungen eingedrungen, und begünstigt von Ferdinands Bedrängnissen und Maximilians Güte, hatten sie sich mit schnellem Glück in denselben verbreitet. Die österreichischen Länder zeigten im Kleinen, was Deutschland im Großen war. Der größere Theil des Herren- und Ritterstandes war evangelisch, und in den Städten hatten die Protestanten bei weitem das Uebergewicht errungen. Nachdem es ihnen geglückt war, Einige aus ihrem Mittel in die Landschaft zu bringen, so wurde unvermerkt eine landschaftliche Stelle nach der andern, ein Collegium nach dem andern mit Protestanten besetzt und die Katholiken daraus verdrängt. Gegen den zahlreichen Herren- und Ritterstand und die Abgeordneten der Städte war die Stimme weniger Prälaten zu schwach, welche das ungezogene Gespötte und die kränkende Verachtung der Uebrigen noch vollends von dem Landtage verscheuchte. So war unvermerkt der ganze österreichische Landtag protestantisch, und die Reformation that von jetzt an die schnellsten Schritte zu einer öffentlichen Existenz. Von den Landständen war der Regent abhängig weil sie es waren, die ihm die Steuern abschlagen und bewilligen konnten. Sie benutzten die Geldbedürfnisse, in denen sich Ferdinand und sein Sohn befanden, eine Religionsfreiheit nach der andern von diesen Fürsten zu erpressen. Dem Herren- und Ritterstand gestattete endlich Maximilian die freie Ausübung ihrer Religion, doch nur auf ihren eigenen Territorien und Schlössern. Der unbescheidene Schwärmereifer der evangelischen Prediger überschritt dieses von der Weisheit gesteckte Ziel. Dem ausdrücklichen Verbot zuwider ließen sich mehrere derselben in den Landstädten und selbst zu Wien öffentlich hören, und das Volk drängte sich schaarenweise zu diesem neuen Evangelium, dessen beste Würze Anzüglichkeiten und Schimpfreden ausmachten. So wurde dem Fanatismus eine immerwährende Nahrung gegeben und der Haß beider einander so nahestehenden Kirchen durch den Stachel ihres unreinen Eifers vergiftet.

      Unter den Erbstaaten des Hauses Oesterreich war Ungarn nebst Siebenbürgen die unsicherste und am schwersten zu behauptende Besitzung. Die Unmöglichkeit, diese beiden Länder gegen die nahe und überlegene Macht der Türken zu behaupten, hatte schon Ferdinanden zu dem unrühmlichen Schritte vermocht, der Pforte durch einen jährlichen Tribut die oberste Hoheit über Siebenbürgen einzugestehen – ein schädliches Bekenntniß der Ohnmacht und eine noch gefährlichere Anreizung für den unruhigen Adel, wenn er Ursache zu haben glaubte, sich über seinen Herrn zu beschweren. Die Ungarn hatten sich dem Hause Oesterreich nicht unbedingt unterworfen. Sie behaupteten die Wahlfreiheit ihrer Krone und forderten trotzig alle ständischen Rechte, welche von dieser Wahlfreiheit unzertrennlich sind. Die nahe Nachbarschaft des türkischen Reichs und die Leichtigkeit, ungestraft ihren Herrn zu wechseln, bestärkte die Magnaten noch mehr in diesem Trotze; unzufrieden mit der österreichischen Regierung, warfen sie sich den Osmanen in die Arme; unbefriedigt von diesen, kehrten sie unter deutsche Hoheit zurück. Der öftere und rasche Uebergang von einer Herrschaft zur andern hatte sich auch ihrer Denkungsart mitgetheilt; ungewiß, wie ihr Land zwischen deutscher und ottomanischer Hoheit schwebte, schwankte auch ihr Sinn zwischen Abfall und Unterwerfung. Je unglücklicher


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