Der neue Sonnenwinkel Staffel 1 – Familienroman. Michaela Dornberg

Der neue Sonnenwinkel Staffel 1 – Familienroman - Michaela Dornberg


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Bambi kicherte. »Und, Mami, weißt du, was das Allerschönste ist? Sie will es mir doch tatsächlich abkaufen, wenn die Aufführung vorüber ist. Oder sie will zu uns kommen und dich bitten, ihr auch so ein Kleid zu nähen. Sie sagt, dass das total couturig ist. Ist das nicht toll, Mami?«

      Nun kam über die offene Terrassentür Jonny hereingeschossen, um Bambi zu begrüßen. Die Beiden waren halt ein Herz und eine Seele, und obschon Jonny bereits ein betagter Hundeherr war, benahm er sich manchmal noch wie ein Welpe, ganz besonders, wenn er sich freute. Und so kam es, dass er gegen einen Stuhl rannte, der umstürzte.

      Das lockte auch Professor Auerbach herbei, der neugierig aus seinem Arbeitszimmer kam und sich erkundigte: »Was ist denn hier los?«

      Bambi wiederholte das ­Be­grüßungszeremoniell auch bei ihrem Vater, der sich das lächelnd gefallen ließ.

      »Papi, du wirst es nicht glauben. Die Mami wird berühmt, so was wie der Karl Lagerfeld.«

      Dann erzählte sie auch ihrem Vater, was sie ihrer Mutter schon berichtet hatte.

      Und Jonny stupste sie nacheinander alle drei an, um auf diese Weise zu demonstrieren, dass er auch noch da war.

      Als sich die Aufregung um das rote Samtkleid wieder gelegt hatte, rief Bambi ganz­ enthusiastisch aus: »Ihr glaubt überhaupt nicht, wie glücklich es mich macht, dass Ihr euch entschlossen habt, nach den drei Großen noch ein Kind zu bekommen. Ich liebe meine Geschwister ja über alles, doch ich genieße es, als Nesthäkchen eure ganze Aufmerksamkeit für mich allein zu haben.«

      Sie umarmte ihre Eltern abwechselnd noch einmal ganz stürmisch.

      »Ich habe die allerbesten Eltern der Welt, und ich bin der glücklichste Mensch auf der Welt. Es ist ganz wundervoll, eine Auerbach zu sein.«

      Als habe sie bereits zu viel gesagt, rief sie: »Jonny, komm, wir gehen jetzt hinüber zu den Großeltern, die müssen auch erfahren, was für eine tolle Frau die Mama ist.«

      Sie lachte, und wenn sie das tat, dann wurde einem ganz warm ums Herz. Da hatte man das Gefühl, die Sonne ginge auf.

      Heute war das Lächeln sowohl von Professor Auerbach als auch seiner Frau ein wenig gequält, doch das bekam ­Bambi schon überhaupt nicht mehr mit, weil sie, gemeinsam mit Jonny, der nicht von ihrer Seite wich, auf dem Weg zu den­ Großeltern war, die prak­tischerweise gleich nebenan wohnten.

      Als sie sich sicher sein konnten, dass Bambi nichts mehr mitbekommen würde, wandte Inge sich an ihren Mann, der auch ziemlich ratlos und betroffen dreinblickte.

      »Werner, ich dachte eben, mein Herz müsse stehen bleiben. Mit welcher Selbstverständlichkeit sie annimmt, unser jüngstes Kind, ein gewollter Nachzügler zu sein.«

      Werner Auerbach nahm seine Frau in den Arm.

      »Liebes, sie weiß es nicht anders, weil wir ihr die Wahrheit nie gesagt haben und auch Jörg, Ricky und Hannes dicht hielten.«

      »Aber wir können sie nicht länger belügen. Je mehr Zeit vergeht, umso schlimmer wird es. Ich habe eine panische Angst davor, sie könnte es von einem Außenstehenden erfahren. Das wäre eine Katastrophe.«

      Er versuchte, seine Frau zu beruhigen.

      »Dazu wird es nicht kommen. Es weiß doch niemand, nur die vom Amt, und die ­unterliegen der Schweigepflicht. Also beruhige dich bitte, mein Liebes. Aber das war jetzt wieder mal eine Situation, die auch mir klargemacht hat, dass wir nicht länger schweigen, es nicht länger hinausschieben dürfen. Bei nächster Gelegenheit müssen wir es Bambi sagen, und ich bete schon jetzt zu Gott, dass Er uns dann die richtigen Worte finden lässt.«

      »Wir sollten es unter Umständen im großen Familienkreis tun, und Jörg, Ricky und Hannes dabeihaben. Die sind unverkrampfter als wir und können Bambi bei der Gelegenheit auch sagen, wie sehr sie sie lieben, immer geliebt haben, und wie glücklich sie doch waren, auf einmal eine so niedliche kleine Schwester zu haben.«

      Ehe der Professor dazu etwas sagen konnte, wurde es laut. Bambi und Jonny kamen zurück.

      »Die Großeltern sind nicht daheim«, sagte Bambi ganz enttäuscht. »Dann müssen sie es halt später erfahren. Aber ich habe einen Bärenhunger, Mami. Was gibt es denn heute Schönes zu essen?«

      Inge verriet es ihr, und als Werner sich wieder in sein ­Arbeitszimmer zurückziehen wollte, bat sie ihn, gleich zu bleiben.

      Dagegen konnte er nichts machen, um nicht auffällig zu werden. Bambi war eine sehr gute Beobachterin, vor allem war sie ein sehr intuitiver Mensch und bekam die kleinsten Stimmungsschwankungen mit.

      Ihm wäre es schon recht gewesen, sich zunächst einmal in seinem Allerheiligsten ein wenig sammeln zu können.

      Er war ein Mann, der in der Regel sehr entscheidungs­freudig war, der wusste, wo es längs ging, der international bekannt war und sehr geschätzt wurde.

      Das mit Bambi überforderte ihn, zumal sich die Gelegenheiten häuften, in denen er und Inge sich darüber unterhielten. Und auch die Großen erwähnten es immer wieder.

      Na klar mussten sie es ihr irgendwann sagen.

      Denn eine Geburtsurkunde konnte man nicht ein Leben lang unterschlagen. Das wäre schön, und gäbe es die Möglichkeit, würde er sie auch ergreifen.

      Bambi hakte sich bei ihm ein.

      »Papi, stimmt etwas nicht? Hast du Probleme? Kann ich dir helfen?«, erkundigte sie sich.

      Ihre liebevolle Art, ihre Arglosigkeit, zerrissen ihn fast. »Ach, nichts Wichtiges. Ich habe da in einer Sache ein wissenschaftliches Problem, das ich noch lösen muss.«

      Sie lächelte ihn an.

      »Dabei kann ich dir leider noch nicht helfen, Papi«, sagte Bambi ganz ernsthaft. »Da musst du noch ein paar Jahre warten, bis ich das Abitur gemacht und studiert habe und in deine Fußstapfen treten werde. Welch ein Glück, dass ich deine Gene geerbt habe, wenigstens eines von deinen Kindern.«

      Es stimmte.

      Bambi war in den naturwissenschaftlichen Fächern unschlagbar.

      Aber das jetzt, das war mehr als er ertragen konnte. Mochte es feige sein, und gemein war es auch, weil er Inge das Heft in die Hand gab.

      Er strich Bambi die wilden Locken aus dem Gesicht, dann drückte er ihr einen Kuss auf die Stirn, und seine Stimme klang ganz rau, als er sagte: »Ich hätte keine Ruhe, esst schon mal ohne mich.«

      Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte er sich abrupt um und rannte förmlich in sein Arbeitszimmer.

      Unglücklich blickte Inge ihrem Mann nach.

      Das bekam Bambi natürlich mit, sie schmiegte sich ganz fest in die Arme ihrer Mutter.

      »Ach, Mami, so ist er halt, der Papi – seine Arbeit ist ihm halt sehr wichtig. Und das ist ja auch gut so, denn sonst ginge es uns nicht so gut. Wir haben alles und können sehr glücklich sein, dass es so ist. Mami, dann essen wir zwei eben allein. Ich erzähle dir alles von der Probe, da ist nämlich noch eine ganze Menge passiert. Und so was ­interessiert unseren Papi eh nicht, er ist halt ein zerstreuter Professor, der nur seine Arbeit im Sinn hat … aber ich habe unseren Professor-Papi ganz doll lieb, und dich natürlich auch.«

      Wenig später saßen sie am Küchentisch und aßen, und Bambi plauderte ohne Unterlass, sie war so sehr dabei, dass sie überhaupt nicht mitbekam, wie einsilbig ihre Mutter war.

      Sie mussten es Bambi endlich sagen!

      Das war der Gedanke, der Inge in erster Linie beschäftigte und quälte.

      Sie waren gerade mit ihrem Essen fertig, als es draußen an der Tür klingelte.

      Es war Manuel Münster, der unbedingt etwas mit Bambi ­besprechen wollte. Obwohl er ein wenig älter war und noch dazu ein Junge, die in diesem Alter ziemlich schwierig waren, mochten die beiden sich gern und waren sehr gute Freunde.

      Inge merkte, dass sie Kopfschmerzen bekam, deswegen bereitete sie


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