Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac
gezierte Unterhaltung und lächelte stets mit dem Lächeln, mit dem er früher die schönen Damen, die zu ihm kamen, an der Tür seines Ladens empfing. Auf seinem Schädel zeichnete sich, scharf abgezirkelt, ein schneeiger Halbmond von Puder ab, an den sich zwei Flügellocken anschlossen, zwischen denen ein kleiner, von einem Bande zusammengehaltener Zopf herabhing. Er trug einen kornblumenblauen Rock, weiße Weste, seidene Beinkleider und Strümpfe, Schuhe mit goldenen Schnallen und schwarzseidene Handschuhe. Besonders charakteristisch war an ihm, daß er auf der Straße den Hut in der Hand hielt. Er sah aus wie ein Bote der Pairskammer, wie ein Türsteher des königlichen Kabinetts, wie einer von den Leuten, die ihre Position so nahe bei irgendeiner leitenden Stelle haben, daß ein Abglanz davon auch auf sie fällt, die aber an sich wenig zu bedeuten haben.
»Nun, Birotteau,« sagte er hoheitsvoll, »tut es dir leid, daß du damals uns gefolgt bist? Haben wir jemals an der Erkenntlichkeit unsres geliebten Herrscherhauses gezweifelt?«
»Sie müssen doch sehr glücklich sein, mein liebes Kind«, sagte Frau Ragon zu Frau Birotteau.
»Aber gewiß«, antwortete die schöne Parfümhändlerin, die ständig unter dem Zauber des Stockschirms, der Hauben mit Schmetterlingsflügeln, der engen Ärmel und des großen Fichus à la Julia stand, die Frau Ragon trug.
»Cäsarine ist reizend; kommen Sie her, mein liebes Kind«, sagte Frau Ragon mit ihrer Kopfstimme und ihrem Beschützertone.
»Schließen wir das Geschäft vor dem Essen ab?« sagte der Onkel Pillerault.
»Wir warten auf Herrn Claparon,« sagte Roguin, »er zog sich schon an, als ich ihn verließ.«
»Sie haben ihm doch gesagt,« sagte Cäsar, »daß wir in diesem schlechten Zwischengeschoß essen müssen?«
»Vor sechzehn Jahren fand er es wundervoll«, murmelte Konstanze leise.
»Mitten zwischen Schutt und Arbeitern.«
»Ach, Sie werden sehen, daß er ein guter Kerl und leicht zufriedenzustellen ist«, sagte Roguin.
»Ich habe angeordnet, daß Raguet im Laden aufpaßt, man kann nicht mehr durch die Tür gehen, es ist schon alles eingerissen, wie Sie gesehen haben«, sagte Cäsar zu dem Notar.
»Warum haben Sie Ihren Neffen nicht mitgebracht?« fragte Pillerault Frau Ragon.
»Werden wir ihn nicht sehen?« sagte Cäsarine.
»Nein, mein Herz«, antwortete Frau Ragon. »Anselm, das gute Kind, wird sich noch zu Tode arbeiten. Und diese Straße ohne Luft und Licht, diese übelriechende Rue des Cinq-Diamants macht mir Angst; der Rinnstein sieht immer blau, grün oder schwarz aus. Ich fürchte, daß er sich dort zugrunde richtet. Aber wenn sich die jungen Leute etwas in den Kopf gesetzt haben!« sagte sie zu Cäsarine und deutete dabei an, daß das Wort »Kopf« das Wort »Herz« bedeuten solle.
»Hat er seinen Mietvertrag abgeschlossen?« fragte Cäsar.
»Gestern schon, und vor dem Notar«, versetzte Ragon. »Er hat ihn auf achtzehn Jahre durchgesetzt, soll aber ein halbes Jahr vorauszahlen.«
»Nun, Herr Ragon, sind Sie mit mir zufrieden?« bemerkte der Parfümhändler. »Ich habe ihm, kurz gesagt, das Geheimnis meiner Erfindung mitgeteilt …«
»Wir kennen dich ja in- und auswendig, Cäsar«, sagte der kleine Ragon und ergriff Cäsars Hände, die er mit innigem Freundschaftsdruck preßte.
Roguin war in ziemlicher Unruhe darüber, wie Claparon auftreten würde, dessen Ton und Manieren die ehrsamen Bourgeois leicht erschrecken konnte; er hielt es deshalb für nötig, die Geister vorzubereiten.
»Sie werden«, sagte er zu Ragon, Pillerault und den Damen, »ein Original zu sehen bekommen, das seine Tüchtigkeit hinter erschreckend schlechten Manieren verbirgt; er hat sich nämlich aus einer sehr untergeordneten Stellung durch seine Findigkeit in die Höhe gearbeitet. Da er in Bankierkreisen verkehrt, wird er sicherlich bald bessere Manieren sich aneignen. Sie können ihn auf dem Boulevard oder im Café in unordentlicher Kleidung herumlungern oder Billard spielen sehen; er macht dann den Eindruck eines richtigen Bummlers … Aber das ist er durchaus nicht; er macht dann Studien, er denkt darüber nach, wie man die Industrie durch neue Pläne umgestalten könne.«
»Ich kenne das,« sagte Birotteau; »mir sind meine besten Ideen beim Spazierengehen gekommen, nicht wahr, mein Kind?«
»Claparon«, fuhr Roguin fort, »bringt dann nachts die auf das Nachdenken verwendete Zeit wieder ein. Alle diese sehr begabten Leute führen ein absonderliches, nicht zu erklärendes Leben. Aber bei all seiner Zerfahrenheit erreicht er doch, das kann ich bezeugen, sein Ziel; er hat es durchgesetzt, daß alle unsere Terrainbesitzer nachgegeben haben; sie wollten erst nicht, sie waren mißtrauisch geworden; da hat er sie auf eine falsche Fährte gebracht, hat sie kirre gemacht, indem er sie täglich aufsuchte, und nun sind wir Herren des Terrains.«
Ein eigenartiges Räuspern, wie es die Verehrer von Kognak und starken Likören an sich haben, kündigte die Ankunft dieser merkwürdigsten Person unsrer Erzählung, die sichtlich die Entscheidung über Cäsars künftiges Geschick in der Hand hatte, an. Der Parfümhändler eilte zu der kleinen dunklen Treppe, um Raguet zu sagen, daß er den Laden schließen könne, und sich bei Claparon zu entschuldigen, daß er ihn im Speisezimmer empfangen müsse.
»Aber ich bitte, das ist doch hier sehr nett, um Gemüse zu … um Geschäfte, wollte ich sagen, abzumachen.«
Trotz der geschickten Vorbereitung Roguins empfingen die Ragons, diese Bourgeois mit guten Manieren, der scharf beobachtende Pillerault, Cäsarine und ihre Mutter zuerst einen ziemlich peinlichen Eindruck von diesem angeblichen Bankier der vornehmen Kreise.
Bei einem Alter von etwa achtundzwanzig Jahren besaß dieser ehemalige Reisende nicht ein Haar mehr auf dem Kopfe und trug eine Perücke mit Korkzieherlocken. Diese Haartracht paßt zu jungfräulicher Frische, zu einem durchsichtigen hellen Teint, dem entzückendsten weiblichen Reize; sie paßte daher sehr übel zu einem finnigen, braunroten, wie das eines Postillions erhitzten Gesicht, dessen frühzeitige Runzeln durch die Verzerrungen ihrer tiefen überschmierten Falten auf ein liederliches Leben schließen ließen, dessen Folgen noch in dem schlechten Zustande der Zähne und den über die rauhe Haut verstreuten schwarzen Flecken sich geltend machten. Claparon sah aus wie ein Provinzkomödiant, der alle Rollen spielen kann, sich