G.F. Barner 1 – Western. G.F. Barner
Claydons, die Narbe des Mannes, die schiefstehende Schulter.
»Er war nur leichtsinnig«, sagte Trevor Langley leise – und er war zum letztenmal Joe Brian Flint, der Mann, der Lügengeschichten erzählen konnte, ohne rot zu werden. »Er half mir, als er wußte, daß sie seinen Vater bestehlen wollten. Er riskierte sein Leben, damit ich mit ihm herreiten und den Überfall verhindern konnte. Er riskierte zuviel, der Junge. Er starb, und er sagte, er wäre so gern zu Hause gestorben, Mr. Claydon. Das sagte er – er wollte seinen Vater nicht bestehlen lassen.«
»Der – der Junge«, hörte er den Alten tonlos flüstern. »Der gute Junge.«
Fort, dachte Langley, nur weg hier. Mein Bein schmerzt, ich kann kaum noch stehen. Dieser alte Mann – jetzt ist er ruhig und hat eine gute Erinnerung an Mikel. Manchmal muß man lügen, damit ein Vater nicht vor Gram stirbt. Er soll es ruhig denken und in Mikel einen Helden sehen.
Langley ging fort, vorbei an den Corrals. Einen Moment noch dachte er an Sullivan, der dorthin geritten war, wo Brad Harris auf ihn wartete, an den einzigen Platz, an dem er Maultiere stehlen konnte, um das Silber zu holen. Die Falle war zugeklappt, das Spiel war vorbei.
Licht schien in den Hof – Helligkeit, in der sich einige Schatten bewegten. Licht fiel aus der Tür des Hauses. Das Mädchen stand neben der Tür. Vorhin hatte es oben am Rand des Bacheinschnittes gestanden und gehört, was Flint Sullivan zu sagen hatte. Jetzt stand es hier und sah den Mann kommen. Der Mann zog sein linkes Bein nach und blieb vor der Tür stehen.
»Hallo«, sagte Trevor Langley matt. »Miss Caroll…«
Sie sah ihn an und schluckte schwer.
»Marshal! Wenn es einen Flint gegeben hätte – er hätte sich selber niemals besser spielen können. Flint, der Bandit, Flint, der Mann mit den hundert Geschichten. Eine von diesen hundert Geschichten, Marshal Langley, eine hätte wahr sein können, nur diese eine. Was war der Grund, die Kutsche zu überfallen, Marshal? Was war der wahre Grund?«
»Socorro«, murmelte Langley. »Socorro – die Zigeunerin, Miss Caroll. In Socorro las eine Zigeunerin zwei Brüdern das Schicksal aus der Hand. Das war keine Geschichte Joe Brian Flints. Ich wollte, es wäre eine gewesen, dann lebte mein Bruder John heute noch. Er starb, wie es die Zigeunerin gesagt hatte – genauso. Und ich – ich traf mein Schicksal, nicht Flint, Caroll. Wenn du willst, kannst du mir diesen Ring geben. Ich denke, dein Vater hat ihn genommen – oder? Es war kein Spaß, als ich sagte, daß ich ihn tragen würde, wo immer ich sei und den Rest meines Lebens. Du hast ihn hier, wie?«
»Hier«, flüsterte sie. »Hier, an meiner Hand, Trevor. Ich werde niemals Trevor zu dir sagen, Marshal. Du bleibst Joe, Joe Brian Flint für mich. Hier ist der Ring – und wenn ich dein Schicksal bin, dann bist du meins, Joe. Ich habe mich nicht in Trevor Langley verliebt, verstehst du? Der Mann hieß Joe Brian Flint, den Mann liebe ich, wenn du verstehst, was ich meine, oder muß ich Trevor zu dir sagen?«
»No«, sagte er, er lächelte, als sie auf ihn zukam und sich an ihn lehnte. »No, Caroll. Für dich werde ich Joe Brian Flint sein.«
– E N D E –
Es gibt wenige Dinge, die einen Mann wie Trevor Joslyn aufregen können, aber diese Sache tut es.
Während er mit dem geübten Blick eines Mannes, der viel im Sattel ist, den Himmel betrachtet, entdeckt er weit hinten die beiden noch kleinen Punkte und macht sie sofort als Aasgeier aus.
Die Geier kreisen. Ein Zeichen, dass sie Beute entdeckt haben. Und Joslyn fragt sich in diesem Augenblick, während er auf San Antonio in Texas zureitet, ob er dort unter den Geiern seine Männer finden wird. Dann schüttelt er den Kopf, aber dieses Kopfschütteln vertreibt nicht die finstere Ahnung in ihm.
Irgendetwas wird mit Saguaro, Eddy und Tonio passiert sein. Sie müssten längst wieder an der Herde ihre Arbeit tun, denn sie wissen alle drei, dass jede Hand gebraucht wird. Und nichts ist ihrer Art fremder, als sich vor irgendeiner Arbeit zu drücken.
»Ich«, sagt Trevor Joslyn zwischen den Zähnen, um die heiße Luft nicht gleich im Schwall zu atmen, »ich würde mir verdammt keine Sorgen machen, wenn nicht Slim wäre, dieser Bursche Slim Dorlanay. Ich habe ihm die Herde vor der Nase weggenommen und das vergisst er mir so wenig wie all die anderen Dinge, die ich ihm zugefügt habe. Eigentlich habe ich ihm gar nichts zugefügt, was er nicht verdient hätte, aber er hat es jedes Mal herausgefordert.«
Er hat die düstere Vorahnung, dass Slim Dorlanay irgendetwas mit dem Ausbleiben seiner Leute zu tun hat. Diese Ahnung ist beinahe eine Gewissheit und macht Joslyn langsam wütend.
So nähert er sich nun dem Punkt, über dem die beiden Rindergeier kreisen und sieht dort nur einen schon halb abgenagten Rest von einem Hund oder einem kleinen Maverick liegen. Genau kann man das nicht mehr bestimmen. Nur der Gestank lässt sich bestimmen, denn er weht genau auf Trevor Joslyn zu.
»Pfui Teufel«, sagt Trevor brummend und reitet im Bogen vorbei. »Das stinkt jämmerlich, ich möchte wissen, warum niemand das Stück Aas verscharrt.«
Und dann kommt Joslyn über die Bodenwelle und sieht in einer Meile Entfernung San Antonio vor sich liegen.
Dort ragt der hohe Schuppen der Häuteverwertung auf, ein dreistöckiger Holzbau, in dem stinkende Felle hängen und einen Geruch verbreiten, der schon drei Eingaben der Bürger zur Folge gehabt hat.
Weiter links liegt Bessemers Schmiede und neben ihr die alte Poststation.
Einige der Männer hocken bewegungslos wie Hühner auf einer Stange auf den Corralbohlen und sehen zu ihm hin, als er vorbeikommt.
Trevor erkennt Steve McLaine, einen sehr guten Mann, der trotzdem nicht bereit gewesen ist, mit ihm auf den Trail zu gehen. Er sieht weiter Wesley Hardin einen aus der weitverzweigten Hardinsippe. Ein friedlicher junger Mann, der sehr gut mit dem Lasso umgehen kann. Diese Männer hier kennt er alle. Und sie kennen ihn, den Mann, der hundertmal gezeigt hat, dass er etwas kann, der dann aber fortgegangen ist.
Warum – das weiß keiner.
Das weiß nur er allein – und ein Mädchen vielleicht.
Trevor hält neben den Männern an, die sich nicht rühren, aber gerade darin sieht er die Zeichen dessen, was auf ihn wartet.
Er sieht die Blicke, Blicke, die an ihm vorbeigehen und abwarten. Sie werden nichts sagen, sie sitzen hier wie eine Meute Männer, die auf etwas gewartet haben.
Und in dieser Sekunde weiß Trevor Joslyn, den sie auch den ›sanften Trevor‹ nennen, auf wen sie warten: Auf ihn!
Jetzt betrachtet er sie der Reihe nach und nickt ihnen zu.
»Hallo, Dutch«, sagt Trevor sanft wie immer, wenn man ihm begegnet.
»Hallo, Frankie – Steve – Wesley.«
Und dann erst, als sie ihn alle ansehen, kommt der Nachsatz: »Habt ihr Saguaro, Eddy und Tonio gesehen?«
Sie sehen immer noch an ihm vorbei. Er kennt diese Art, mit einer Antwort zu warten, niemanden anzusehen und doch viele Dinge sagen zu können. Und er weiß nun, dass mit seinen drei besten Männern etwas passiert sein muss.
»Ja«, erwidert Steve McLaine langsam. »Sie sind beim Doc.«
»So«, macht der sanfte Trevor nur. »Und?«
»Jemand ist ihnen begegnet, der zu groß für sie gewesen ist, Trevor«, murmelt Wesley Hardin. »Er hat Saguaro gesehen und ihm gesagt, dass er aus dem Weg gehen muss, wenn ihm ein Weißer begegnet.«
»Das hat der Mann gesagt? Und dann?«
»Nicht viel, Trevor. Saguaro wollte weitergehen, er wollte keinen Streit haben, aber Eddy ist wild geworden und hat den Revolver gezogen.«
»Und dann?«
»Jetzt ist er beim Doc