Die FROST-Chroniken 1: Krieg und Kröten. Susanne Pavlovic

Die FROST-Chroniken 1: Krieg und Kröten - Susanne Pavlovic


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reichlich fremdartig in ihren ärmlichen Gewändern, und massierte sich die Waden.

      Yuriko ging neben ihr in die Hocke. Sie sah auf, den Tränen nahe.

      »Gütiger Krötengeist, Mädchen«, sagte er erschrocken. »Es ist doch noch viel zu früh, um zu verzweifeln. Ich finde dir eine Lösung, versprochen. Du musst nur ein bisschen Geduld haben.«

      Sie nickte, zog die Schultern gerade und wischte sich mit dem Ärmel über die Augen. Wie sie so die Zähne aufeinanderpresste, sah sie doch wieder nicht aus wie ein Mädchen.

      »Wollen wir es mit Ja-Nein-Fragen versuchen?«, schlug Yuriko vor, doch Arkadis streckte die Hände aus und schüttelte heftig den Kopf.

      »Nein? Zu schmerzhaft? Kann ich verstehen. Und wenn das Siegel etwas taugt, lässt es sich auch nicht so leicht überlisten. Aber mach dir keine Sorgen, ja? Ich habe noch nicht mal richtig angefangen, daran zu arbeiten.«

      »Was hauptsächlich daran liegt, dass du nicht weißt, was Arbeit ist.« Ah. Galina, der wandelnde Liebreiz. Sie hielt ihm die Abschrift des Siegels hin und beugte sich dann zu Arkadis.

      »Geht es dir wieder besser?«

      Arkadis zog ein Gesicht und kippte die Hand hin und her.

      »Du Ärmster«, sagte Galina mitfühlend. »Brauchst du etwas? Tee?«

      Arkadis schüttelte den Kopf. Yuriko stemmte sich vom Boden in die Höhe.

      »Ich gehe etwas ausforschen«, sagte er. »Kann dauern. Galina, du bleibst an dem Symbol in der Mitte dran. Später könnt ihr dann in meinem Haus ein wenig Ordnung machen. Soweit möglich. Ich erwarte keine Wunder.«

      »Dir ist aber klar, dass ich meine Verpflichtungen an der Arkania habe?«, murrte Galina, und er schlug ihr ermunternd auf die Schulter.

      »Jemand, der so fleißig ist wie du, kann das schaffen.«

      Die Abteilung »Geschichte der Zauberei« war immer noch im Keller. Aus alter Gewohnheit zog Yuriko den Kopf ein, als er von der letzten Treppenstufe durch den niedrigen Torbogen trat. Arkane Lichter schwebten unter der Decke und erhellten den Gang. Niemand war hier unterwegs. Zaubereigeschichte war mit Abstand das unbeliebteste Fach bei den Studenten, und Frakis tat anscheinend immer noch alles dafür, damit das so blieb. An den Türen zu den Archiven vorbei ging Yuriko nach hinten durch und klopfte an der letzten Tür.

      »Das wurde aber auch Zeit.«

      Die vertraute Stimme, raschelnd wie altes Pergament. Keine spürbare Tötungsabsicht, aber dann wiederum war Frakis ja immer sehr beherrscht – bis auf, wenn er es nicht war, und dann konnte man sich warm anziehen.

      Yuroko schob die Tür auf und trat ein.

      »Nichts anfassen«, kam die Stimme wieder zu ihm. »Keine Feuerzauber. Und wehe, du lässt deinen Kröter frei herumlaufen.«

      »Frakis Winterkind Fyr. Ich freue mich auch, dich zu sehen.« Yuriko pflückte den schmalen Mann zwischen zwei Regalen voller Schriftrollen und schloss ihn in eine innige Bärenumarmung, die der Andere nach kurzer Starre und im Rahmen seiner eingeschränkten Kräfte erwiderte. Erleichterung rauschte durch Yuriko wie eine Feuersbrunst.

      »Wie geht es dir? Was hast du gemacht all die Jahre?«, fragte er begeistert. Frakis hüstelte leise, was Yuriko vermutlich daran gemahnen sollte, dass Rippen auch brechen konnten. Yuriko entließ ihn aus seinen Armen.

      »Das sollte ich eher dich fragen«, sagte Frakis. »Wo warst du?«

      »Nur ein Spielball zwischen den Göttern und der geheimen Kraft, die sich Zufall nennt.«

      Frakis schob sich die Augengläser den Nasenrücken hinauf. Das schneeweiße Haar fiel ihm immer noch wie ein Vorhang ums Gesicht, und wie immer war er so blass, dass er geradezu durchscheinend wirkte.

      »Im Land hinter den Mandelbäumen«, sagte Yuriko. »Auf der südlichen Landmasse. In Ländern, für die wir keine Namen haben. Es ist eine Geschichte für viele lange Abende, falls du sie hören willst.«

      »Ich bin nicht sicher. Das meiste davon werden Frauengeschichten sein.«

      »Die dich nach wie vor nicht interessieren.«

      Frakis verzog den Mund, was sich mit viel gutem Willen als Lächeln deuten ließ. »Keiner von uns hat sich wesentlich geändert, wie mir scheint.«

      »Du – du bist nicht böse, dass ich mich einfach so in Luft aufgelöst habe? Ich wollte das nicht. Ich habe nur einer jungen Dame mit einem schweren Handkarren geholfen, und dann ergab eines das Andere und plötzlich war ich auf einem Schiff.«

      »Ich bin nicht böse. Nicht mehr. Ich bin froh, dass du noch am Leben bist. Und dass du nicht auf zauberische Weise an den Ort zurückgebracht wurdest, von dem du vor Jahren kamst. Wie ein Elf, dessen Zeit unter den Sterblichen abgelaufen ist.«

      »Kein Elf. Obwohl ich womöglich sogar welche gesehen habe. Großartige Geschichte, muss ich dir erzählen. Fast keine Frauen drin. Also, schon, aber alle zu mager. Aber zuerst brauche ich deine Hilfe.« Yuriko holte die Zeichnung aus der Tasche und hielt sie ihm hin. Frakis nahm sie entgegen, warf einen Blick darauf, nahm den Zettel dann mit unter eine arkane Lichtinsel und beugte sich darüber.

      »Hast du das von deiner Reise mitgebracht?«

      »Nein. Tatsächlich hat es in meinem Haus auf mich gewartet. Es ist auf der Zunge einer jungen Frau tätowiert. Zumindest gehe ich davon aus, dass es eine Frau ist.«

      Frakis warf Yuriko einen verwunderten Blick über die Schulter zu, versenkte sich aber gleich wieder in die Betrachtung des Siegels.

      »Dieses ganze wirre Zeug«, sagte Yuriko. »Ist das Schrift? Wenn ja, was für eine und was sagt sie?«

      »Wenn ja, dann eine alte«, murmelte Frakis. »Eine Wort­zeichenschrift vielleicht. Aber es gibt unüberschaubar viele Wortzeichen­schriften und ihre Vorläufer und Mischformen. Es wird dauern, bis ich die Probe richtig zugeordnet habe. Wenn es mir überhaupt gelingt. Was weißt du noch über dieses Siegel?«

      »Nichts. Die Trägerin unterliegt einem Bann. Sie kann keine Informationen darüber weitergeben. Aber von Form und Aufbau her würde ich meinen, es soll etwas einsperren, nicht etwas aussperren.«

      »Keine Information über Zweck und Wirkung?«

      »Nein. Aber sie wird wohl darunter leiden, sonst hätte sie mich nicht aufgesucht.«

      Frakis drehte den Zettel und fuhr mit den Fingerspitzen den Rand des Siegels nach.

      »Wenn es wirklich Schrift ist, muss ich das Original sehen«, sagte er. »Jeder kleine Winkel, jeder Haken kann von Bedeutung sein. Sofern man solche Kleinigkeiten überhaupt auf eine Zunge tätowieren kann. Wenn das Original schon unsauber ist, wird es schwer.«

      »Wäre es unsauber, würde es nicht tun, was es soll«, gab Yuriko zu bedenken.

      »Und woher weißt du, ob es tut, was es soll, wenn du mit dem Siegelträger nicht sprechen kannst?«

      »Da hast du recht«, sagte Yuriko betroffen. »Da gibt es nur eines. Ich brauche diese Katze.«

      »Wie bitte?«

      »Idee!«, rief Yuriko über die Schulter und war schon unter der Tür. »Muss los! Wende dich an Galina, sie weiß Bescheid! Und lass uns heute Abend einen trinken gehen, oder fünf!«

      Als Galina sich wieder bei ihm blicken ließ, war ihm alles andere als nach Feiern zumute. Seine Hände und Unterarme waren blutig verkratzt, und seine Haare hatten genug Katzenfell absorbiert, um ihn in drei Wochen noch zum Niesen zu bringen. Einigermaßen fassungslos starrte Galina auf die Katze hinunter, die mittels eines Körperklammer-Siegels auf der Bank fixiert war. Die Sonne ging bereits unter, das Licht wurde schlecht. Padda saß nahebei und ließ sich sein Missfallen deutlich anmerken.

      »Mein Lehrmeister läuft über den Campus und sucht Studenten, die ihm eine Katze rasieren«, sagte Galina. »Ist dir klar, was das bedeutet?«

      »Die Hilfsbereitschaft


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