Auf den Punkt gebracht. Lotte Tobisch

Auf den Punkt gebracht - Lotte Tobisch


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da es in der Zivilisation darum geht, das im Menschen schlummernde Gefährliche zum Wohl der Gemeinschaft zu überwinden, förderte man im antiken Griechenland die »Liebe zur Weisheit« mit einer neuen Disziplin: der Philosophie. Mit ihr erhoffte der Mensch seine Existenz nicht nur zu deuten, sondern sie zu verstehen. Der Humus für den bis heute keimenden Samen des systematisch strukturierten Denkens.

      Spätestens damit wurde dem denkenden Menschen klar, dass das methodisch betriebene Denken zwar eine Reflexion über vieles ermöglicht, aber dass diese Fülle an Erkenntnis oft der Gesundheit nicht zuträglich ist. Denken, wie George Steiner postuliert, macht traurig. Wie schon Aristoteles erkannte, hat das in den Akademien gelehrte Denken für sich allein keine Wirkung. Die für ihn daraus zu ziehende traurige Erkenntnis war, dass Denken und Sein von einem unüberwindlichen Widerspruch bestimmt werden. Womit die altjüdische Melancholie über die Vertreibung aus dem Paradies und den anhaltenden Versuch, in dieses wieder Einlass zu finden, ihre abendländische Prägung fand.

      Lenin-Kappel im Schrebergarten

      Eine PR-Agentur hat Produkte zu vermarkten, ob es sich dabei um Song-Contest-Starlets, Ameisennahrung, Parteiprogramme oder Biokamelfleisch handelt. Dagegen wäre weiter nichts zu sagen, wenn die Werbelobby nicht als Thinktank mit Spindoktoren agieren würde. Der Spindoktor ist dadurch Vermarkter und gleichzeitig Erzeuger einer Ware, die nicht die seine ist.

      Dass diese Tatsache bei verunsicherten Politikern peinlichste Auswirkungen haben kann, war vorauszusehen. Darum kann man jetzt erleben, dass mit erprobter Zirkusvermarktung einerseits politische Erfolgsnummern aus dem Jahr 1869 und andererseits urgroßmütterliche Schrebergartensehnsüchte wiederentdeckt werden. Will man auf diese Weise die Wähler einschläfern, um weiterwurschteln zu können wie bisher? Was ist los? Haben die Herrschaften das Selbstdenken verlernt? Glauben sie tatsächlich, dass man mit Pizza-Look und Lenin-Kapperl oder mit opportunistischer Rechtsaußenlastigkeit Wähler vom ernsthaften Bemühen um eine zeitgemäße Neuausrichtung der verfilzten, unerträglich egozentrischen Parteistrukturen überzeugen kann? Es ist höchste Zeit zum Selbstdenken und zum Hinauswurf der Spindoktoren.

      Auch am Anfang der Politik war das Wort, und dieses Wort war ein schwaches Verb mit starken Auswirkungen: »drehen«.

      Politik dreht sich um die Durchsetzung von Zielen und die Gestaltung öffentlichen Lebens durch taktierendes Verhalten und zielgerichtetes Vorgehen. Wer in die Politik geht, muss die Kunst des Drehens und Wendens lernen, da es weniger auf Inhalte als auf einen zielführenden Dreh ankommt. Das verleiht der Politik ein Drehmoment, mit dem Bestreben, sich über das Alltägliche hinauszubewegen.

      Bekommt man diesen Dreh jedoch nicht rechtzeitig heraus, laufen Politiker beiderlei Geschlechts Gefahr, einen Hund in ihr politisches Wirken einezudrahn. Und damit das möglichst nicht passiert, kamen Politiker im Laufe des 20. Jahrhunderts auf die Idee, Spindoktoren als Berater zu engagieren. Wenn die Spindoktoren die ihnen anvertrauten Aufgaben mit dem richtigen »spin«, wie es im Englischen heißt, versehen, handelt es sich um mediale Inszenierungen vorbereiteter Themenschwerpunkte, um der Wählerschaft Komplexes im gewünschten Sinne verständlich zu machen. Auch nicht verwerflich, wenn die Politik dabei nicht zu einer Inszenierungspolitik verkommt.

      Heute gelten die Doktoren des Spins als Marionettenspieler der Macht, die wie Starregisseure aus Hollywood hohe Summen Geld für ihre »inszenierten Dreh-arbeiten« bekommen. Wenn sie aber weiterhin so unreflektiert die Politik bestimmen dürfen, dann werden sie die Demokratien am letzten Drehtag dieses Trauerspiels unerbittlich »hamdrahn«.

      Ein Kind als Möbelstück

      Als sie einander liebten, wollten sie beide ihn haben. Und das blieb auch so, als ihnen die Liebe verkümmerte und sie sich trennten. Jeder erhob Anspruch auf ihn. Aus Mutterliebe zum Fünfjährigen, sagte sie, und er: aus Vaterliebe. Man begann zu streiten, immer erbitterter, wie um ein Familienerbstück. Und einmal nahm der Vater bei einem Besuch das »Streitobjekt« einfach mit in seine italienische Heimat. Das war vor mehr als vier Jahren, und seither wurde prozessiert, bis jetzt endlich Recht gesprochen wurde. Dazu lese ich: »Die Mutterliebe hat gesiegt.«

      Es wird also ein kleiner Bub von knapp zehn Jahren zurückkommen in die alte, fremde Heimat. Allein und ohne seine Freunde, seine Lehrer, ohne die gewohnte Umgebung und Sprache. Im Vorschulalter dorthin gebracht und gleich in die Schulpflicht integriert, schaffte er es, zu vergessen, ein neues Zuhause zu finden. Aber jetzt? Ein Schulkind, das mit dem Lesen und Schreiben auch begonnen hat, Erlebtes zu reflektieren? Die ohne Rücksicht auf Verluste sich durchsetzende sogenannte Mutterund Vaterliebe sind Wegbereiter für falsche Heilsverführer, die sich den Kindern als Fels in der Brandung anbieten. Bei Goethe gibt’s den schönen Satz im Tasso: »So klammert sich der Schiffer endlich noch am Felsen fest, an dem er scheitern sollte.«

      Am Anfang einer in Liebe geschlossenen Partnerschaft steht das Wörtchen Ja. Dabei kommt es nicht so sehr auf gesellschaftlich Tradiertes und Normiertes an, sondern auf die dem Partner versprochene Bereitschaft, Glück und Unglück im Rahmen einer Lebensgemeinschaft zu teilen. Wer diese Entscheidungsfrage mit einem Ja beantwortet, entscheidet sich gegen das Nein. Das heißt, dass dem Nein durch das Ja kein Einlass in diese Gemeinschaft gewährt wird beziehungsweise gewährt werden sollte.

      Denn das Ja gilt nicht nur für den Partner, sondern im gleichen Maße für einer Partnerschaft entstammende Kinder. Und die sind bei einer Trennung der Eltern die wahren Verlierer des Zerbrochenen.

      Daraus können prägende Verletzungen entstehen, die in Aggressivität, Angst, Depression und Trotz zum Ausdruck kommen. Nicht selten wird im Rahmen eines sozialen Sichzurückziehens auch das Lernen verweigert oder die Schule gar abgebrochen.

      Kinder möchten nicht als dritte Streitpartei missbraucht werden, sie möchten, dass man mit ihnen offen und vor allem ehrlich spricht, dass Richtlinien miteinander vereinbart und eingehalten werden und dass ihr Bedürfnis nach Liebe und Geborgenheit erfüllt wird. Was sie keinesfalls benötigen, ist ein Genderstreit zwischen Vater und Mutter über die sozialpolitisch wichtigere Person für die Erziehung der noch Unmündigen.

      Kinder möchten von Vater und Mutter ehrlich und im gleichen Maße geliebt werden, um ihre Liebe loyal erwidern zu können. Wer das unterbindet, hat von der Liebe eines Kindes nichts verstanden.

      Weihnachtsmann und Christkindl

      Nach zwei Monaten Besatzungszeit sind wir diesen wattbärtigen Riesenmann mit seinem Rentierschlitten samt den selig-fröhlichen Ihr Kinderlein, kommet-Geräuschen wieder für ein Jahr los. Und man wünscht sich, dass er diesmal auch seinen Halloween-Kürbiskopf mitnehmen möge und dass dann die Gemeinde Wien schleunigst die Stadt von den Resten der zurückgelassenen Fressbuden und Ramschstandln reinigt, die sie für teures Geld den Händlern vermietet, als wäre die Stadt ihr Eigentum.

      Habe ich nicht irgendwo ungläubig gelesen, dass wir angesichts einer Islam-Bedrohung das christliche Abendland verteidigen müssen? Und verkündigt nicht die Weihnachtsgeschichte, ganz unabhängig davon, ob man sie als eine göttliche Offenbarung oder eine Menschheitsdichtung erkennt, eine der zentralen Botschaften des Abendlandes? So oder so: Ob Gott die Menschen oder die Menschen Gott erfunden haben − mit der Geschichte des Kindes von Bethlehem beginnt das Wunder der jüdisch-christlichen Kultur des Abendlandes. Und darum sollte man den importierten Weihnachtsmann hinauswerfen und den Kleinen ihren Altersgenossen, das Wiener Christkindl, wiederschenken.

      Am Anfang der Weihnachtsgeschichte war die Werbung. Mit den cherubinischen Worten »Fürchtet euch nicht, denn siehe, ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteilwerden soll« war es um die Stille der Weihnacht geschehen. Der Teufel war los, als sich die Menschen infolgedessen auf den Weg machten, um das Verkündigte zu sehen.

      Die himmlische Werbestrategie von einst wirkt bis heute nach. Durch die Weihnachtswerbung entsteht nicht zufällig ein der ursprünglichen Bedeutung des Wortes »Werbung« etymologisch entsprechendes »Wirbeln« der Gesellschaft, in der sich wochenlang alles um das bevorstehende Fest dreht. Frieden


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