Das kommt nicht wieder. Georg Markus
hätte, hätte ihn das nicht geheilt.«
Der Fall Ernest Hemingway untermauert diese These, denn auch er wählte den Freitod, und das, obwohl er zu Lebzeiten überaus erfolgreich war. Freilich ist seine Familie in eine tragische Kette von Suizidfällen verstrickt. Nicht nur der Dichter selbst, sondern auch sein Vater, sein Bruder, seine Schwester und – erst im Juni 1996 – seine Enkelin Margaux endeten durch Selbstmord.
Ernest Hemingway hat in Anwesenheit mehrerer Zeugen vorgeführt, daß Suizidgefährdete tatsächlich dazu neigen, ihr tödliches Vorhaben – als Aufschrei, als letzten Hilferuf – anzukündigen. Auf Kuba »spielte« der Literaturnobelpreisträger einmal die Szene regelrecht durch. »Sehen Sie, so werde ich es machen«, sagte er, setzte sich barfuß auf einen Sessel und stellte den Gewehrkolben zwischen seine Beine. Dann beugte er sich vor, schob sich die Laufmündung in den Mund und drückte mit der großen Zehe auf den Abzug, bis es klickte. »So begeht man Harakiri«, erklärte er, »denn der Gaumen ist der weichste Teil des Kopfes.«
In seinem letzten Jahr sprach er immer häufiger vom nahenden Ende, stellte sich manchmal neben den Gewehrschrank, hielt seine Waffen in der Hand und starrte zum Fenster hinaus.
Trotz seiner schweren Depression wurde er wenige Tage vor seiner Verzweiflungstat als Patient der weltberühmten Mayo-Klinik entlassen. »Es ist nicht zu hart ausgedrückt, daß den Ärzten der Klinik hier ein entscheidender Fehler unterlaufen ist. Denn es war ja auch den medizinischen Laien aus Hemingways Umgebung bekannt, welches ausweglose Wahngebilde er aufgebaut hatte«, meint der Wiener Arzt und Medizinhistoriker Hans Bankl, der in seinen Büchern den Tod außergewöhnlicher Menschen analysiert.
Mehrmals konnte »Hem« durch Freunde und Angehörige von dem immer wieder angekündigten Schritt abgehalten werden, doch als er sich am Abend des 1. Juli 1961 mit den Worten »Gute Nacht, mein Kätzchen« von seiner vierten Frau Mary verabschiedete, dachte sie nicht an eine gefährliche Situation. Und mußte am nächsten Morgen im Flur des Landhauses in Ketchum im US-Bundesstaat Idaho seinen Leichnam entdecken, ein Gewehr zwischen den Beinen. Der Selbstmord war von ihm genauso durchgeführt worden, wie er ihn angekündigt hatte.
Ein Jahr nach Hemingway wurde die Welt durch den spektakulären Freitod Marilyn Monroes erschüttert. Sie hatte seit langem in einem fatalen Teufelskreis gelebt, nahm nachts Unmengen von Tabletten, um schlafen zu können, und pumpte sich tagsüber mit Aufputschmitteln voll, um wieder wach zu werden. Der 36jährige Filmstar war immer von Männern umgeben und doch allein, ein Sexsymbol, das kein Glück in der Liebe fand. Das belegen vier gescheiterte Ehen – zuletzt mit Arthur Miller – und zahllose Liebschaften – darunter die Brüder John F. und Robert Kennedy. Es war ein »chronischer Selbstmord«, meint Professor Bankl, der sich über viele Jahre hinzog.
Tatsächlich hatte auch sie sich mehrmals umzubringen versucht, was aber in der Glitzerwelt von Hollywood unterging, nicht ernst oder einfach nicht zur Kenntnis genommen wurde.
Als die Haushälterin Eunice Murray am Sonntag, dem 5. August 1962, um 3.30 Uhr noch immer Licht in ihrem Schlafzimmer brennen sah, alarmierte sie Dr. Greenson, den Psychiater der Monroe, der sofort kam und durch das Fenster in den Raum stieg. »Ich erkannte aus etlichen Metern Entfernung, daß Marilyn nicht mehr am Leben war«, sagte er später. »Da lag sie, mit dem Gesicht nach unten und entblößten Schultern, und als ich näher trat, konnte ich erkennen, daß sie mit der rechten Hand das Telefon umklammert hielt.«
Als ob der Hörer ihr die Einsamkeit hätte nehmen können.
»Es gibt keine Krankheit namens Selbstmord«, sagt Dr. Rudas, »aber es gibt verschiedene Ursachen, die eine solche Verzweiflungstat auslösen können.« Diese sind:
Den Freitod wählten auch die Dichter Heinrich von Kleist, Georg Trakl und Klaus Mann. Und Stefan Zweig, der am 22. Februar 1942 mit seiner jungen Frau Lotte im brasilianischen Exil eine Überdosis Veronal einnahm – aus Verzweiflung, weil für ihn als Österreicher jüdischer Herkunft die Heimat verloren war. In seinem Abschiedsbrief beklagt er, daß »die Welt meiner eigenen Sprache für mich untergegangen ist und meine geistige Heimat Europa sich selbst vernichtet«.
Für einen Neuanfang mangelte es ihm, zermürbt durch die lange Zeit des Exils, an Energie: »Nach dem sechzigsten Jahr bedürfte es besonderer Kräfte, um noch einmal völlig neu zu beginnen. Und die meinen sind durch die Jahre heimatlosen Wanderns erschöpft. So halte ich es für besser, rechtzeitig und in aufrechter Haltung ein Leben abzuschließen, dem geistige Arbeit die lauterste Freude und persönliche Freiheit das höchste Gut dieser Erde gewesen. Ich grüße alle meine Freunde! Mögen sie die Morgenröte noch sehen nach der langen Nacht. Ich, allzu Ungeduldiger, gehe ihnen voraus! Stefan Zweig.«
Wie er wollte auch Kronprinz Rudolf nicht alleine sterben, weshalb der Sohn Kaiser Franz Josephs am 30. Jänner 1889 auf Schloß Mayerling seine Geliebte Mary Vetsera mit in den Tod nahm. Bei dem Thronfolger waren gleich mehrere Gründe ausschlaggebend, daß es zu der schrecklichen Tat kam: er war organisch und psychisch krank, glaubte an die Ausweglosigkeit seines Daseins, und er war sowohl Alkoholiker als auch Morphinist.
Drei Jahre vor Kronprinz Rudolf hatte sich sein Cousin, Europas »schönster und jüngster König«, Ludwig II. von Bayern, in den Tiefen des Starnberger Sees ertränkt. »Die moderne Erbforschung hat zweifelsfrei festgestellt«, erklärt Professor Bankl, »daß bestimmte Familien* infolge einer genetischen Konstellation für Selbstmord ganz besonders anfällig sind.«
Suizide sind schon aus der Antike überliefert, der berühmteste betrifft Ägyptens schöne Königin Kleopatra, die sich durch einen Schlangenbiß den Tod gab, nachdem ihr Heer ruhmlos gescheitert war.
Zum Selbstmord gezwungen wurde schließlich der Spion Oberst Alfred Redl. Als der k. k. Generalstab ihm 1913 nachweisen konnte, daß er Österreichs Aufmarschpläne an Rußland verkauft hatte, legten ihm seine Vorgesetzten einen Revolver auf den Tisch.
Hochrangige Politiker, die in jüngerer Zeit »freiwillig« in den Tod gingen, waren Uwe Barschel, der ehemalige Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, und der langjährige österreichische Verteidigungsminister Karl Lütgendorf, die – vermutlich beide – in dubiose Affären verwickelt waren.
So unverständlich es erscheinen mag, daß Prominente ihr Leben wegwerfen, obwohl es gerade ihnen so viel zu bieten hat, »kommt bei Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, hinzu, daß sie nicht nur mit ihren eigenen Gefühlen fertig werden müssen, sondern auch mit jenen, die von anderen auf sie projiziert werden«,