Nicht ohne meinen Schweinehund. Wolfram Pirchner
habe, meine Therapie, die Bewältigung derselben und mein mittlerweile angstfreies Leben. Es ist kein Ratgeber. Sondern meine persönliche Geschichte. Ich war und bin Betroffener. Ich weiß, wie sich Panikattacken und Angstzustände anfühlen. Ich weiß, was man dagegen machen kann und machen muss. Und das habe ich zusammengefasst beschrieben. Dass daraus ein Bestseller geworden ist, verdanke ich vielen Menschen, die dieses Buch gekauft und gelesen haben. Das war überraschend, erfüllend und fallweise sehr berührend für mich. Vor allem die vielen Reaktionen, die ich bekommen habe und bekomme. Die Briefe, die E-Mails, die Karten. Die Reaktionen und Zwiegespräche bei Vorträgen oder Lesungen, wenn mir Frauen, auch Männer schüchtern zuraunen: »Ich bin auch betroffen!« Sie sagen es leise, damit sie nicht gehört werden. Weil sie vermutlich Angst haben, man könnte ihnen draufkommen. Draufkommen auf was? Auf irgendwelche Verfehlungen im Leben? Auf kriminelle Handlungen? Auf Verstöße gegen die Gesellschaft? Auf sexuelle Abartigkeiten? Nein! Dass man draufkommt, dass sie Angststörungen und Panikattacken haben. Dass sie sich in ihrer Haut nicht wohlfühlen. »Wohlfühlen.« Das ist ein erstrebenswerter Zustand. Aber viele von uns fühlen sich nicht wohl. Viele Mitmenschen fühlen sich nie wohl. Die Frage ist: Was tun? Warten auf das Ende? Warten, bis es von selbst vorbeigeht?
Es geht nicht von selbst vorbei, das garantiere ich dir. Isabella, 24 Jahre, aus Niederösterreich, schrieb mir: »Lieber Wolfram Pirchner. Ich leide seit fünf Jahren an Panikattacken. Ich weiß auch warum. Zu viel Stress in der Schule, zu viel Erwartungshaltung von der Elternseite her, ein viel zu großes Maß an Pflichterfüllungssucht. Ich war bei einigen Therapeutinnen. Keine hat mir geholfen. Weißt du, was mir geholfen hat? Weißt du, seit wann ich wieder so etwas wie Hoffnung für mich verspüre? Weißt du, warum es mir deutlich besser geht? Seitdem ich dein Buch gelesen habe. Ich danke dir dafür, dass du es geschrieben hast. Du bist ein mutiger Mann. Herzliche Grüße, Isabella.«
Ich bin kein mutiger Mann, im Gegenteil. Alleine diese E-Mail von Isabella (die ich mit ihrem Einverständnis hier veröffentliche) hat mich in meinem Tun, darüber zu schreiben und in meinen Vorträgen darüber zu reden, bestärkt. Dass es Isabella und vielen Leserinnen und Lesern besser geht, dass sie sich mit sich beschäftigen und dass viele sich professionelle Hilfe holen, das war es wert, das erste Buch geschrieben zu haben.
Ich schreibe für Menschen, die einen Nutzen daraus ziehen, dass der berufsbedingt bekannte Fernsehmensch öffentlich über seine Zustände, seine Therapie und die Bewältigung seiner Ängste spricht. Das war und ist der Grund meines Schreibens. Und das ist auch der Grund, warum ich ganz sicher wieder ein »Panik«-Buch schreiben werde. Viele von uns sind betroffen. Viele trauen sich nicht hinauszuschreien: »Ja, ich bin in der Seele krank«, »Ja, es geht mir hundsmiserabel«, »Ja, ich könnte aus der Haut fahren«. Sie flüstern unterwürfig, schüchtern, leise: »Ich bin auch betroffen.« Flüstert nicht mehr. Erhebt eure Stimmen, auf dass ihr gehört werdet! Lasst euch nicht mehr alles gefallen! Ruft es hinaus! »Ich bin betroffen und ich tue etwas dagegen!« – »Ich behandle mich künftig gut.« Und: »Ich komme ab jetzt – zumindest eine Zeit lang – an erster Stelle. Ich führe meine persönliche Rangliste an.« Tu es!
Und gerade dieses Buches wegen, oder seines Erfolges wegen, bin ich jetzt – während ich mir Gedanken über mein Abnehmbuch mache – in Erfurt beim MDR eingeladen. Um über meine Panikattacken und die Bewältigung derselben zu referieren. Und es macht mir ernsthafte Sorgen, dass mir mein Anzug nicht (mehr) passt, den ich für diesen morgigen Auftritt mitgenommen habe. Noch dazu sagte mir die freundliche Dame vom Zimmerservice, der ich den von der Anreise völlig zerknitterten Anzug zum Bügeln gab, dass die Hose hinten am »Gesäß« einen Riss habe. Na bravo.
Übrigens habe ich unsere Tochter Sophie als meine Begleitung mitgenommen. Und das Sopherl und ich haben den heutigen Abend natürlich genützt und das absolut sensationelle Hotelrestaurant aufgesucht, nachdem wir uns schon zu Hause im Internet davon überzeugt hatten, wie es aussieht und vor allem, was es an kulinarischen Köstlichkeiten und Sünden gibt. Einmal geht’s noch und dann beginne ich mit meinem Plan. Und Erfurt eignet sich doch hervorragend zum »Beginnen«. So wie der Geburtstag meiner Frau vor einigen Wochen. Oder der Urlaub in Griechenland vor einigen Tagen. Immer wieder tauchen Zeitpunkte oder Zeiträume auf, die sich hervorragend zum Beginnen eignen. Das ist ungefähr so wie: »Am 31.12. höre ich zu rauchen auf.« Warum am 31.12.? Warum zu Silvester? Warum nicht heute? Warum nicht gleich? Ich kann es dir nicht beantworten. Vielleicht braucht man immer wieder einen Spielraum, kleinere oder größere Ausreden … »Den Sommer über rauche ich noch, im Winter ist es leichter aufzuhören.« Im Winter soll es leichter sein? Es ist nie leicht, auch wenn du es willst – im Gegenteil. Egal ob Sommer oder Winter. Aber es ist leichter, wenn du es willst. Wenn du die Veränderung aus tiefster Überzeugung möchtest und durchziehen wirst.
Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass wir, also unsere Gesellschaft, die Begriffe »können« und »wollen« sehr gerne und oft verwechseln. So nach dem Motto: »Ich bin mir ziemlich sicher, du kannst alles, was du willst, daher willst du einfach nicht …« Der bekannte Psychiater Univ. Prof. Dr. Michael Musalek aus Wien erzählte mir von den zwei Kategorien des Wollens: Zum einen gibt es das unmittelbare Wollen (»Ich möchte das jetzt – das muss jetzt sein!«) und zum anderen das »kognitiv gesteuerte Wollen« (»Das ist gescheit für mich, daher will ich das!«) Dabei tritt vor allem ein problematisches Konstrukt auf: der gute Vorsatz. Übersetzt heißt das doch: »Ich halte das für gescheit und klug, aber ich möchte es nicht!«
Ein Beispiel: Du möchtest einen schönen Abend mit (d)einer Frau oder (d)einem Mann verbringen, dann wirst du vermutlich etwas oder auch mehr dafür tun und dann wird der Abend auch gelingen. Und alles, was dann möglicherweise noch folgt … Brauche ich dazu einen »guten Vorsatz«? Falls ja, solltest du dir überlegen, ob es der richtige Mensch ist, mit dem du den Abend gestalten möchtest. Der gute Vorsatz … Das ist weit verbreitet, ich höre es immer wieder von Bekannten, Verwandten und in meinem Berufsumfeld. »Ich höre am 1. Jänner zu rauchen auf« – das heißt übersetzt: Ich will nicht aufhören! »Anfang des nächsten Monats stelle ich meine Ernährung um« – das heißt: Ich will weiteressen und trotzdem abnehmen! Ohne Krankheit.
Es ist immer eine Frage des Wollens und des Willens. Möchte ich etwas tatsächlich oder nur im Sinne einer Zukunftsplanung? Es geht um den Willen. Ich möchte mich, was meine Nahrungsaufnahme, mein Alkoholverhalten, meine Bewegungsphilosophie betrifft, verändern. Ich bin mir sicher, dass es mühsam wird, aber ich kann es und ich mache es. Ab jetzt.
Die Vision
Jetzt rauche ich seit über zwei Jahren nicht mehr. Also nicht im Sinne eines Rauchers. Zugegebenermaßen habe ich hin und wieder, wenn auch selten, im leicht illuminierten (Feier-)Zustand zu einem Tschick gegriffen. Aber ich bin Gott sei Dank nicht in jenem Maße rückfällig geworden, den ein Raucher in einer derartigen Situation befürchten muss. Wenn ich in diesen zwei Jahren in Summe zwei Packerl geraucht habe, dann ist es viel. Und ich habe seit Monaten auch diese, selbst erlaubten und mit schlechtem Gewissen kombinierten, Ausnahmen aus meinem Hirn verdrängt. Mache ich nicht mehr, das ist ein Unsinn. Es erinnert mich ein bisschen an diese geradezu vertrottelt strapazierten »Joker« in der Fastenzeit oder in einem Fastenprozess. »Ich faste jetzt vierzig Tage, aber an drei Tagen lasse ich es krachen.« Das hört man immer wieder. Völliger Schwachsinn. Dann tue es und rede nicht g´scheit vom Fasten daher. Es geht um das prinzipielle und tatsächliche Nichtrauchen. Das ist die positive Seite. Und ich bin stolz darauf und gratuliere mir des Öfteren dazu.
Ja, ich gratuliere mir. Das darf ich, das darfst du auch, wenn dir etwas – auch aus deiner Sicht – Außergewöhnliches, nicht schaffbar Scheinendes, etwas Tolles gelingt. Das darfst du und das sollst du auch. Das steigert das Selbstvertrauen, das minimiert die Selbstzweifel, das fördert die Selbstliebe. Ich weiß genau, das mit der Selbstliebe, das ist so eine ganz spezielle Sache. Ein eigenes Kapitel. Oder mehrere. »Eigenlob stinkt« haben wir doch in früheren Generationen so oft gehört. Tatsächlich? Eigenlob stinkt? Wer behauptet das? Vermutlich jemand, der sich selbst nicht mag. Eigenlob stinkt nicht, im Gegenteil – Eigenlob ist lebensnotwendig. Es treibt die Selbstachtung an.
Aber das Nichtrauchen hat auch eine Kehrseite. Plötzlich wiege ich 15 Kilogramm mehr. Warum geht mir erst jetzt ein Licht auf? Die Erleuchtung. Hier ist die wahre Erkenntnis! Das Nichtrauchen ist schuld