Der erste Walzer. Dietmar Grieser
Taler, Daalder, Dollar
Im Gegensatz zum Schilling, der seine Wurzeln in Deutschland hat, geht der Dollar auf eine altösterreichische Erfindung zurück – jedenfalls, was seinen Namen betrifft. Joachimsthal heißt der Geburtsort des anno 1792 in den Vereinigten Staaten von Amerika inaugurierten Zahlungsmittels, und das kam so:
Mit 18 000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Böhmens (nach Prag), ist das 17 Kilometer nordöstlich von Karlsbad gelegene Joachimsthal im 16. Jahrhundert dank seiner örtlichen Silbererzvorkommen eine bedeutende Bergbausiedlung. Herr über die erzhaltigen Ländereien sind die auf Schloß Freudenstein residierenden Reichsgrafen Schlick, deren berühmtester Sproß, der 1396 in Eger geborene Kaspar von Schlick, es bis zum Kanzler am Wiener Hof bringt. Einer seiner Nachkommen mag sich jedoch nicht mehr mit dem bloßen Schürfen und Verhütten des auf seinen Gründen schlummernden Edelmetalls begnügen, sondern steigt 1519 ins lukrative Geschäft der Münzprägung ein.
»Joachimsthaler« nennt man die silbernen Guldengroschen nach dem bald weithin berühmten Fundort; auf der Vorderseite sind sie mit dem böhmischen Löwen, dem Wappen der Herren von Schlick, versehen, während auf der Rückseite das Bild des heiligen Joachim prangt. Nachdem sie 1522 auf der Leipziger Messe erstmals als Zahlungsmittel kursiert sind, gewinnen die Schlick’schen Silbermünzen mit der Zeit solche Popularität, daß der Volksmund ihren Namen von »Joachimsthaler« zu »Thaler« verkürzt: Es ist die Geburtsstunde der späteren Weltmünze »Taler« und in weiterer Folge ihrer je nach Land »Daler«, »Daalder«, »Talero« oder »Dollar« genannten Varianten.
Heute gehört der gute alte Taler der Vergangenheit an, geblieben ist der Dollar. Und geblieben ist auch die Erinnerung an die große Zeit der »Königlichen Münze von Joachimsthal«. Die ehemaligen Prägewerkstätten im heutigen Jáchymov sind in ein Museum umgewandelt, das den Tschechien-Touristen, die sich im nordwestlichen Böhmen umtun, die Geschichte des Geldwesens von anno dazumal anschaulich vor Augen führt.
Daß sie in so großer Zahl nach Jáchymov kommen, hat einen besonderen Grund. Zwar waren schon im späten 17. Jahrhundert die Erzlagerstätten der Grafen Schlick so gut wie ausgebeutet und um 1800 der gesamte Silberbergbau eingestellt, doch dafür erlebte Joachimsthal ab 1898 eine neue Blüte, und das ist dem französischen Forscherehepaar Marie und Pierre Curie zu verdanken, die im Zuge ihrer chemisch-physikalischen Experimente in den Pechblendenrückständen des Joachimsthaler Silberbergbaues die Elemente Polonium und Radium entdecken und damit die Grundlage für das erste Radium-Heilbad der Welt schaffen. Die radioaktiven Thermalquellen von Jáchymov haben inzwischen sogar dem nahen Karlsbad in mancher Hinsicht den Rang abgelaufen.
Woran man sich in dem unter Denkmalschutz stehenden Kurbad an den Ausläufern des Erzgebirges weniger gern erinnert, sind die Jahre zwischen 1948 und 1967, da die neuen Herren der Tschechoslowakei, die Sowjets, ihre politischen Häftlinge zwecks Ausbeutung der reichen Uranerzlager als Zwangsarbeiter in die »Hölle von Jáchymov« schickten.
Die Geburtsstunde des Schillings
Es dürfte nur wenige österreichische Haushalte geben, in denen nicht irgendwo in einem stillen Winkel eine SchillingMünze aufbewahrt wird (oder auch mehr). Die per 1. Jänner 1998 in Kraft gesetzte Währungsumstellung gab dem scheidenden Alpendollar noch einmal einen letzten kräftigen Popularitätsschub, und selbst heute, beinah zehn Jahre nach der Einführung des Euro, sind es nicht wenige, die beim täglichen Geldverkehr nach wie vor auf der Basis des guten alten Schillings »umrechnen«. Da ist es nur recht und billig, der Geburtsstunde dieses identitätsstiftenden Zahlungsmittels zu gedenken, das, nur durch die Reichsmark-Ära 1938–1945 unterbrochen, 67 Jahre lang Herrn und Frau Österreicher vorzügliche Dienste geleistet hat.
Schon der Abschied von Krone und Heller anno 1924 war vielen Bürgern der Ersten Republik nicht leicht gefallen, obwohl sich in der damit einhergehenden Inauguration des Schillings das allseits herbeigesehnte Ende der Nachkriegsinflation ausdrückte. Es war das dritte Regierungsjahr des christlich-sozialen Bundeskanzlers Ignaz Seipel, überschattet nicht nur von der katastrophal abgefallenen alten Währung, die im europäischen Vergleich auf dem unrühmlichen letzten Platz gelandet war, sondern auch von dem am 1. Juni 1924 auf den Regierungschef verübten Attentat. Immerhin hatte Seipel, bevor er schwerverletzt ins Krankenhaus eingeliefert wurde, alles Nötige unternommen, um die Stabilisierung der zerrütteten Staatsfinanzen einzuleiten, und noch im selben Monat gab die Nationalbank die erste auf Schilling lautende Scheidemünze aus.
Auf 10 000,– Kronen belief sich der Wert des neuen Zahlungsmittels, das in den Varianten Halbschilling, Schilling und Doppelschilling in den Verkehr kam, und während beim Papiergeld zunächst noch auf die alten 10 000-Kronen-Scheine zurückgegriffen wurde und lediglich der Aufdruck »Ein Schilling« die »neue Zeit« einläutete, ging man beim Hartgeld »radikal« vor und kreierte eine nagelneue Silbermünze.
Das gute Stück, aus einer Legierung von acht Zehnteln Silber und zwei Zehnteln Kupfer geprägt, hatte einen Durchmesser von 26 Millimeter und ein Gewicht von sieben Gramm; die Vorderseite zeigte neben der Aufschrift »Republik Österreich« und der Jahreszahl der Ausmünzung eine stilisierte Ansicht vom Mitteltrakt des Parlamentsgebäudes und eine Roßbändigergruppe; für die Rückseite wählte man einen Ölbaumzweig mit dem Brustschild aus dem österreichischen Staatswappen sowie die Aufschrift »Ein Schilling«. Uneinigkeit bestand lediglich bezüglich der Unterteilung in die kleineren Werte: Der ursprünglich vorgesehene »Stüber« mußte dem »Groschen« weichen.
Um die allgemeine Verwirrung, die die Währungsreform sowohl in der öffentlichen wie in der privaten Buchhaltung zur Folge hatte, einigermaßen in Grenzen zu halten, ließ man sich bei der Umstellung Zeit: Erst per 31. Dezember 1926 mußte sie abgeschlossen sein. Und auch erst dann, nämlich ab 1927, kam beim Druck der Banknoten das seit langem geplante neue Design zum Zuge, das erstmals Landschafts- und Architekturmotive einschloß.
Worüber in der Bevölkerung Unklarheit bestand, war die Frage nach der Herkunft der neuen Währungsbezeichnung. Zwar kannte man bereits seit dem Mittelalter den in mehreren europäischen Ländern gebräuchlichen »Schilling«, doch wovon er sich etymologisch ableitete, darüber gingen die Meinungen der Experten auseinander. Die einen verwiesen auf das altdeutsche Wort »scellon«, das so viel wie »schallen« bedeutete und somit auf die traditionelle Praxis der Geldprüfer anspielte, die betreffende Münze zu Boden fallen zu lassen und aus dem Klang des Aufpralls auf deren Echtheit zu schließen. Andere leiteten die Bezeichnung »Schilling« vom lateinischen »solidus«, also vom Attribut des Soliden und Wertbeständigen ab. Dem sogenannten kleinen Mann von der Straße waren derlei Spitzfindigkeiten freilich herzlich egal: Ihm kam es nur darauf an, daß er von dem neuen Zahlungsmittel möglichst viel in der Tasche hatte und daß es möglichst wenig von seinem Wert verlor.
Tatsächlich wurde der Schilling populär – und zwar so sehr, daß man sich nach dem Zusammenbruch Hitler-Deutschlands, das der »Ostmark« für die Dauer von sieben Jahren die deutsche Reichsmark aufgezwungen hatte, ohne alle Diskussionen einig war, auf der Stelle zur alten Währung zurückzukehren. Noch im Mai 1945 gaben die Besatzungsmächte sogenannte Militärschilling-Noten aus, denen sieben Monate später die ersten »eigenen« folgten. Auch mit dem, was man in seinem Geldbörsel bei sich trug, erhielt Österreich also einen Teil seiner Souveränität zurück, ja einen Teil seiner Identität. Die Erfolgsgeschichte der Zweiten Republik konnte ihren Anfang nehmen.
»Einlagsbuch« Nr. 1
Daß ich schon als Gymnasiast – was in jenen fernen Nachkriegsjahren eher ungewöhnlich war – über ein eigenes Bankkonto verfügt hatte, wurde mir erst wieder bewußt, als ich Jahrzehnte später, nun schon lange in Wien ansässig, eines Tages überraschende Post aus meiner Kindheitsstadt Zweibrücken erhielt. Man sei, so teilte mir das betreffende Bankinstitut in aller Form mit, im Zuge einer Generalrevision »ruhender« Einlagen auch auf die meine gestoßen, habe festgestellt, daß es auf dem bewußten Konto in all den Jahren keinerlei Bewegung gegeben habe, und lade mich ein, es doch mit einer frischen Einzahlung zu reaktivieren.
Ebenso