Das gibt's nur bei uns. Georg Markus

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Fest steht, dass sowohl Kaiserin Elisabeth als auch Kronprinzessin-Witwe Stephanie den Kammerdiener weit über Rudolfs Tod hinaus außerordentlich schätzten. Und es ist durchaus denkbar, dass sie ihn mit großzügigen finanziellen Mitteln ausstatteten – ohne diese als »Schweigegeld« zu deklarieren. Es gibt keine andere Erklärung dafür, wie Loschek das große Gut in Kleinwolkersdorf hätte kaufen sollen, das ein Vielfaches dessen gekostet haben muss, was er in knapp zwölf Dienstjahren beim Kronprinzen und mit seiner offiziellen Abfertigung inklusive der vom ihm angeführten »Diäten« je verdienen konnte. Ein Grundstück in dieser Lage und Größenordnung hätte heute einen Wert von rund 2,5 Millionen Euro. Da wäre er mit seiner Abfertigung von 2600 Gulden nicht sehr weit gekommen.

      Johann Loschek war bereits in vierter Generation in kaiserlichen Diensten, schon sein Urgroßvater Josef Loschek hatte Kaiser Franz I. als Oberjäger gedient. Johann Loschek lernte den Kronprinzen Rudolf kennen, als dieser elf Jahre alt war, und machte ihn »mit den ersten Anleitungen zur Jagd« vertraut. Acht Jahre später kam es zu einem schicksalhaften Wiedersehen, das Loschek in seinem Lebenslauf so beschreibt:

       Wie Loschek Kammerdiener wurde

      Es war am 30. September 1877, ich war gerade im (kaiserlichen Revier, Anm.) Auhof kommandiert. Da fahren die Kaiserin Elisabeth und an Ihrer Seite Rudolf vor und verlangen ausdrücklich von mir ein Glas Wasser, das ich Ihnen reichte. Ich bemerkte, dass mich die Kaiserin, welche mich ja ohnehin kannte, musternd ansah. Bereits am nächsten Tage hatte ich das Anstellungsdekret und war fortan an der Seite des Kronprinzen Rudolf. Ich traute meinen Augen nicht, ich hatte ja gar nicht angesucht um direkte Verwendung bei Hofe, war ich doch damals noch zu jung. Nächsten Tag bereits war ich in der Hofburg und trat meinen Dienst an.

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      Johann Loschek war der Letzte, der Mary Vetsera und Kronprinz Rudolf lebend sah. Und er war es auch, der ihre Leichen entdeckte.

       Das bisher unbekannte Reisetagebuch

      Genau genommen hatte der 32-jährige Johann Loschek jetzt die Position des »k. u. k. Saalhüters, Kammerdieners und Jägers Seiner kaiserlichen Hoheit, des Kronprinzen Erzherzog Rudolf« inne. In den zwölf Jahren bis zur Tragödie von Mayerling begleitete er seinen Herrn auch auf all dessen Reisen nach Afrika, auf den Balkan, nach Athen, Damaskus, Kairo, Jerusalem, Paris, Straßburg, München und Augsburg. Bisher noch nie veröffentlicht ist das ebenfalls auf seinem Gut in Kleinwolkersdorf aufgefundene Reisetagebuch, das Loschek akribisch führte. Hier sind erstmals Auszüge daraus zu lesen.

       Reisen per Yacht, Bahn und mit der Kutsche

      Die sich meist über mehrere Wochen hinziehenden Reisen entpuppten sich als großes Abenteuer für den Kammerdiener, der diese auch eindrucksvoll zu beschreiben wusste. Loschek war ein durchaus gebildeter Mann, der einige Gymnasialjahre und eine Forstlehranstalt absolviert hatte, ehe er seinen Dienst beim Kronprinzen antrat. Rudolf und seine Entourage reisten mit der kaiserlichen Yacht Miramar, per Bahn und in Kutschen, nicht selten ritten sie auch übers Land. Die Reisen des Kronprinzen waren vorbildlich vorbereitet, und Rudolf, der sich sehr für die Tier- und Pflanzenwelt interessierte, traf unterwegs mit Gelehrten, Aristokraten, Diplomaten und Geistlichen zusammen. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit wurde zur Jagd geladen. Loschek erzählt von prunkvollen Empfängen an den Königshöfen der Länder, die sie besuchten. »Unter Kanonendonner fuhren wir im herrlichen Hafen von Lissabon ein. Es folgte die Begrüßung durch den König von Portugal. Eine riesige Menschenmenge begrüßte uns.«

       Rettung in letzter Minute

      Loscheks Reisetagebuch ist auch zu entnehmen, dass es um ein Haar gar nicht zu Mayerling gekommen wäre – weil der Kronprinz 1879 nahe der Stadt Malaga mit einem Boot beinahe untergegangen wäre. »Tags darauf ereignete sich ein Zwischenfall, der leicht hätte für uns sehr verhängnisvoll werden können«, schreibt der Kammerdiener, der an diesem Tag mit seinem Herrn und dessen Freundesrunde Sumpfvögel jagte. »Das Meer war ziemlich bewegt. Plötzlich überflutete uns eine Sturzwelle, welche das ganze Boot mit Wasser füllte. Das wäre aber nicht das größte Übel gewesen, sondern die Welle schwemmte auch viel Sand in das Boot, welches zum Sinken anfing – bange Minuten, und wir standen bis zur Brusthöhe im Meere.« Hilflos musste die kleine Gruppe mitansehen, wie das Boot immer tiefer sank und es keine Rettung zu geben schien. Glücklicherweise wurden die Herren dann doch noch in letzter Minute von den Matrosen der kaiserlichen Yacht Miramar entdeckt und, völlig durchnässt, in Rettungsboote aufgenommen.

       Kein Wort über Rudolfs Liebesaffären

      Loschek bleibt in seinem Reisetagebuch immer diskret. Er bediente Rudolf mehrere Jahre in Prag, als dieser dort seinen Militärdienst leistete. Man weiß von etlichen Liebschaften des Kronprinzen in dieser Zeit, doch der Kammerdiener erwähnt in seinen Aufzeichnungen keine einzige.

      Hingegen entnimmt man Loscheks Zeilen, wie populär Rudolf war. Als der Kammerdiener mit seinem Herrn am 22. April 1881 nach mehr als zweimonatiger Afrika- und Asien-Reise am Wiener Südbahnhof ankam, schreibt er: »Unser Zug wurde von einer vieltausendköpfigen Menge erwartet. Rudolf war ja, ohne zu loben, bei den Wienern sehr beliebt. Der Kaiser erwartete uns … und der Jubel wollte kein Ende nehmen. Nun waren wir wieder gesund und glücklich im schönen Wien. Wir alle waren derart abgebrannt, dass sich alle Leute umsahen, wenn wir auf der Gasse gingen.«

       Für den Kammerdiener bricht eine Welt zusammen

      Klar, dass Loschek »seinen« Kronprinzen nur in den prächtigsten Farben schildert. Kein Wunder auch, dass mit dessen tragischem Tod für den Kammerdiener eine Welt zusammenbrach.

      Nach seiner Pensionierung führte Johann Loschek auf seinem Landgut ein sehr zurückgezogenes Leben. Über Mayerling sprach der ehemalige Kammerdiener nie.

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       »Rudolf war ja, ohne zu loben, bei den Wienern sehr beliebt«: Johann Loschek im Alter von über achtzig Jahren auf seinem Landgut in Kleinwolkersdorf

       Der Tod des letzten Loschek

      Nach seinem Tod im Jahr 1932 bewirtschaftete dessen Sohn Johann Loschek jun. mit seiner Frau Margarete den im 14. Jahrhundert erstmals urkundlich erwähnten »Auer Hof«. Das Ehepaar hatte einen Sohn, Johann Loschek III., der als Soldat in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges fiel, wodurch es keinen leiblichen Erben gab. »Mein Mann und der Enkel des Kammerdieners waren seit ihrer Kindheit eng befreundet, sodass seine Eltern nach Johanns Tod meinen Mann und mich – ohne dass wir davon wussten – als Erben einsetzten«, erzählt Rotraut Witetschka.

      Sie und ihr Mann Eduard nahmen das Erbe an, mussten aber das halbe Gut verkaufen, um die historischen Gebäude sanieren und die sehr hohe Erbschaftssteuer zahlen zu können. Frau Witetschka hat es sich auch nach dem Tod ihres Mannes zur Aufgabe gemacht, den Nachlass des Kronzeugen von Mayerling aufzubewahren und in Ehren zu halten.

       Loscheks Nachlass im Museum

      Nachdem das Kronprinz-Rudolf-Museum im Karmelitinnenkloster Mayerling und die Landessammlungen Niederösterreich durch meine Kurier-Kolumne von der Existenz des Loschek-Nachlasses erfahren hatten, übernahmen sie Teile davon, sodass diese in Zukunft der Öffentlichkeit zugänglich sein werden.

      1 Diese Summe entspricht laut »Statistik Austria« im Jahr 2018 einem Betrag von rund 30 000 Euro.

      2 Kronprinz Rudolf hätte an diesem Abend mit seinem Schwager Prinz Philipp von Coburg an einem Familiendiner Kaiser Franz Josephs in der Wiener Hofburg teilnehmen sollen.

      3 Die Berliner Illustrierte Zeitung überwies Johann Loschek jun. für die Überlassung der Erzählung seines Vaters 6000 Schilling. Auch dieser Vertrag liegt im Hause


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