Das gibt's nur bei uns. Georg Markus
des Hauses Marokkanergasse 13 im dritten Bezirk eine elegante Vierzimmerwohnung samt Dienstmädchen zur Verfügung. All das sprach sich natürlich in Wien herum und sorgte für gehöriges Aufsehen.
Der Vater warnt Kamilla vor dieser Beziehung
»Leopold machte ihr nicht nur den Hof, er schien ihr regelrecht verfallen zu sein und versprach ihr schon bald die Ehe«, schreibt Günter Fuhrmann in seinem Buch über das Wiener Palais Coburg. Der Prinz sprach »bei den Eltern des Mädchens vor, doch diese waren mehr als skeptisch. Vor allem Vater Rybicka warnte seine Tochter vor einer Beziehung mit dem Prinzen. Ihm waren die strengen Hausgesetze des Hochadels bekannt, er rechnete nicht damit, dass die Familie dem nächsten Majoratsherrn eine nicht standesgemäße Heirat gestatten würde.«
Genau das war auch der Fall. Dem Coburg’schen Hausgesetz folgend, konnten Kinder nur dann der Familie angehören, wenn sie einer ebenbürtigen Ehe entstammten, andernfalls würde ihnen das Erbrecht entzogen. Leopolds Vater, der selbst leidgeprüfte Prinz Philipp, versuchte seinem Sohn die Mesalliance mit allen Mitteln auszureden, doch der blieb stur und wollte von seiner »Milla«, wie er sie liebevoll rief, nicht lassen.
Prinz Leopold rechnet mit Krieg
Als die Schüsse von Sarajevo fielen, hielt sich das ungleiche Paar gerade in Paris auf. Leopold, der der k. u. k. Armee angehörte, ahnte, dass ein Krieg bevorstand und er mit seinem Husarenregiment Nr. 9 einrücken würde. Um die Geliebte abzusichern, verfasste er auf dem Briefpapier des Pariser Hotels Majestic dieses erhalten gebliebene Eheversprechen:
Ich verpflichte mich auf Ehrenwort Fräulein Camilla Rybicka in sechs Monaten zu heirathen vom heutigen Tage an gerechnet. Falls ich vorher sterben sollte, setze ich die genannte Dame zu meiner Universalerbin ein, die gesetzlichen Erben beschränke ich auf den Pflichttheil. Ausserdem bitte ich meinen Vater inständig Fräulein Camilla Rybicka zwei Millionen1 als Abfindung zu geben. Leopold Prinz Sachsen Coburg, Paris 1. Juli 1914.
Leopold soll König von Mazedonien werden
Es war Leopold also wirklich ernst. Vier Wochen nachdem er dieses Eheversprechen aufgesetzt und unterschrieben hatte, brach der Erste Weltkrieg aus. Coburg wollte an die Front, und Europa schlitterte in eine ungewisse Zukunft. Als im Laufe des Kriegsjahres 1915 bulgarische Truppen weite Teile von Mazedonien besetzten, wurde Prinz Leo – dessen Onkel Ferdinand der regierende König von Bulgarien war – der Thron als König von Mazedonien in Aussicht gestellt. Unter der Bedingung, dass er eine bulgarische Prinzessin heiraten würde.
Das Pariser Eheversprechen Prinz Leopolds von Coburg
Bei aller Liebe zu Kamilla …
Das Angebot war mehr als verlockend. Bei aller Liebe zu Kamilla spielte der Prinz nun erstmals mit dem Gedanken, die Angebetete doch zu verlassen. Wohl als Folge des Eheversprechens bot Prinz Philipp von Coburg der Verlobten seines Sohnes eine Apanage – jetzt sogar in Höhe von 4 Millionen Kronen – an, für den Fall, dass sie einer Beendigung der Beziehung zustimmen würde.
Am Nachmittag des 17. Oktober 1915 sollte es im Liebesnest des Paares in der Marokkanergasse zu einer Aussprache kommen. Kamilla hatte ihrem Dienstmädchen freigegeben und ihre nächsten Schritte in allen Einzelheiten geplant. Leopold erschien in seiner Uniform als Husarenrittmeister und dürfte der Geliebten erklärt haben, sie entgegen allen bisherigen Beteuerungen doch nicht heiraten zu können.
Daraufhin schritt Kamilla zur folgenschweren Tat. Sie hatte eine mit Vitriolsäure gefüllte Tasse vorbereitet, deren Inhalt sie dem Prinzen ins Gesicht schüttete. Dann gab sie mit einem Revolver mehrere Schüsse auf ihn ab, ehe sie sich selbst ins Herz schoss. Kamilla war auf der Stelle tot.
»Ich kann ohne Leopold nicht leben«
In einem in der Wohnung aufgefundenen Abschiedsbrief bat sie ihre Eltern um Verzeihung und gab als Grund für die Tat an, dass sie ohne ihren Leopold nicht leben könnte.
Österreichs letzter Coburger
Von den Schüssen aufgeschreckt, eilten Nachbarn und der Hausmeister herbei und ließen die Wohnungstür durch einen Schlosser aufbrechen. Neben Kamillas Leichnam lag blutüberströmt und mit schweren Verletzungen Prinz Leopold, dessen Gesicht durch die schwefelhaltige Säure entstellt war. Er wurde ins Privatsanatorium Löw gebracht und notoperiert. Nach sechsmonatigem Leid und durch die Säure erblindet, erlag der 38-jährige Coburger am 27. April 1916 den Folgen seiner schweren Verletzungen. Prinz Leopold wurde im Wiener Palais Coburg aufgebahrt, die österreichische Linie der Familie hatte keinen Erben mehr.
Die Schauspielerin Kamilla Rybicka, die auch als Lotte Gregowicz auftrat, verübte am 17. Oktober 1915 ein Attentat auf ihren Geliebten, Prinz Leopold von Coburg.
Die durch ihren Ehekonflikt ohnehin traumatisierten Eltern Louise und Philipp von Coburg konnten den tragischen Tod ihres einzigen Sohnes nie verwinden.
1 Diese Summe entspricht laut »Statistik Austria« im Jahr 2018 einem Betrag von rund 10 Millionen Euro.
»Wie ein Blitz aus heiterem Himmel« Prinz Leo und Kamilla Rybicka in der Anekdote
In derselben Ausgabe der Zeitung wurde auch eine Erklärung von Kamilla Rybickas Mutter abgedruckt: »Meine Tochter hatte als ganz junges Mädchen dank der Stellung meines Mannes oft Gelegenheit, das Burgtheater und die Oper zu besuchen, und daraus entstand bei ihr eine wahre Schwärmerei für das Theater. Als 13-, 14-jähriges Mädchen hing sie sich zu Hause Tücher um und deklamierte tragische Rollen.« Mit 19 Jahren debütierte Kamilla als »erste sentimentale Liebhaberin« am Stadttheater in Meran, zwei Jahre später trat sie im Sommertheater in Marienbad auf. »Dieses Engagement sollte meiner Tochter zum Verhängnis werden. Dort sah sie Prinz Leopold von Coburg zum ersten Mal, und er war von ihr so entzückt, dass er ihr Blumen und Bonbons schickte und sie bat, sich ihr nähern zu dürfen. Bald darauf bekamen wir von Kamilla einen Brief, in dem sie uns schrieb, dass der Prinz ihr erklärt habe, dass er sie heiraten wolle. Dieser Brief wirkte auf uns wie ein Blitz aus heiterem Himmel …«
Frau Rybicka erklärte weiter, dass Leo und Milla »immer wieder von der glücklichen Ehe des Erzherzogs Franz Ferdinand und der Gräfin Chotek sprachen und hofften, dass es auch ihnen vergönnt sei, ein so ungetrübtes Eheleben zu führen.«
Den 17. Oktober 1915 beschrieb Frau Rybicka mit den Worten: »Als der Prinz um halb 5 Uhr erschien, wurde er von meiner Tochter, die ganz alleine zu Hause war, empfangen. Die beiden hielten sich, wie der spätere Augenschein ergab, die ganze Zeit im Salon auf … Zwischen 6 und 7 Uhr muss dann die fürchterliche Tat geschehen sein. Zunächst mussten sich beide wie immer ruhig miteinander unterhalten und wie so oft Bridge gespielt haben, denn auf dem Tisch lagen die Spielkarten verstreut … Ob der Prinz meiner Tochter in dieser letzten Unterredung den Abschied gegeben und sie