Ministerium der Liebe. Bettina Gugger

Ministerium der Liebe - Bettina Gugger


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daraus Erkenntnisse, Kraft und Heilung, aber niemals eine Sicherheit.» Er schaute Carmen fasziniert an, gleichzeitig wollte etwas in ihm ihr Glück in Abrede stellen. «Das Leben ist nicht sicher. Nichts ist sicher. Das ist alles, was ich in zwanzig Jahren Psychoanalyse gelernt habe. Gewisse Strukturen wiederholen sich, die Theorie trifft oft den Nagel auf den Kopf. Aber der Einzelne verhält sich nie nach dem Lehrbuch.»

      Er dachte über ihre Worte nach und wunderte sich plötzlich, warum er immer zögerte. Während seine Frau mutig voranschritt, fühlte er sich nicht viel anders als am ersten Tag nach der Trennung. Natürlich gab es das eine oder andere Abenteuer. Es gab gute und schlechte Momente, aber er war nicht weiter, auch wenn er sich nicht mehr betrank. Es ging ihm dadurch nicht besser.

      «Du kontrollierst!», sagte Carmen, als der Kellner die neue Flasche Wein an den Tisch brachte. Er liess sie probieren, sie schwenkte kurz das Glas, nahm einen Schluck, schaute auf die Etikette und sagte: «Parfait, Monsieur.» «Du hast Angst vor dem Mädel, da sie das Irrationale lebt. du denkst, dass das Irrationale immer mit Kontrollverlust zu tun hat. Dabei ist es andersrum. Du hast jahrelang die Sucht in deinen Dienst gestellt, damit sie die Kontrolle für Dich übernimmt. Jetzt bist du soweit suchtfrei, aber Dein Kontrollzwang ist stärker denn je.»

      Er schaute sie verblüfft an. «Warum sagst du mir das erst jetzt? Du weisst seit über zwanzig Jahren, dass ich ein Kontrollfreak bin, während ich die ganze Zeit denke, ich hätte mich nicht im Griff.»

      «Ja, eben!», lachte Carmen. «Deine Freunde waren nie das Problem. Gut, sie waren teils an der Grenze zum Wahnsinn, aber Wahnsinn ist nicht ansteckend. Schädlich war, dass du dir mit Alkohol und Drogen eine Mauer errichtet hast.»

      «Unglaublich!», stöhnte er. «Da ist man jahrelang mit einem sprechenden Ratgeber verheiratet, der aber aus unerfindlichen Gründen schweigt.»

      Carmen musste lachen. «Es ist nicht einfach, eine Situation einzuschätzen, wenn man selber involviert ist. Und es ist ja nicht so, dass ich deine Leichtigkeit nicht geschätzt hätte. Es war ja nie ein Drama mit dir. du hast für dich gelitten, du warst nicht immer für uns da, aber das hast du immer ausgeglichen mit der Präsenz, wenn du tatsächlich da warst.»

      Daniel schockierte die Analyse seiner Noch-Ehefrau. Er dachte von sich ganz anders. Er hielt sich durchweg für anmassend, rechthaberisch und arrogant.

      Daniel genoss das Rauschen der Wellen und fragte sich, was er eigentlich all die Jahre von seiner Frau wahrgenommen hatte. Durch den Schleier seiner Bedürftigkeit hatte Carmen nur für ihn existiert. Jetzt, wo er nicht mehr auf sie zählen konnte, sah er sie. Und seltsamerweise gab sie ihm in diesem Augenblick das, wonach er jahrelang gesucht hatte.

      Aus dem Urlaub zurück, fragte ihn Lara, wie es gewesen war. Sie machten sich gerade zusammen an dem Richter zu schaffen, der endlich aus der Restaurierung zurück war.

      «Ich bin fast ertrunken», sagte Daniel.

      «Wirklich?», krächzte Lara. Der Duft ihres Parfums kitzelte seine Nase.

      «Schliess mal kurz die Augen», sagte Daniel. Sie stellten das Bild auf den Boden.

      «Hast du die Augen geschlossen? Und, was siehst du?», fragte Daniel.

      «Nichts», sagte Lara.

      «Falsch.»

      «Wie, falsch?», entgegnete Lara genervt.

      «Du siehst etwas. Beschreibe mir, was du siehst.»

      «Schwarze Flecken sehe ich, darin gelbe Farbtupfer. Und deine Stimme, es ist, als könnte ich deine Stimme sehen.»

      Daniel klatschte in die Hände. «So war es beim Surfen, während mich die Welle immer wieder unter Wasser drückte.»

      Nun befahl er ihr, die Augen wieder zu öffnen, und er vollführte mit seinen kräftigen Händen die Wellenbewegung, während Lara mit halb offenem Mund in seinem Blick surfte.

      «Was ist denn das für eine Erklärung?», wollte plötzlich eine Stimme wissen.

      Sie blickten beide in das Gesicht eines gross gewachsenen schwarz gekleideten Mannes, der eine Krähe auf seiner Schulter trug. «Wellen», sagten sie beide wie aus einem Mund.

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