Grenzgänger. Aline Sax

Grenzgänger - Aline Sax


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ich bin da«, gab ich zurück. Er sollte mich nicht unterkriegen, das hatte ich mir vorgenommen. Er sollte nicht denken, er könnte mich dauernd nach seiner Pfeife tanzen lassen.

      »Hast du die Pinke?« Er blieb am Fenster stehen, mit dem Licht von der Straße im Rücken. So konnte er mich gut sehen, ich ihn aber nur als Silhouette. Lernte man solche Tricks als Grenzwächter?

      Ich zog die Hand mit dem Geld aus der Tasche und hielt sie ihm geöffnet hin.

      Um es zu nehmen, musste er ein paar Schritte näher kommen. Mit einer kleinen Taschenlampe, die Finger vor dem Strahl gespreizt, zählte er die Scheine. Grenzpolizist durch und durch, war er sogar zu diesem Anlass uniformiert erschienen.

      Er ließ ein zustimmendes Brummen hören, als er feststellte, dass ich ihn nicht betrügen wollte.

      »Ich habe mich an unsere Vereinbarung gehalten.« Zum Glück schaffte ich es, mit fester Stimme zu sprechen. »Wie kann ich wissen, ob du dich auch daran hältst?«

      »Das kannst du nicht wissen.« Er steckte das Geld in die Innentasche seiner Uniformjacke. »Es sei denn, du besorgst mir bis nächste Woche sechshundert Mark.« Unvermittelt hob er die Taschenlampe und leuchtete mir ins Gesicht.

      »Das geht nicht. Mehr Geld kann ich nicht auftreiben.« Mir brach der Schweiß aus. Was ich befürchtet hatte, war eingetreten. Warum sollte er sich auch mit fünfhundert Mark begnügen, wenn es so leicht war?

      Er leuchtete mir direkt in die Augen und kam ganz nahe heran.

      »Diesmal hat’s doch auch geklappt, oder?« Sein Atem stank nach Bier.

      Ich wandte das Gesicht ab.

      »Dann musst du eben an dein Erspartes gehen, Grenzgänger.« Sein Ton hatte die gleiche Wirkung wie ein brennendes Streichholz an einer Lunte.

      »Hör zu, du Arsch!«, zischte ich und stieß ihn von mir weg.

      »Die Grenze ist dicht, und zwar für alle. Ich arbeite jetzt hier. Für einen Hungerlohn. Keine Ahnung, was du dir vorstellst, aber ich hab zu Hause keinen Geldscheißer. Wenn ich sage, an mehr komme ich nicht, dann stimmt das.«

      »Du wirst müssen!«

      »Von wegen!« Ich hatte geschrien. Weil mir inzwischen egal war, ob jemand uns hörte.

      »Dann … dann … melde ich der Stasi, dass du fliehen wolltest!«

      »Tu, was du nicht lassen kannst!« Mir war bewusst, dass ich damit ein hohes Risiko einging, aber auch das war mir in dem Moment egal.

      »Ich melde das, verlass dich drauf!«

      »Aber Beweise hast du keine!«

      »Du bringst mir Geld, oder …« Er wollte mich an der Jacke packen, aber ich war schneller und umgriff seine beiden Handgelenke.

      »Du hast Geld bekommen!«

      »Ich will mehr!« Er riss sich los, offenbar verlieh die Wut ihm zusätzliche Kraft. »Bring mir Geld, oder du wirst es bereuen!« Er wollte sich auf mich stürzen. Mit beiden Händen versetzte ich ihm einen Stoß vor die Brust. Er geriet ins Schwanken, taumelte rückwärts und stolperte über etwas am Boden. Wild mit den Armen rudernd, fiel er gegen die Fensterscheibe, durchbrach sie und stürzte mit einem Schrei in die Tiefe.

      Ehe ich so recht kapiert hatte, was geschehen war, hörte ich einen dumpfen Aufprall.

      Ich schloss die Augen und wartete ein paar Sekunden. Dann schlug ich sie wieder auf.

      Kein Wolfgang mehr am Fenster …

      Langsam ging ich hin und beugte mich über die Scherbenzacken. Er lag unten auf der Straße. Auf dem Rücken, mit ausgebreiteten Armen und den Kopf unnatürlich abgewinkelt. Seine Stirn glänzte im Laternenlicht, und der Regen prasselte auf seine Uniform.

      Mir wurde eng in der Brust. Ich knöpfte Jacke und Hemdkragen auf, aber der Druck wollte nicht weichen. Ich bekam kaum noch Luft. Mit beiden Händen stützte ich mich auf die Fensterbank und merkte kaum, dass sich Glassplitter in meine Haut bohrten. Im Haus gegenüber wurde Licht gemacht. Rasch trat ich beiseite. Eine Frau öffnete das Fenster, streckte den Kopf ins Freie und rief etwas. Sie rief laut, trotzdem verstand ich es nicht, weil ich das Gefühl hatte, sie wäre unendlich weit weg. Als ich von der Seite her einen Blick auf die Straße warf, schien es mir, als läge Wolfgang in mindestens hundert Metern Tiefe. Sekundenlang gab der Boden unter mir nach, und die Wände drehten sich.

      Ich musste weg.

      Dieser Gedanke bahnte sich durch den dichten Nebel in meinem Gehirn einen Weg ins Bewusstsein.

      Ich musste weg.

      Weg kam ich nur durch die Vordertür, denn der Innenhof war von hohen Mauern umgeben. Bestimmt würde demnächst die Polizei auftauchen und dann … ein toter Grenzwächter lag auf der Straße …

      Ich musste weg.

      Hinterher konnte ich nicht mehr sagen, wie ich weggekommen war. Ich weiß nur noch, dass ich mich durch den Türspalt ins Freie quetschte … und dann saß ich auf dem Bürgersteig des Hauses, in dem Rolf wohnte. Oben brannte kein Licht. Und mitten in der Nacht klingeln wollte ich auch nicht. Vielleicht war es besser, er wusste von nichts.

      Es hatte aufgehört zu regnen, und ich lehnte den Kopf an die Hauswand.

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