Alles aus Neugier. Georg Markus
großer Beliebtheit erfreut.
Eines Nachmittags klopfte ein philharmonischer Geiger, der abends als Gast an einem Hauskonzert teilnehmen sollte, an der Tür seines Hausmeisters: »Herr Novak«, sagte er, »da haben Sie 300 Schilling, dafür spielen Sie heute für mich in der Oper!«
Der Hauswart, ein redlicher Mann, entgegnete entsetzt: »Aber Herr Professor, ich kann doch gar net Geige spielen!«
Darauf der Philharmoniker: »Das macht nichts, Sie brauchen ja nur zu schauen, was die anderen machen – und dann tun Sie dasselbe. Bei so vielen Geigern im Orchester kann gar nix passieren.«
Herr Novak ging in die Oper, der Philharmoniker zu seinem Hauskonzert, und danach schaute er noch beim Hausmeister vorbei, um ihn zu fragen: »Na, Herr Novak, wie war’s?«
Worauf er als Antwort erhielt: »Herr Professor, die Vorstellung war eine Katastrophe!«
»Ja, aber warum denn?«, wollte der Geiger wissen.
»Es waren nur Hausmeister da!«
Aus »Die Enkel der Tante Jolesch« (2001)
DIE GEHEIMEHE
Kaiser Franz Joseph und die Schauspielerin
Als im Herbst 1982 meine Biografie über die Schauspielerin Katharina Schratt erschien, gab es einen ziemlichen Wirbel in Österreich. Kaiser Franz Joseph I. und seine langjährige Seelenfreundin seien möglicherweise eine Geheimehe eingegangen, stand darin zu lesen. Das durfte nicht sein, auch wenn die Monarchie längst nicht mehr existierte, Kriege und Revolutionen die Welt verändert hatten, das war zu viel. Also meldete sich die damals in der Schweiz lebende Ex-Kaiserin Zita zu Wort und behauptete, dass »Kaiser Franz Joseph natürlich nicht mit Katharina Schratt verheiratet« gewesen sei.
Allerdings verkündete »die letzte Kronzeugin der Monarchie« ein halbes Jahr später, Kronprinz Rudolf sei in Mayerling von dunklen Mächten ermordet worden. Spätestens da begannen die Geschichtsforscher Zitas Aussagen generell infrage zu stellen: »Wenn die Enthüllungen der Kaiserin so weitergehen, wie sie jetzt sind, wird das nur eine Seifenblase sein«, meinte die Historikerin Brigitte Hamann. »Das ist schade, denn von einer Zeugin der Geschichte könnte man ein wahrhaftiges Zeugnis erwarten. Wir wären glücklich, wenn wir durch Zita an neue Quellen kämen, aber das, was die ehemalige Kaiserin berichtet, ist keine Quelle, das ist Tratscherei.«
Aus ihrer »Mordtheorie« von Mayerling ergab sich, dass Zitas Behauptung, Franz Joseph sei »natürlich nicht mit Katharina Schratt verheiratet« gewesen, ebenso zweifelhaft war. Es ist auch nicht anzunehmen, dass die spätere Kaiserin je von dieser Eheschließung informiert worden wäre.
Der Historiker Adam Wandruszka – damals wohl der profundeste Kenner des Hauses Habsburg – war jedenfalls aufgrund der von mir vorgelegten Zeugenaussagen und Indizien »überzeugt, dass der Kaiser und die Schauspielerin eine Geheimehe eingegangen sind«.
Versetzen wir uns in die letzten Jahre der Monarchie. Ein alter Herr, gezeichnet von den Lasten eines sorgenreichen Lebens, und eine um 23 Jahre jüngere Frau betreten das Erzbischöfliche Palais am Wiener Stephansplatz. Ein Priester geleitet sie in die Andreaskapelle, wo die beiden getraut werden. Sie gehen eine Ehe ein, die »vor Gott« geschlossen, vor der Öffentlichkeit aber geheim gehalten wird. Dieses Paar konnte und durfte keine »normale« Hochzeit feiern. Denn er war der Kaiser von Österreich und sie die Tochter eines Papierwarenhändlers aus Baden bei Wien, von Beruf Schauspielerin. Beide waren verwitwet. So unterschiedlich ihre Herkunft, ihr gesellschaftlicher Rang auch gewesen sind, zum Zeitpunkt dieser Eheschließung verband sie doch eine rund drei Jahrzehnte andauernde Romanze, wie sie in der Geschichte der österreichisch-ungarischen Monarchie einmalig ist.
»Gewissensehe« nennt die katholische Kirche die geheim zu haltende Legalisierung einer Verbindung. Damals wie heute werden solche Gewissensehen äußerst selten eingegangen, denn normalerweise will man seinen Partner vor Zeugen und vor der Öffentlichkeit heiraten.
Diese Hochzeit musste aber geheim bleiben, da ein Kaiser und eine Schauspielerin nicht heiraten durften. Wie aber kam es, dass das Geheimnis ihrer Trauung Jahrzehnte nach der Zeremonie gelüftet wurde?
Um dies zu ergründen, werfen wir einen Blick in das Jahr 1934. Der Kaiser war seit 18 Jahren tot, Katharina Schratt lebte, über 80 Jahre alt, zurückgezogen in Wien. Die noch junge und doch schon wieder im Sterben liegende Erste Republik hatte gerade einen Bürgerkrieg, der Hunderte Tote und Verwundete forderte, überstanden.
Vier Monate nach den »Februarkämpfen« des Jahres 1934 wollte ein junges Paar heiraten. Dieses musste seine Eheschließung ebenfalls geheim halten, auch wenn in diesem Fall ganz andere Gründe ausschlaggebend waren als Jahrzehnte davor für den Kaiser und die Schauspielerin: Der Wiener Medizinstudent Otto Wagner – er wurde später Primarius des St.-Josef-Spitals in Wien – entstammte einer konservativen, altösterreichischen Familie. Weder seine Eltern noch die seiner Braut Edeltraut Dobrucka – sie war die Tochter polnischer Aristokraten – durften von dieser Hochzeit erfahren, zumal Otto Wagner sein Studium noch nicht abgeschlossen hatte. Trauzeuge war der später namhafte Wiener Sozialreformer und Universitätsprofessor August Maria Knoll, zuvor auch Privatsekretär des österreichischen Bundeskanzlers Ignaz Seipel.
Die Eheschließung zwischen Otto Wagner und Edeltraut Dobrucka fand am 30. Juni 1934, ebenfalls in der Andreaskapelle des Wiener Erzbischöflichen Palais, statt. Bevor der Pfarrer die Trauung vornahm, hatte er in der der Kapelle angrenzenden Sakristei jenes Trauungsbuch auf den Tisch gelegt, in das Gewissensehen eingetragen werden. Dann verließ der Priester für wenige Minuten den Raum. Das Brautpaar und sein Trauzeuge sahen sich das aus dem Geheimarchiv des Erzbischöflichen Palais geholte Buch an und wurden Zeugen einer wahrhaft sensationellen Eintragung. Hier stand schwarz auf weiß, worüber in Österreich zwar seit Jahrzehnten gemunkelt wurde, was aber niemand wahrhaben wollte, geschweige denn beweisen konnte: Kaiser Franz Joseph und Katharina Schratt hatten geheiratet.
Die Eintragung – mit den eigenhändigen Unterschriften – lautete auf die Namen »Franz Joseph von Habsburg-Lothringen« und »Katharina Kiss de Ittebe, geb. Schratt«.
Im katholischen Kirchenrecht, Abschnitt Eherecht, ist unter dem Kapitel »Gewissensehe« zu lesen: »Die Gewissensehe (matrimonium conscientiae) ist die Ehe, die wohl in der ordentlichen Form, aber ohne Verkündung geschlossen und geheim gehalten wird. Sie kann nur vom Ordinarius (in diesem Fall der Erzbischof von Wien, Anm.) gestattet werden. Der Eintrag dieser Ehe hat in einem besonderen, im Geheimarchiv der bischöflichen Kurie aufbewahrten Buch stattzufinden, nicht im Pfarr-, Ehe- und Taufbuch.«
Dieses im Geheimarchiv der bischöflichen Kurie aufbewahrte Buch lag also am 30. Juni des Jahres 1934 aufgeschlagen vor Otto Wagner und Edeltraut Dobrucka sowie ihrem Trauzeugen August Maria Knoll. Sie konnten die Eintragung – jeder für sich und unabhängig voneinander, wie sie später bekundeten – klar und deutlich lesen.
Die drei Zeugen dieser Eintragung sind tot. Doch sie berichteten zu ihren Lebzeiten mehreren ihnen nahestehenden Personen gegenüber von ihrer Entdeckung. August Maria Knoll erzählte davon seinen Söhnen Reinhold, Norbert und Wolfgang und seinem Schüler, dem bekannten Wiener Politologen und Universitätsprofessor Norbert Leser.
Dieser, von mir befragt, erklärte: »Für mich gibt es an der Glaubwürdigkeit der Angaben meines Lehrers August Maria Knoll keine Zweifel, es sind ihm aus dieser Behauptung niemals irgendwelche Vorteile erwachsen, er hat in der Öffentlichkeit auch nie Verwendung davon gemacht. Ich bin sicher, dass Kaiser Franz Joseph und Frau Schratt tatsächlich verheiratet waren.«
Reinhold Knoll, Historiker und ebenfalls Professor an der Universität Wien, ist von dieser Eheschließung nicht weniger überzeugt: »Auch meinen Brüdern und mir hat unser Vater mehrmals von seiner Wahrnehmung im Trauungsbuch der Andreaskapelle erzählt. Es gab für ihn keinen Zweifel, dass Kaiser Franz Joseph und Katharina Schratt verheiratet waren.«
Der Ehe Otto und Edeltraut Wagners (die 1936 öffentlich besiegelt wurde) entsprangen drei Kinder: Otto Wagner jun. war Oberarzt der 1. Chirurgischen Universitätsklinik in Wien. Edeltraud