Über die Grenze. Майя Лунде
Maja Lunde
Über die Grenze
Aus dem Norwegischen von
Antje Subey-Cramer
Mit Illustrationen von Regina Kehn
Dank an
Espen Torkildsen
Irene Levin
Mats Tangestuen
Inhalt
Verstecken – aber nicht zum Spaß
Der Weg mag uns führen, wohin er will
Das Bild, das nicht an seinem Platz hing
Der Soldat mit den braunen Augen
Norwegen, November 1942
In Zuckereiern baden
»Gerda, hast du schon wieder Zuckereier gemacht?«, fragte Klara.
»Aber nein«, sagte ich.
»Die letzten Eier sind weg!«
»Ich habe sie jedenfalls nicht genommen.«
»Bist du dir da ganz sicher?« Sie warf mir einen langen Blick zu. Mir kamen die Tränen, während ich heftig nickte. Klara, unser Hausmädchen, war eigentlich immer auf meiner Seite. Wenn sie mir nicht glaubte, glaubte mir keiner. Zum Glück lächelte sie und kniff mich in die Nase. Das war ein gutes Zeichen. Dann sagte sie leise und mehr zu sich selbst: »Manchmal frage ich mich, ob wir die Einzigen in diesem Haus sind.«
Klara pflegte nicht zu klagen, aber in letzter Zeit hatte sie sich darüber beschwert, dass Lebensmittel verschwanden. Es lag nahe, mich zu beschuldigen, denn alle wussten, dass ich ständig Hunger hatte. Und es war ja auch schon passiert, dass ich Eier und Zucker gemopst hatte. Aber dieses Mal war ich es wirklich nicht gewesen.
Ich beugte mich über die Hausaufgaben, musste aber immerzu an die verschwundenen Lebensmittel denken. Gab es hier im Haus Mäuse? Oder waren es Menschen, die das Essen stahlen? Und warum mussten sie unbedingt unsere Lebensmittel futtern? Wir hatten im Moment doch wirklich nicht zu viel davon. Zum Beispiel bekamen wir fast nie mehr Ziegenkäse auf unser Brot. Es gab genug Kartoffeln und Hering, aber meinen Magen füllte das nicht. Jedenfalls nicht so wie Süßes. Sich vorzustellen, eine ganze Tüte Karamellen auf einmal essen zu können … Oder eine Kanne Schokoladensoße zu trinken. Oder – in Zuckerei zu baden! Mitten in einer riesigen Schüssel zu liegen und einfach alles aufzuschlecken. In all dem Weichen, Gelben herumzuschwimmen und außen und innen süß und klebrig zu werden. Und zu spüren, dass der Magen bis oben hin voll wurde. Das wäre wirklich was!
Aber nun fehlten also Eier, und deshalb würde es für mich kein Zuckerei geben. Nicht einmal ein kleines Schüsselchen. So war es im Krieg.
Ach