Über die Grenze. Майя Лунде

Über die Grenze - Майя Лунде


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er wollte offensichtlich nicht mehr dazu sagen.

      »Sag doch!«

      Otto wand sich in seinem Bett.

      »Kümmer dich nicht darum, Gerda.«

      »Warum nicht?«

      »Wir sollen uns darüber keine Gedanken machen.«

      »Aber ich mache mir jetzt Gedanken darüber. Mit dem ganzen Kopf.«

      Er setzte sich auf, und plötzlich wirkte er fast böse.

      »Sie tun etwas, was sie nicht tun sollten. Etwas, was gefährlich und dumm ist. Etwas, was die Deutschen nicht mögen.«

      Hä? Kämpften Mama und Papa gegen die Deutschen?

      Ich warf Otto einen Blick zu. Sein Mund war ein Strich, die Augen waren dunkel und groß. Aber Otto war nicht böse – er hatte Angst. Angst wegen der Sache, die Mama und Papa am Laufen hatten.

      Mein Herz klopfte, ich hatte schweißnasse Hände. Mein Mund war bestimmt auch ein Strich. Aber ich wollte nicht so sein wie Otto, ich wollte keine Angst haben. Denn Mama und Papa kämpften gegen die Deutschen. Das war ja fast wie in einer Abenteuergeschichte. Sie kämpften wie Musketiere gegen Graf Schwarzblut. Ein geheimer Kampf, um die Deutschen aus Norwegen zu verjagen. Mein großer, dünner Papa im Arztkittel und mit Schwert in der Hand, Mama mit Pfeil und Bogen. Diese Vorstellung half – mein Herz beruhigte sich.

      Und vielleicht waren die Stimmen im Keller Teil dieses Abenteuers?

      Die Antwort darauf bekam ich schneller, als ich erwartet hatte. Nämlich bereits in derselben Nacht.

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       Der Geisterjunge

      Klara hatte schon Feierabend und war nach Hause gegangen. Wir hatten unsere Pyjamas angezogen, Hafergrütze gegessen und uns schlafen gelegt – Otto mit gefalteten Händen auf der Bettdecke, seine Brille zusammengeklappt auf dem Nachtschrank. Ich lag zusammengerollt wie ein Würstchen im Schlafrock in all dem Bettzeug.

      Ich träumte von Graf Schwarzblut. Wir fochten einen wackeren Schwertkampf. Er stieß sein Schwert gegen meines.

      Ich sprang herum, um ihm zu entkommen, aber er folgte mir. Also musste ich die Beine in die Hand nehmen und Deckung suchen.

      Füße hämmerten gegen den Boden. Graf Schwarzblut war direkt hinter mir. Ich lief so schnell ich konnte, doch er holte auf. Ich hörte nur meine Schritte.

      Dann erwachte ich jäh. Ich hatte das Gefühl, immer noch zu laufen, denn das Laufgeräusch war mir aus dem Traum gefolgt. Aber – ich lag doch in meinem Bett? Trotzdem hörte ich die Schritte auf der Erde.

      Dunk, dunk, dunk. Dann wurde es ganz still. Schließlich folgte ein weiteres schweres Dunk.

      Ich stand auf. Das Geräusch kam von draußen. Otto hörte offensichtlich nichts. Er schlief mit friedlichem Gesicht.

      Ich schlich mich ans Fenster und spähte hinaus. Der Mond erleuchtete den Garten. Zwischen den Apfelbäumen konnte ich eine weiß gekleidete Gestalt erkennen, die dort entlanglief. Dann sprang sie ab, flog durch die Luft und landete etwas weiter entfernt mit einem geräuschvollen Dunk.

      Seltsam.

      Ich öffnete das Fenster und kletterte hinaus. Von unserem Zimmer aus führte eine Feuerleiter hinunter in den Garten. Otto benutzte sie nie. Sobald er sich mehr als zehn Zentimeter über dem Erdboden befand, begann er nämlich zu schwanken, wahrscheinlich, weil er eine Memme war. Ich dagegen benutzte die Leiter ständig.

      Ich schlüpfte hinunter und schlich zu den Johannisbeerbüschen. Von hier hatte ich einen guten Blick.

      Die Gestalt war ungefähr so groß wie ich. Sie fuhr fort, zu laufen und durch die Luft zu fliegen – mehrere Male. Das war das Merkwürdigste, was ich je gesehen hatte. Ein Gespenst, das durch unseren Garten flog?

      Ich schlich näher.

      Plötzlich drehte sich das Gespenst um, starrte mir direkt ins Gesicht und blieb wie angewurzelt stehen. Es war ein Junge. Ein blasser, dünner Junge mit schwarzen Haaren. Und ziemlich hübsch.

      Er sah mich an, und ich sah ihn an.

      So standen wir eine ganze Weile. Mit einem Mal drehte er sich um und lief weg. Vorbei an den Apfelbäumen, den Blumenbeeten mit den Kartoffeln und um die Hausecke. Ich lief ihm nach. Als ich um die Ecke kam, war dort niemand – aber die Haustür stand offen. Er musste ins Haus geschlüpft sein.

      Ich betrat den Flur, machte die Tür hinter mir zu, legte die Sicherheitskette vor und sperrte ab. Unser Haus lag groß und still da. Ich blieb mitten im Flur stehen und überlegte. War er in den Keller hinuntergegangen?

      Vielleicht war es seine Stimme gewesen, die ich früh am Tag dort unten gehört hatte? Ich ging zur Kellertür, aber plötzlich drang aus der Küche ein leises Geräusch. Aha! Dort hatte er sich also versteckt. Jetzt hatte ich ihn!

      Aber ich hatte ihn nicht. Denn im selben Augenblick geschah etwas draußen auf dem Hof.

      Scheinwerferlicht glitt durch das Fenster und über die Wände des Flures. Eine Reihe von Autos raste donnernd auf unseren Hof. Türen wurden geöffnet, und schwere Stiefelschritte stürmten auf das Haus zu.

      Dann klingelte es. Ungestüm und lang anhaltend. Und jemand rief und hämmerte gegen die Tür.

      »Doktor Wilhelmsen!«

      Irgendjemand wollte etwas von Papa – mitten in der Nacht. Manchmal passierte es, dass nachts Patienten vor der Tür standen, aber nie so viele auf einmal.

      »Doktor Wilhelmsen! Machen Sie die Tür auf!«

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       Verstecken – aber nicht zum Spaß

      Der Erste, der in den Flur hinunterkam, war Otto. Seine Haare standen nach allen Seiten ab, und er blinzelte, während er seine Brille aufsetzte.

      Dann waren auch Mama und Papa da, in Nachthemd und Pyjama. Sie sahen auf einmal ganz klein aus. Beide zitterten in ihrem Nachtzeug.

      »Geht nach oben«, sagte Papa leise zu mir und Otto. Es war etwas Blankes und Dunkles in seinen Augen, etwas, was ich noch nie gesehen hatte. Auch ich zitterte in meinem Pyjama.

      Normalerweise hätte ich mich geweigert, aber nun tat ich, was er sagte – wegen dieser Augen. Otto und ich gingen nach oben, aber nicht in unser Zimmer. Stattdessen hockten wir uns auf die oberste Treppenstufe und sahen hinunter auf all das, was passierte.

      »Wilhelmsen! Wir haben nicht die ganze Nacht Zeit! Machen Sie die Tür auf!«, schrien die da draußen.

      Papa warf Mama einen schnellen Blick zu. Sie nickte unmerklich. Dann ging er zur Tür, nahm die Sicherheitskette ab und drehte den Schlüssel herum. Sekunden später rauschte ein ganzer Haufen Polizisten herein. Es waren so viele, dass ich sie auf die Schnelle nicht zählen konnte – vielleicht waren es zehn.

      Sie liefen an Mama und Papa vorbei, teilten sich auf und verstreuten sich im ganzen Haus. Ein paar kamen die Treppe herauf.

      Warum waren sie hier? Hatte vielleicht jemand herausgefunden, dass ich an die Rückseite unseres Einkaufladens »Lehrer Knutsen ist eine Kackawurst« geschrieben hatte – war das der Grund? Aber die Polizei nahm ja keine Kinder fest. Das war zum Glück verboten.

      Und ganz offensichtlich war es nicht wegen »Lehrer Knutsen ist eine Kackawurst«, denn die Polizisten liefen an Otto und mir vorbei. Es war ganz klar, dass sie irgendetwas suchten. Oder irgendjemanden.

      Sie


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