El Gustario de Mallorca und das tödliche Gemälde. Brigitte Lamberts

El Gustario de Mallorca und das tödliche Gemälde - Brigitte Lamberts


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in seine Lungenflügel gleiten. Dann marschiert er über den weißen Sand zu den kleinen Steinstufen, die ihn zur Terrasse von Lucías Bar führen.

      Lucía steht mit Manuel in der Küche. Die beiden debattieren heftig. »Eine Auswahl von zehn unterschiedlichen tapas, zwei verschiedene Salatteller, zwei größere Gerichte und drei Nachspeisen reichen vollkommen aus«, sagt Lucía mit funkelnden Augen. Manuel ist damit nicht einverstanden. »Meine Gäste sind eine umfangreichere Karte gewöhnt«, entgegnet er aufgebracht.

      »Mag sein, aber zu unserem Eröffnungsfest braucht es nicht mehr, es sind doch alles geladene Gäste und die wissen, dass ich nur mittags geöffnet haben werde.« Lucía tritt einen Schritt auf Manuel zu und bohrt ihm den Zeigefinger in die Brust. Bevor Sven, der gerade eintritt, ein Wort an sie richten kann, schiebt Lucía nach: »Wir waren uns einig. Du verantwortest deine Küche, ich meine.« Sie holt Luft und ergänzt: »Außerdem müssen wir uns voneinander abgrenzen. Es macht keinen Sinn, wenn beide Restaurants das Gleiche anbieten.«

      »Das meine ich doch gar nicht.« Manuel legt ihr besänftigend seine Hand auf die Schulter.

      Lucía verdreht die Augen. »Manuel, das hatten wir schon besprochen. Ich biete eine Vielzahl unterschiedlicher tapas an und immer eine Auswahl an Salaten und bei dir bekommen die Gäste ein ganzes Menü.«

      »Ja, natürlich, so ist es geplant, aber gerade bei der Eröffnung …«

      Sie unterbricht ihn. »Eben. Da biete ich zusätzlich zwei größere Gerichte an und fertig.«

      »Nun beruhigt euch mal«, mischt sich Sven ein. Sofort drehen sich Lucía und Manuel zu ihm um und posaunen im Gleichklang heraus: »Du hältst dich da raus.« Als sie Svens erschrockenen Gesichtsausdruck sehen, müssen beide lachen.

      »Okay, kommt, setzen wir uns und dann überlegen wir gemeinsam«, schlägt Manuel vor und zeigt zur Terrasse. Lucía greift nach einer Flasche palo und einem Teller mit Zitronenschnitzen, Sven bringt eine Flasche Soda und drei Gläser zum Tisch. Nachdem Lucía den Kräuterlikör in die Gläser gefüllt hat, prosten sie sich zu. Das, was sie gemeinsam durchgestanden haben, kann ihnen niemand nehmen. Nicht die Zuneigung zueinander, nicht das Verständnis füreinander und schon gar nicht das Vertrauen ineinander.

      Madrid. Auktionshaus. Das großbürgerliche Stadtpalais, der Palacio Longoria, liegt im Herzen Madrids an der Kreuzung der Straßen Calle Fernando VI. und Calle Pelayo und beherbergt ein renommiertes Auktionshaus. Mehrere Marmorstufen führen Bao Huáng durch ein schmiedeeisernes Tor in den großzügigen Empfangsraum des prachtvollen Gebäudes, das als bedeutendstes Beispiel des »Modernismo«, des spanischen Jugendstils, in Madrid gilt. Doch für diese architektonische Schönheit hat der Chinese keinen Blick. Auch die Kunstsammler, Journalisten, Kunstberater, Galeristen und Kuratoren von Museen sowie die Kunstexperten des Hauses interessieren ihn nicht, die hier bei einem Glas Champagner zusammenstehen und nach den pinchos greifen, den kleinen belegten Weißbrotscheiben, die auf silbernen Tabletts gereicht werden. Huáng folgt nur seinem Auftrag.

      An der Tür zum Auktionssaal muss er sich ausweisen und erhält seine Bietermarke. Der Raum ist hell ausgeleuchtet, vorne auf der Bühne befindet sich das Stehpult für den Leiter der Auktion, daneben steht ein länglicher Tisch mit Bildschirmen für die Mitarbeiter. Im Hintergrund ist an der Wand ein großer Monitor befestigt, auf dem später das aktuelle Gebot zu dem jeweiligen Kunstwerk in verschiedenen Währungen zu sehen sein wird. Er setzt sich in eine der ersten Stuhlreihen und fasst sich mit der Hand ans Ohr. Der In-Ear-Kopfhörer sitzt. Sein Auftraggeber Chen Yáng, mit dem er während der Auktion telefonisch verbunden sein wird, will das Objekt mit der Losnummer 125, ein wertvolles Gemälde, unbedingt ersteigern. Die Schätzung liegt bei 2 bis 2,5 Millionen Euro. Bao Huángs Spielraum geht bis 4,5 Millionen, danach muss er Kontakt aufnehmen. Wie bei so vielen Superreichen geht es seinem Chef nicht so sehr um das Kunstwerk selbst, sondern um das Image, das Renommee, das mit dem Erwerb von Spitzenstücken verbunden ist. Eines weiß er jedoch: Nicht jede Summe wird von Chen Yáng mitgetragen, da ist sein Auftraggeber anders als seine Landsleute oder die russischen und arabischen Mitbieter.

      Der Raum füllt sich. Eine junge blonde Frau setzt sich auf den Stuhl links neben ihm, ein übergewichtiger Afrikaner nimmt rechts von ihm Platz. Sie nicken sich zu. Noch wird getuschelt, Stühle gerückt, hier und da die Nase geschnäuzt oder gehustet. Seine Sitznachbarin fächelt sich Luft mit einem Auktionsprospekt zu. Bei so vielen Menschen wird es schnell warm. Als der Auktionator die Bühne betritt, verstummt die Geräuschkulisse. Lässig lehnt sich der Mittfünfziger an sein Stehpult.

      Das Licht im Raum wird gedimmt und die Scheinwerfer nehmen den Versteigerer in den Fokus. Bao Huáng schaut konzentriert nach vorne. Eine Arbeit nach der anderen wird aufgerufen. Mitarbeiter mit weißen Handschuhen stellen das jeweilige Bild auf die Staffelei oder die eine oder andere Skulptur auf einen breiten Sockel. Der Auktionator hat sein Publikum genau im Blick. Wie ein Entertainer fesselt er seine Gäste. Er macht das ganz geschickt, mal verlangsamt er das Tempo, mal zieht er es an. Stocken die Bietergebote, schafft er es mit Charme und Humor, die Kaufinteressierten aus der Reserve zu locken. Zwischendurch gibt es unterhaltsame Bemerkungen, dann schlägt er mit dem Hammer auf das Pult.

      Es ist soweit. Das Los 125 wird aufgerufen. Bao Huáng greift nochmals zum Ohr. Die Frau neben ihm, bisher eher gelangweilt, strafft ihren Rücken und rutscht auf ihrem Stuhl etwas nach vorne. Der Afrikaner scheint zu dösen. Ein verhülltes Bild wird von zwei Mitarbeitern vom Tuch befreit. Der Auktionator gibt Auskunft zu dem Werk. Er verrät nichts Neues, alles ist im Auktionskatalog nachzulesen. Doch er versteht es, Spannung aufzubauen. »Wir dürfen Ihnen jetzt eine Rarität präsentieren. Es handelt sich um ein Doppelselbstbildnis von Max Beckmann.« Er holt kurz Luft, um mit noch mehr Elan weiterzureden. »Beckmann bildet sich gleich zweimal in diesem Werk ab, als Künstler vor der Staffelei, der sich selbst auf der Leinwand festhält.« Es folgt eine dramaturgische Pause, dann fährt er fort: »Ein vergleichbares Bild ist von Beckmann nicht bekannt. Und es ist marktfrisch!« Seine Stimme wird lauter. »Noch nie wurde dieses Doppelselbstbildnis in einer Auktion angeboten. Es befand sich über 70 Jahre in Fami­lienbesitz.« Ein Raunen geht durch den Saal. Der Auktionator hat es geschafft, Begehrlichkeit zu wecken, denn sowie er das Anfangsgebot von 1,8 Millionen Euro aufruft, prasseln die Offerten nur so auf ihn ein. Dass dieses Bild weder im Werkverzeichnis von Max Beckmann aufgelistet ist noch je auf einer Ausstellung zu sehen war, steht lediglich im Katalog. Der Versteigerer macht dies nicht zum Thema. Es könnte den zu erwartenden Auktionsrekord gefährden.

      Huáng wartet ab. Er wird sich erst einschalten, wenn der Auktionsleiter die Bieterschritte erhöht. Doch die Gebote nehmen kein Ende, mindestens zehn Kaufinteressierte bieten mit, dazu zwei Vermittler am Telefon. Bei 3,5 Millionen stockt es kurz und der Chinese hebt seine Hand auf 4,0 Millionen. 4,5 Millionen werden ausgerufen. Er drückt den Ear-Stick tiefer in sein Ohr und hält sich das Mikrofon dicht an den Mund, um flüsternd nachzufragen. »Weiter«, hört er daraufhin die Stimme von Chen Yáng. Mit 5 Millionen hält er dagegen. Ein weiterer Bieter, der bisher nicht in Erscheinung getreten ist, ein älterer, distinguierter Herr mit südländischem Aussehen, erhöht auf 5,5 Millionen. Die anderen Kaufinteressierten sind ausgestiegen. Huáng hält erneut seine Bieterkarte nach oben: 6 Millionen. Ein Knacken in der Leitung oder war es eine Anweisung seines Chefs? Wieder geht die Hand zum Ohr. Verdammt. Die Telefonverbindung ist abgerissen, zum ungünstigsten Zeitpunkt, den man sich vorstellen kann. Seine Finger fliegen über das Display, tippen die Kurzwahlnummer. Der Ruf scheint rauszugehen, doch eine Verbindung will nicht zustande kommen. Für einen Moment ist Huáng abgelenkt. Er blickt nach oben. Wie weit ist die Auktion? Da erscheinen 6,5 Millionen Euro auf dem großen Bildschirm. Er gibt ein weiteres Gebot ab: 7 Millionen. Schräg vor ihm geht die Karte nochmals in die Höhe: 7,5 Millionen, mehr als das Dreifache des oberen Schätzpreises. Huángs Gedanken rasen. Er weiß, bei solchen Größenordnungen schaut der Auktionsleiter jetzt sehr genau in die Runde, ob es weitere Gebote gibt, und lässt für gewöhnlich wenig Bedenkzeit zu.

      »7,5 Millionen zum Ersten.«

      Er muss den Kontakt zu seinem Auftraggeber wiederherstellen, und zwar schnell. Doch die Leitung ist tot, keine Chance.

      »7,5 Millionen zum Zweiten. Bietet


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