SUB ZERO. Matt James

SUB ZERO - Matt James


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Krake«, korrigierte er den Mann. »Es ist ein hochgiftiger Verwandter des tödlichen Blaugeringelten Kraken.«

      Donovan erlaubte sich ein selbstgefälliges Lächeln, als der Taucher verstummte. Das gab ihm ein Gefühl von Kontrolle. Er ließ sich nicht anmerken, dass seine Aussage technisch gesehen eigentlich falsch war. Ja, das Tier, nach dem sie suchten, war außergewöhnlich gefährlich, aber es war nicht mit dem berüchtigten blaugeringelten Kopffüßer verwandt.

       Na ja, ebenso wie die Menschen alle miteinander verwandt sind, so sind, rein theoretisch, ja auch all diese Dinger miteinander verwandt.

      »Aha«, meinte der Taucher und atmete nun etwas entspannter. »Na, dann wollen wir mal loslegen.«

      Donovan koordinierte den Abstieg aus sicherer Entfernung, in einem seiner vier Labors an Bord der Endeavor. Zu seiner Rechten saß der Pilot des Tauchroboters, und der Mann zu seiner Linken steuerte neben anderen internen Systemen auch die Kameras des ferngesteuerten Unterwasserfahrzeugs.

      Der 1,20 Meter lange, hotdog-förmige unbemannte Tauchroboter schwebte direkt an der Seite des Matrosen im Tauchanzug. Kameras an acht verschiedenen Stellen des Geräts zeichneten alles auf, was geschah, und würden das bahnbrechende Ereignis für die Nachwelt dokumentieren.

      Leider würden sie auch ihren Misserfolg – seinen Misserfolg – festhalten, falls sie mit leeren Händen zurückkehrten, und alle würden es mitbekommen.

      Das darf einfach nicht passieren, dachte Donovan und umklammerte den am Tisch festgeschraubten Mikrofonständer noch fester. Ich werde das nicht zulassen.

      Als der zweite Techniker die Kameras einschaltete, erwachte die Unterwasserwelt der Antarktis vor ihren Augen zum Leben. Selbst ein so kalter und kalkulierender Mann wie Donovan kam aus dem Staunen nicht mehr heraus und hielt ehrfürchtig die Luft an. Das Licht war leider unzureichend, denn in so großer Tiefe brachte der Tauchroboter gerade mal genug Helligkeit zustande, dass durch die Kameras etwas zu sehen war.

      Die Kreaturen, die hier unten lebten, waren vermutlich sofort geflohen, denn für sie war selbst die geringste Lichtquelle blendend hell. Es würde ein quälend langsamer Prozess werden. Um dem Ganzen noch eins draufzusetzen, wurde das Wetter immer schlechter. Sie mussten also Vorsicht walten lassen. Donovan und der Rest der Besatzung der Endeavor hatten nur einen Tag, um zu beenden, was sie angefangen hatten, denn der Winter nahte und ihre Zeit in der Antarktis ging unaufhaltsam zu Ende.

      »Ähm«, sagte der Taucher jetzt, »ich glaube, ich habe da was.«

      Verdutzt hob Donovan die rechte Augenbraue. Er hatte gerade erst den Tiefenmesser überprüft und dabei gesehen, dass sie den Boden noch nicht erreicht hatten. Oktopoden waren anders als ihre Verwandten, die Kalmare. Sie zogen es vor, sich in allen möglichen Felsspalten zu verstecken, in die sie sich hineinzwängen konnten. Ihre zehnarmigen Cousins hingegen liebten die Freiheit des offenen Meeres.

      »Das kann nicht sein.«

      Donovan verstummte, als er das pulsierende Licht unter den Füßen des Tauchers hervorströmen sah. An dem Tauchanzug waren eine Reihe von Kameras montiert und in diesem Moment zeigten sie direkt nach unten.

      »Geh ein Stück zurück«, wies ihn Donovan an, »sonst landest du noch genau darauf.«

      »Roger«, antwortete der Taucher. »Nicht die Tinte ausdrücken.«

      Donovan ignorierte die vereinzelten Lacher um ihn herum und widmete seine Aufmerksamkeit wieder dem Bildschirm. Der Krake, den sie suchten, war tatsächlich biolumineszent, aber das Tier nutzte diese Eigenschaft nicht auf die herkömmliche Weise. Die rasche Abfolge der Lichtpulse, von denen er jetzt Zeuge wurde, erinnerten ihn an Morsezeichen. Donovan wusste, dass diese Spezies intelligent und klüger als die meisten Lebensformen auf der Erde war. Er erinnerte sich daran, dass Forscher die DNA dieses Tieres als nicht irdisch bezeichnet hatten, denn ihr genetisches Profil ähnelte keiner anderen Lebensform, die diesen Planeten ihr Zuhause nannte.

      Wahrhaftig einzigartig, dachte er und beugte sich noch näher an die Bildschirme heran.

      Jede Kamera hatte ihren eigenen Monitor und alle waren auf die Ereignisse unter den Füßen des Tauchers gerichtet und zeigten jetzt eine magische Lichtershow. Einer der vielen Vorteile, die sie an Bord der Endeavor genossen, war die staatliche Förderung, sobald es um Militärisches ging. So etwas wie ein Budget existierte für sie eigentlich gar nicht. Der Grund für den Einsatz des Schiffes war zwar kein Geheimnis, aber die genauen Kosten gingen trotzdem niemanden etwas an.

      Selbst als Leiter der wissenschaftlichen Abteilung hatte Donovan keinen Zugriff auf diese Informationen.

      Der Captain übrigens auch nicht.

      »Sir?«, fragte der Pilot des Tauchroboters nun, und es schwang deutliche Besorgnis in seiner Stimme mit.

      Donovan erkannte, worauf er anspielte, und es gefiel ihm ganz und gar nicht.

      Als der Taucher sich von dem kuppelartigen Ziel entfernte, ließ das unglaubliche Schauspiel der Kreatur etwas nach und sie begann leise zu knurren. Es war eine deutliche Warnung, nicht näherzukommen.

      »Wie weit ist er noch davon entfernt?«, fragte Donovan mit einem beiläufigen Blick über seine Schulter.

      »Dreißig Meter, Sir«, antwortete eine Frau, deren Namen Donovan aus Bequemlichkeit niemals in Erfahrung gebracht hatte.

      Er betätigte nun die Sprechtaste seines Mikrofons. »Näher rangehen.«

      »Wie heißt das Zauberwort?«, fragte der Taucher und erntete dafür vereinzeltes Kichern vom wachsenden Publikum.

      Die Menge bestand aus seinen Leuten und aus Teilen der Crew des Captains. Auch wenn Donovan normalerweise vor niemandem zurückscheute, respektierte er die oberste Regel an Bord der Endeavor: Niemals mit Captain House anlegen. Also hielt er seinen Mund.

      »Ich nähere mich um weitere drei Meter«, kündigte der Taucher an und brachte damit den Raum zum Schweigen.

      Labor 4 war in Wirklichkeit allerdings eher eine gewaltige Halle, die in mehrere Bereiche unterteilt war. Die Endeavor war ein kürzlich ausrangierter T3-Öltanker. Kurz nach seiner Stilllegung hatten die US-Navy und DARPA, die Defense Advanced Research Projects Agency, eine Behörde der Regierung, gemeinsam beschlossen, das Schiff zu einer schwimmenden Forschungsstation umzurüsten.

      Zu seinem Bedauern musste Donovan seinen Arbeitsplatz mit den für die Tauchgeräte verantwortlichen Technikern teilen, denn ihre Präsenz war für den Erfolg ihrer Mission hier in der Antarktis unerlässlich. Das war auch der einzige Grund, warum er den Matrosen Zugang zu seinem Bereich gewährte.

       Sonst würde ich diese Sardinen gar nicht hereinlassen.

      Diesen Namen hatte er sich für die Männer des Captains einfallen lassen. Auch wenn es sonst für nichts gut war, fühlte er sich dadurch besser und hatte das Gefühl, etwas mehr Kontrolle zu haben. Er hasste das offene Meer leidenschaftlich – wirklich alles daran war ihm zuwider. Aber seine Ziele waren die ganzen Unannehmlichkeiten wert.

      Die beengten Wohnverhältnisse.

      Das widerliche Essen.

      Die Menschen.

      Donovan zog stets die Gesellschaft seiner Laborgerätschaften der von Lebewesen vor. Menschen fand er größtenteils furchtbar. Manche bezeichneten ihn als Mistkerl, seine gleichgesinnten Kollegen hingegen hielten ihn für ein Genie.

      Durch den Panzer-Tauchanzug konnte sich der Taucher nur sehr langsam bewegen. Als er endlich in Position war, war das Erste, das aus seinem Mund kam: »Oh oh, ich glaube, es ist sauer.«

      Die neonblauen Blitze nahmen jetzt einen intensiveren Farbton an. Donovan war von diesem Anblick mehr als schockiert. Was auch immer sie hier entdeckt hatten, demonstrierte seine Laune offenbar wie ein Stimmungsring auf Steroiden.

      Ein sanftes Klingeln in Donovans Ohr veranlasste ihn zu einem Grummeln. Die einzige Person, die seine Kommunikationskanäle stören konnte, war Captain House.


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