Ringelpietz mit Abmurksen. Lotte Minck

Ringelpietz mit Abmurksen - Lotte Minck


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Sixpack Bier für später packte sie mir zu meinen Einkäufen, ohne dass sie es mir berechnete. Es hat jede Menge Vorteile, wenn deine Freunde einen Lebensmittelladen betreiben, stellte ich mal wieder fest.

      Eigentlich könnte ich mal wieder nachsehen, was bei Miss Lynx so los ist, dachte ich, als ich Baghira gefüttert und mir einen Espresso gemacht hatte.

      Ich setzte mich an den Esstisch und fuhr den Rechner hoch. Seit meiner kleinen Szene mit Dennis war ich nicht mehr im Liebesgarten gewesen, und siehe da: Es gab tatsächlich diverse Kontaktanfragen.

      Die meisten löschte ich umgehend, aus den bekannten Gründen: zu knapp, zu dämlich oder zu dreist. Ich halte nichts von endlosen Nachrichten, schrieb einer, das sei pure Zeitverschwendung. Was, wenn man dann beim Treffen feststellte, dass es nicht funkte? Man solle sich besser sofort treffen, um zu sehen, ob etwas laufen könne.

      Leider war ich da gänzlich anderer Meinung. Wer nicht einmal das kleine bisschen Zeit investieren wollte, damit er und ich uns ein wenig kennenlernten, konnte mir getrost gestohlen bleiben. Erst schreiben, dann vielleicht telefonieren, und dabei sollte sich doch wohl abzeichnen, ob man sich sympathisch war oder nicht. Hatten wir uns etwas zu erzählen? Mochten wir die Stimme des anderen? Waren wir neugierig aufeinander?

      Neugier war im Übrigen etwas, das ich bei vielen Männern echt vermisste. Die wenigsten stellten Fragen und reagierten nur knapp auf Dinge, die ich schrieb. Offenbar wurde allgemein von der Frau erwartet, dass sie die Unterhaltung am Laufen hielt, was mir schwer auf den Geist ging. Ich war doch nicht auf dieser Plattform, um die Kerle zu unterhalten! Ich wollte jemanden treffen, der sich ernsthaft für mich interessierte. Und umgekehrt, natürlich.

      Noch während ich darüber nachdachte, erschien mit einem leisen Pling eine neue Nachricht in meinem Posteingang. Ich klickte sie an und fand die Kontaktanfrage eines gewissen Robin Hood.

      Aha. Ob er wohl jemand war, der die Reichen beklaute und die Armen mit der Beute beschenkte? Beziehungsweise mit diesem Namen ausdrücken wollte, dass er hohe moralische Prinzipien hatte? Obwohl – dieses Ammenmärchen vom edlen Dieb mit dem goldenen Herzen hatte ich insgeheim nie geglaubt, um ehrlich zu sein. Und dieser Robin? War es sein Hobby, Herzen zu stehlen?

      Wie auch immer.

      Hallo, Miss Lynx, schrieb Robin, der Dieb, du bist gerade online, wie ich sehe. Dein Profil ist interessant, finde ich, und ich möchte sehr gern mehr von dir erfahren. Magst du meins besuchen und dann entscheiden, ob du meine Anfrage annimmst? Das würde mich sehr freuen. Einstweilen beste Grüße … und vielleicht bis später.

      Hm … da hatte ich den Salat. Der Nachteil daran, dass ich keine monatliche Gebühr für die sogenannte ›Premium‹-Nutzung der Plattform zu zahlen bereit war, bestand unter anderem darin, dass ich sie nicht anonym besuchen konnte: Wenn ich online war, leuchtete neben meinem Namen ein kleines grünes Licht. Auch meine Besuche auf anderen Profilen wurden angezeigt. Das führte leider auch dazu, dass ich, wenn ich online war, mit Nachrichten wie Hallo Süße zugeballert wurde, auf die ich aber nie reagierte.

      Aber Robin, der Herzensdieb, hatte deutlich mehr als nur Hallo Süße geschrieben. Er hatte sogar sehr respektvolle und höfliche Worte gefunden, die mir sehr gefielen, wie ich zugeben musste. Genau so wünschte ich mir eine erste Kontaktaufnahme, auf die ich zu reagieren bereit war. Er war der Erste, der dieses Kunststück fertiggebracht hatte.

      Ich klickte also sein Profil an, auch wenn mir bewusst war, dass er genau das gerade mitbekam. Ein seltsames Gefühl, aber ich ließ mir Zeit, mir alles durchzulesen. Er war achtundvierzig, größer als ich, arbeitete als Werbegrafiker, war geschieden und kinderlos. Er mochte italienisches Essen, las gerne Krimis und hörte am liebsten Rockmusik. Das klang ja schon mal nicht schlecht, fand ich. Von seinem Profilfoto lächelte mich ein nettes Gesicht mit Dreitagebart an, sein Haar war schon ziemlich grau. Blieb die Frage, warum dieses Sahneschnittchen noch in freier Wildbahn unterwegs war. Ob das Foto wohl echt war? Falls nicht, hatte er es geschickt ausgewählt: nicht übertrieben attraktiv, aber offen und sympathisch. Genau wie sein Anschreiben. Doch – der Mann auf dem Foto war Robin, ich war sicher.

      Ich überlegte einen Moment lang. Er gefiel mir, warum also sollte ich ihm nicht antworten? Mir fielen keine guten Gründe ein.

      Also schrieb ich: Hallo, Robin! Ich freue mich, dass du dich bei mir gemeldet hast. Dein Profil gefällt mir tatsächlich. An dieser Stelle wusste ich nicht weiter. Ratlos starrte ich auf die Tastatur. Sollte ich ihn irgendetwas fragen? Und wenn ja – was? Ich beschloss, aus meinem Herzen keine Mördergrube zu machen. Darf ich dich fragen, warum du auf diesem Weg nach einer Partnerin suchst? Ich freue mich auf eine Antwort … Miss Lynx.

      Es dauerte zwei oder drei Minuten, dann kam schon seine Antwort: Sonst hätte ich dich ja nicht gefunden … Nein, Spaß beiseite: Ich mag es, Menschen langsam kennenzulernen, Fragen zu stellen, Antworten zu bekommen, sodass nach und nach ein Bild entstehen kann. Ich halte nichts davon, abends am Kneipentresen zu stehen und flüchtige Bekanntschaften zu machen. Und wo sonst kann man Leute treffen? Kegelclub? Sportverein? Alles nicht mein Ding; ich bin eher ein Eigenbrötler, um ehrlich zu sein. Deshalb bin ich Freiberufler und arbeite zuhause. Es ist keineswegs so, dass ich nicht gerne ausgehe, aber ich ziehe es vor, dabei in netter Gesellschaft zu sein. Und du?

      Bevor ich antworten konnte, musste ich mich erst einmal sammeln. Der Mann war zu perfekt, um wahr zu sein. Er schrieb in nicht nur ganzen, sondern auch noch grammatikalisch korrekten Sätzen, das allein fand ich schon mehr als betörend.

      Ja, vielleicht war es oberflächlich, darauf so viel Wert zu legen, aber das war mir nun mal wichtig. In meiner Welt war ich Gott, und Gott legt die Regeln fest, basta. Vielleicht fiel dadurch der eine oder andere, der zwar nichts von Grammatik hielt, aber trotzdem theoretisch gut zu mir passen würde, durchs Raster. Aber ein bisschen Schwund war ja immer.

      Sieht so aus, als hätten wir die eine oder andere Gemeinsamkeit, antwortete ich ihm. Ich bin ebenfalls kein Typ für Vereine. Ich muss gestehen, ich scheue vor der Verbindlichkeit zurück, die bei einer Mitgliedschaft entsteht. Abends alleine losziehen, um jemanden kennenzulernen? Ehrlich, ich bin zu alt für diesen Scheiß. Nicht, dass ich mich alt fühle, aber ich mag nicht (mehr) in lärmigen Kneipen oder Discos rumhängen, in denen man sein eigenes Wort nicht verstehen kann. Wie soll man sich dort unterhalten? Also – machen wir uns nichts vor – läuft es an solchen Orten darauf hinaus, andere primär nach ihrem Äußeren zu beurteilen. Diese Art von Fleischbeschau fand ich noch nie besonders sexy. Ich stimme dir zu: immer schön langsam. Schließlich sollte es nicht darum gehen, möglichst schnell zum Schuss zu kommen. Außerdem: Je schneller, desto größer ist die Gefahr, dass der Schuss danebengeht. Das wird dir jeder Jäger bestätigen.

      Ich schickte die Nachricht ab und lehnte mich zurück.

      Ich hatte geschrieben, wie mir der Schnabel gewachsen war, und ich konnte nur hoffen, dass ihn das nicht abtörnte. Entsprechend gespannt war ich auf seine Reaktion … die allerdings auf sich warten ließ. Nichts geschah. Kein Pling, keine Antwort. Hatte ich ihn mit meiner unverblümten Art, mich auszudrücken, verjagt?

      Ich starrte auf den Monitor, ohne dass sich etwas tat. Die Wanduhr tickte langsam die Minuten weg. Und sie erinnerte mich daran, dass ich in nicht allzu ferner Zukunft Gäste bekam.

      Ich seufzte und stand auf. Wäre ja auch zu schön gewesen. Ich holte Gläser aus dem Küchenschrank, brachte sie hinaus auf die Terrasse und setzte mich unters Pavillondach. Baghira war mir nach draußen gefolgt und erledigte nun seine Patrouille, die ihn wie üblich eng an der dichten Hecke entlangführte, die meine Terrasse umgab.

      Ich stand wieder auf, weil es mich zum Laptop zog. Baghira kam zu mir, setzte sich auf seine vier Buchstaben und sah mich mit zuckendem Schwanz erwartungsvoll an. Was denn nun, schien sein Blick zu fragen, rein oder raus? Wo soll ich mich hinlegen? Aufs Sofa oder auf einen Gartenstuhl?

      In seinem kleinen Katzenuniversum war das sicherlich eine superwichtige Frage, aber ich hatte gerade ganz andere Prioritäten.

      Ich ging also hinein und weckte meinen Rechner aus dem


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