Ringelpietz mit Abmurksen. Lotte Minck

Ringelpietz mit Abmurksen - Lotte Minck


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Du bist eine gestandene, selbstständige, wundervolle Frau. Vergiss niemals: Du suchst jemanden auf Augenhöhe. Wer sich keine Mühe gibt, fliegt raus, ganz einfach. Es ist dein gutes Recht, alles zu löschen und dir vom Leib zu halten, bei dem du kein gutes Gefühl hast. Es ist dein gutes Recht, an dich zu denken. Und daran, was das Beste für dich ist. Was würde dich denn ansprechen?«

      Ich dachte nach. Worauf würde ich anspringen? Der erste Kontakt war entscheidend, um mich abzutörnen oder mein Interesse zu wecken.

      »Ich möchte in ganzen Sätzen angesprochen werden. Kein hingegrunztes Wortfragment, sondern vernünftige Anrede, Text und Verabschiedung. So viel Zeit muss sein.«

      »Ganz deiner Meinung. Ich gehe sogar noch weiter: So viel Respekt muss sein. Zu den Grundformen zivilisierten Umgangs miteinander gehört schließlich, dass man sich die Tageszeit sagt, wenn man sich begegnet. Wir sind hier eben nicht beim Austausch von Textnachrichten am Handy, die traditionell möglichst knapp gehalten werden. Der Mann soll dir das Gefühl geben, dass er sich mit deinem Profil beschäftigt hat, richtig?« Ich nickte, und sie fuhr fort: »Er muss ja beim ersten Mal keine Romane schreiben, das verlangt kein Mensch. Aber ein paar nette Zeilen solltest du ihm wert sein. Außerdem würde ich an deiner Stelle nur auf Anfragen von Männern reagieren, die ein Foto von sich auf ihrem Profil haben. Damit hast du schon mal zwei Kriterien, mit denen du deine ersten Anfragen aussieben kannst.«

      Gemeinsam arbeiteten wir uns durch die Liste. Keine vernünftige Nachricht, kein Profilfoto – alles wurde gnadenlos gelöscht. Kaum fünf Minuten später stand fest, dass Dianas Prophezeiung exakt stimmte: Es blieben drei Männer übrig, die mich in freundlichen Worten angeschrieben und eingeladen hatten, im Gegenzug ihr Profil zu besuchen und bei Interesse zu antworten.

      »Ich brauche dringend eine kurze Pause«, sagte ich mit einem Stöhnen und klappte den Laptop zu. »Das muss ich erst mal verarbeiten.«

      »Willkommen in der wunderbaren Welt der virtuellen Partnersuche«, erwiderte Diana. »Betrachte es als Spaß und nette Beschäftigung für deine Freizeit. Aber wenn du deinen Traummann finden solltest … Bingo.«

      »Hm. Sag mal, muss ich eigentlich auch selbst aktiv werden? Profile durchforsten und Kerle anschreiben?«

      »Nee. Du musst gar nichts. Du kannst absolut passiv bleiben und warten, wer sich bei dir meldet. Aber wenn du mal tierische Langeweile hast, kannst du diverse Auswahlkriterien angeben und schauen, wer übrig bleibt. Das Angebot ist überwältigend groß. Deine Aufgabe ist es, buchstäblich die Nadel im Heuhaufen zu finden, die wenigen aufrichtigen Männer im gigantischen Heer der Aufschneider, Lügner und Betrüger. Leider sind diese Single-Plattformen ein Schlaraffenland zum Beispiel für untreue Ehemänner, die ein Abenteuer suchen, und für die liebenswerten Mitglieder der überaus sympathischen Spezies, die allgemein als Heiratsschwindler bezeichnet werden.«

      »Aber wie identifiziert man diese Leute?«, fragte ich kleinlaut. Herrje, diese ganze Sache wurde immer komplizierter.

      »Also, ein Mann der ausschließlich tagsüber zu normalen Arbeitszeiten mit dir kommuniziert, hat mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit zuhause ein Frauchen sitzen. Das kennen wir doch von der Hotline, richtig? Am meisten ist tagsüber los.«

      »Und die Heiratsschwindler?«

      »Oh, die sind wahnsinnig charmant und schmieren dir tonnenweise Honig ums Maul. Die Liebe zu dir trifft sie wie ein Blitzschlag, und natürlich bist du die Frau, nach der sie ihr Leben lang gesucht haben. Sie werden ziemlich schnell konkret, was eine feste Beziehung angeht. Sie sind darauf spezialisiert, einsame und bedürftige Frauen zu finden, die besonders empfänglich für ihre Schmeicheleien sind. Und dann, wenn die Frauen vollkommen blöd vor Verliebtheit sind, geht es plötzlich um Geld.«

      »Das ist ja abartig. Aber woher weißt du darüber so viel? Ist das deiner Bekannten passiert?«

      Diana schüttelte den Kopf. »Nein. Aber Okko hatte zwei Mandantinnen, die sogar auf ein und denselben Kerl reingefallen sind. Es war extrem schwer, ihm die Betrugsabsicht nachzuweisen, denn schließlich gaben die Frauen ihm freiwillig das Geld. Natürlich wurden sie in dem Moment abgeschossen, als das Konto leer war. «

      »Freiwillig?« Ich schüttelte den Kopf. »Ich nenne das Betrug. Immerhin hat der Mann ihnen Gefühle vorgegaukelt, die nicht echt waren.«

      »Und wie willst du das beweisen? Beziehungen enden halt manchmal, oder? Hast du von Pascal alle Geschenke zurückgefordert, als ihr euch getrennt habt? Natürlich nicht. Und genau damit argumentieren die Männer: Sie sagen, die Frau war halt großzügig. Geld geliehen? Nein, das war geschenkt. Und innerhalb einer Beziehung werden eher selten Verträge abgeschlossen, da man sich ja vertraut. Die Dunkelziffer ist hoch, denn vielen Frauen ist es peinlich, dass sie sich haben abzocken lassen. Aber Okko hatte Glück, denn er konnte weitere Frauen auftreiben, die der Mann gerade in der Mangel hatte. Seine bevorzugten Jagdgründe waren Speed-Datings und Single-Partys, und er hatte immer mehrere Damen parallel am Start. Der Mann kann froh sein, dass die Frauen sich nicht zusammengetan, ihn erschlagen und dann irgendwo verscharrt haben. Da dürfte eine Verurteilung wegen gewerbsmäßigen Betrugs und die zumindest teilweise Rückzahlung des ergaunerten Geldes eindeutig das kleinere Übel gewesen sein.«

      Da hatte sie wohl recht.

       Kapitel 4

       Eine »Begegnung« an überraschender Stelle und ein Streit, bei dem die Fetzen fliegen

      »Hallöchen! Ich werd nicht mehr – Loretta sucht einen Mann!«, johlte Dennis direkt hinter mir.

      Ich zuckte erschrocken zusammen. Wie zum Henker hatte er es geschafft, sich vollkommen geräuschlos anzuschleichen? Üblicherweise hörte man ihn bereits kommen, wenn er noch kilometerweit entfernt war, schließlich hatte er eine Vorliebe für Schuhe mit Plateausohlen, wahlweise eisenbeschlagene Cowboystiefel aus Reptilienleder. Klomp, klomp, klomp – Achtung, Dennis ist im Anmarsch. So war ich es gewohnt.

      Unwillkürlich blickte ich hinunter zu seinen Füßen: Heute trug er Schuhe mit dicken Gummisohlen, das erklärte einiges. In Zukunft musste ich vorsichtiger sein, wenn ich mich während der Arbeitszeit im Liebesgarten umzusehen gedachte.

      Mit fast schon arroganter Selbstverständlichkeit zog er sich einen Stuhl heran, setzte sich neben mich und starrte ungeniert auf das, was gerade auf meinem Monitor zu sehen war.

      »Soso, du bist im Liebesgarten, die Plattform kenne ich. Ich bin da auch unterwegs. Der Heiopei da, den du dir gerade anguckst, ist ’ne Wurst, das sehe ich sofort. Zeig mal dein Profil.«

      Wie bitte? Vor Empörung blieb mir glatt einen Moment lang die Spucke weg. Ich sollte ihn so tief in meine Privatsphäre lassen? Wohl kaum.

      Natürlich bemerkte er mein Zögern und fuhr fort: »Komm, Loretta, zier dich nicht. Zeigst du mir deins, dann zeig ich dir meins.«

      »Diese ziemlich schmierig klingende Aufforderung könnte man auch falsch verstehen, Chef. Für mich schrammt das nur haarscharf an sexueller Belästigung vorbei.«

      Brüllend vor Lachen schlug er sich auf die Schenkel und wischte sich schnaufend die Lachtränen aus dem Gesicht. »Mach mal halblang«, keuchte er dann. »Wir sind hier unter Erwachsenen und nicht im Kindergarten. Oder soll ich zuerst? Na, ist das ein Angebot?«

      Noch immer war ich nicht restlos überzeugt, nickte aber. »Wie finde ich dich? Du musst mir schon deinen Nickname sagen. Oder bist du unter deinem echten Namen angemeldet?«

      Dennis grinste breit und schüttelte den Kopf. »Ich bin doch kein Idiot. Rate doch mal meinen Nickname.«

      Ich grinste zurück. »Koteletten-Ömmes? Mister Breitcord? Rüschen-Honk? Nein, ich gebe auf. Wie soll ich denn bitte erraten, was dein kleines, verdrehtes Hirn ausgebrütet hat? Das ist unmöglich.«

      »Gecko.«

      Meine Gesichtszüge drohten zu entgleisen, aber ich riss mich zusammen. »Wie das kleine Echsentier oder wie der große, böse Finanzhai aus diesem Film, dessen Titel mir gerade nicht


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