Ringelpietz mit Abmurksen. Lotte Minck
Sie merkt es nicht einmal mehr!«
»Könntest du es freundlicherweise unterlassen, über mich zu sprechen, als wäre ich nicht anwesend?«, fragte ich empört. »Und nicht so tun, als hätte ich sie nicht mehr alle?«
»Ach komm, sei nicht eingeschnappt, ich hab nur Spaß gemacht. Schließlich rede ich ja auch manchmal mit mir selbst. Und mit Heini.«
Heini war der entzückende Foxterrier ihres Gatten Okko.
»Wie wäre es noch mit einem kleinen Absacker?« Sie öffnete die Kühlschranktür, spähte stirnrunzelnd hinein und murmelte: »Hm … zwei Flaschen Bier, eine angebrochene und eine volle Pulle Weißwein, irgendein obskurer Schaumwein … zu obskur für meinen Geschmack.« Sie nahm den halb vollen Wein heraus und knallte die Tür zu. Dann schwenkte sie die Flasche auffordernd vor meinem Gesicht.
Ich seufzte ergeben und holte zwei Gläser aus dem Schrank, die sie bis zum Rand füllte.
Wir setzten uns an den Esstisch, stießen an und verplemperten prompt einiges an Wein auf den Tisch. Ich holte einen Lappen und wischte die Bescherung weg, dann setzte ich mich wieder.
»Du bist mir übrigens noch immer eine Antwort schuldig«, sagte Diana.
Argh. Ich wusste sofort, was sie meinte, allerdings hatte ich insgeheim gehofft, dass dieses Thema erledigt war. »Keine Ahnung, wovon du redest.«
»Dann werde ich deinem Gedächtnis mal auf die Sprünge helfen. Meine Frage war, ob du dich nicht manchmal einsam fühlst.« Sie trank einen Schluck und fügte hinzu: »Mir ist klar, dass du es den anderen gegenüber niemals zugeben würdest, damit sie sich keine Sorgen machen. Aber wir zwei Hübschen sind ganz unter uns. Du kannst ehrlich sein; ich werde es niemandem verraten.«
Ha. Das war selbstverständlich eine dicke, fette Lüge, wie sich später herausstellen würde. Aber ich will ihr zugestehen, dass sie es zu diesem Zeitpunkt absolut ehrlich meinte.
»Natürlich gibt es Momente, in denen ich mich allein fühle«, sagte ich nach kurzem Zögern, »aber ich bin nun mal kein Beziehungstyp.« Ich trank einen großen Schluck Wein und war sehr zufrieden mit meiner Antwort. Aber nur kurz.
»Vortrefflich gedroschen, diese hohle Phrase«, erwiderte Diana mit spöttischem Grinsen. »Kein Beziehungstyp zu sein ist nichts weiter als ein urbaner Mythos. Das sagen Kerle, die sich als einsame Wölfe inszenieren, um mit dieser Masche möglichst viele Frauen abzuschleppen. Oder Partyprinzessinnen, die sich alle zwei Nächte einen anderen schnappen und direkt wieder in die Wüste schicken, weil sie Angst haben, dass es irgendwo noch einen Besseren gibt. Du bist weder das eine noch das andere.«
»Na und? Verklag mich doch.« Ich zuckte mit den Schultern. »Ich bleibe dabei: Ich bin kein Beziehungstyp.«
»Blödsinn. Jeder ist ein Beziehungstyp, wenn der oder die Richtige am Horizont auftaucht.«
Sie hatte gut reden, denn sie hatte sich den nettesten Typen der Welt gekrallt. »Jemand wie dein Okko.«
»Genau.« Sie lächelte verträumt, und ihr Gesicht wurde ganz weich. »So jemand wie mein Okko.«
Zugegeben – ich war von glücklichen Paaren umzingelt, und ich war seit meiner Trennung von Pascal Single. Wir hatten uns zu allem Überfluss nicht etwa getrennt, weil wir uns nicht mehr liebten. Ganz im Gegenteil: Er hatte es nicht mehr ausgehalten, dass ich mich bei meinen regelmäßigen Ausflügen in die Welt der Mordermittlungen immer wieder selbst in Gefahr gebracht hatte. Irgendwann hatte er mir ein Ultimatum gestellt: er oder die Mörderjagd.
Und wofür hatte ich mich entschieden? Genau.
Nun ja, das war die Kurzform der Geschichte, aber im Großen und Ganzen war es letztendlich so abgelaufen.
»Für jeden Topf gibt es den passenden Deckel«, deklamierte Diana pompös, »auch für dich. Davon bin ich zutiefst überzeugt.«
»Sagt die Frau, die mich gerade der Phrasendrescherei bezichtigt hat«, gab ich zickig zurück. »Außerdem glaube ich nicht an dieses lächerliche Ammenmärchen vom Topf und dem Deckel. Wenn etwas ein urbaner Mythos ist, dann das. Es ist lediglich der letzte Trost für Leute, die komplett beziehungsunfähig sind. Die können sich immer noch einreden, dass sie hier sind und ihr passender Deckel leider in Australien wohnt. Oder sonst wo im Universum.«
»Aha!« Diana hob den Finger. »Und warum sind diese Leute beziehungsunfähig? Weil sie vielleicht Auswahlkriterien haben, die niemand erfüllen kann. Oder weil kein Mann auf der Welt alle zehn Punkte auf ihrer Liste schafft. Im Prinzip ein echt toller Typ, aber leider disqualifiziert er sich dadurch, dass er gerne Grönemeyer hört. Oder französische Filme liebt. Oder keinen Espresso mag.«
»Du redest nicht zufällig von mir, oder?«, fragte ich misstrauisch. Grönemeyer, französische Filme … das passte.
»Hm … mal überlegen … Rede ich von dir?« Diana legte die Stirn in Falten und blickte nachdenklich ins Nirgendwo. Dann wandte sie sich wieder mir zu und sagte sanft: »Ja, das tue ich, meine Liebe. Ich unterstelle dir, dass du geradezu nach Gründen suchst, um jeden auch nur halbwegs interessanten Mann abzuschießen, der dir zu nahe kommt.«
»Das ist totaler Blödsinn. Ich bin durchaus offen für Bekanntschaften.«
»Und genau das glaube ich dir nicht«, sagte Diana. »Du hast dich hier schön gemütlich eingerichtet in deiner hübschen Singlewohnung. Baghira begrüßt dich, wenn du nach Hause kommst, und leistet dir Gesellschaft, wenn du abends vor der Glotze sitzt. Stell dir dein Leben ohne ihn vor, na los.«
Unwillkürlich blickte ich am Kratzbaum hoch, wo Baghira auf der obersten Plattform leise vor sich hin schnarchte.
»Wie bitte? Warum sollte ich?«
»Natürlich willst du das nicht. Weil du genau weißt, wie öde und leer dein Leben ohne ihn wäre.« Sie lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Eine Zeit lang musterte sie mich, dann sagte sie: »Na gut. Beweise es.«
Ich verstand kein Wort. »Was soll ich dir beweisen?«
»Dass du für neue Bekanntschaften offen bist. Hol deinen Laptop.«
Kapitel 2
Loretta bricht in ein unbekanntes Land auf – gut, wenn man eine Expertin an seiner Seite hat
Alles Sträuben half nichts: Diana blieb knallhart und befahl mir mit einer knappen Geste, mich neben sie zu setzen. Einerseits war ich zu beschwipst, um mich ernsthaft gegen ihren diabolischen Plan zu wehren, aber andererseits war ich bei Weitem nicht beduselt genug, um nicht zu schnallen, was sie vorhatte.
Und richtig. Sie fuhr den Rechner hoch, wählte eine Suchmaschine an und öffnete schließlich die Website einer Plattform für Singles, die sich ›Liebesgarten‹ nannte.
Ich verdrehte die Augen. »Liebesgarten – wirklich? Wie pornös ist das denn bitte? Das klingt wie der Outdoor-Bereich eines Swingerclubs, so mit versteckten Grotten und Whirlpools und so. Für die Muttis und Vattis, die es mal ganz verrückt im Freien treiben wollen, aber zu feige sind, ihre wilde Fantasie im heimischen Naherholungsgebiet umzusetzen.«
»Häuptling Zynische Zunge hat gesprochen«, murmelte Diana und deutete auf die Abbildung eines opulenten Gemäldes. »Da – der Name bezieht sich auf ein Bild von Rubens, das so heißt. Also doch nicht so niveaulos.«
»Das muss sich noch zeigen«, erwiderte ich. »Ein klassisches Gemälde als Namensgeber reicht nicht aus, um eine niveauvolle Auswahl potenzieller Partner zu gewährleisten.«
»Was du nicht alles weißt … Allmählich kriege ich den Eindruck, dass du schon auf Dutzenden dieser Plattformen unterwegs warst.«
Ich schüttelte den Kopf. »Nee. Noch auf keiner einzigen. Aber das sagt mir der gesunde Menschenverstand.«
»Okay, lassen wir das für den Moment mal so stehen. Also. Das hier ist schon mal nix für allzu junges