Ringelpietz mit Abmurksen. Lotte Minck
gut, aber irgendwie zu kurz, zu hart. Ich möchte ja schließlich nicht Mistress davorsetzen, das bedeutet doch Herrin, richtig? Vielleicht klingt dir die Miss deshalb zu sehr nach Peitsche.«
»Hm. Könnte sein. Also gut, die Entscheidung ist gefallen: Du bist Miss Lynx. Ich gebe den Namen jetzt ein.«
Gespannt sah ich zu, wie sie einen Buchstaben nach dem anderen eintippte. Dann klickte sie auf Okay, und ein neues Eingabefeld erschien: ›Bitte geben Sie ein Passwort ein‹.
Auffordernd sah sie mich an, und ich musste diesmal nicht lange nachdenken. »Baghira. Das kann ich mir leicht merken.«
Sie runzelte die Stirn, erhob aber keinen Einspruch. Tipptipptipptipp … das Passwort war festgelegt. Es musste zur Bestätigung ein weiteres Mal eingegeben werden, und dann waren wir drin.
»So, es kann losgehen«, sagte Diana und rieb sich die Hände. »Jetzt gehen wir ins Detail.«
Es begann damit, was ich suchte – Mann oder Frau. Einen Mann, natürlich. Wie alt sollte er sein?
»Das Alter ist mir egal«, sagte ich.
»Ist es nicht. Es sei denn, du willst mit Kontaktanfragen von rüstigen Rentnern zugeballert werden, die für später eine Pflegerin suchen. Also wäre es klug, nach oben eine Grenze zu setzen. Anfang fuffzig, würde ich vorschlagen.«
Ich zögerte. Über fünfzig – das hörte sich plötzlich uralt an. Gut, ich ging stramm auf Mitte vierzig zu, aber das waren lediglich die Ziffern meines Geburtsdatums. Wie ich dachte, handelte und fühlte, schien sich seit meinen Twen-Jahren nicht verändert zu haben. Gut – eine Sache hatte sich doch verändert: Mit zwanzig war ich davon überzeugt gewesen, dass Frauen in den Vierzigern keinen Spaß mehr hatten, Faltenröcke trugen und sich beim Optiker randlose Brillen aufschwatzen ließen, von der Dauerwelle ganz zu schweigen.
Ja, so hatte ich es mir in meiner jugendlichen Dummheit damals vorgestellt.
Leute in der Disco, die sichtlich jenseits der dreißig waren, hatten sich – so schien es mir – an einen Ort verirrt, an dem sie eindeutig längst nichts mehr zu suchen hatten.
Haha, ihr haltet euch wohl für jung, hatte ich höhnisch gedacht, aber ihr seid es nicht mehr und werdet es nie wieder sein – findet euch damit ab.
Und jetzt? Mittlerweile zählte ich gut doppelt so viele Jahre wie damals, aber jeder, der es wagen sollte, mich auf die Anzahl meiner Lebensjahre zu reduzieren, würde ratzfatz feststellen, wie viel jugendlicher Schwung noch in meiner rechten Faust steckte. Na ja, vermutlich würde ich nicht wirklich zuschlagen, aber ich wäre maßlos empört.
Und doch empfand ich gerade einen Mann mit über fünfzig Jahren als viel zu alt für mich. Andererseits: Warum sollte es nicht Männer in diesem Alter geben, die sich – genau wie ich – fragten, warum da dieses seltsame Datum in ihrer Geburtsurkunde stand, das so gar nichts mit ihrem Selbstverständnis zu tun hatte? Die unkonventionell waren, zerschlissene Jeans und Rockmusik liebten? Die als Jungspunde genauso gedacht hatten wie ich damals und längst wussten, wie unglaublich dämlich das gewesen war?
Also nickte ich. »Anfang fünfzig passt. Zwischen Anfang vierzig und Anfang fünfzig.«
»Gut so, das dürfte alles unterhalb und oberhalb dieser Altersgrenzen automatisch rausfiltern. Haarfarbe, Augenfarbe, Größe, Gewicht?«
»Wie … vom Mann?«
»Klar. Kann doch sein, dass du nach einem blonden Hünen mit grünen Augen suchst, der zwingend ein Sixpack haben muss, weil du dich von allem anderen erotisch nicht angezogen fühlst?«
»Das wäre aber reichlich oberflächlich, oder?«
»Mag sein. Aber wenn du ein bestimmtes Beuteschema hättest, könntest du es hier eingeben.« Diana zuckte mit den Schultern und grinste. »Ich glaube, bei jüngeren Frauen sind gerade tätowierte Vollbartträger angesagt, die ihre langen Haare in einem lächerlichen, kleinen Knödelchen tragen, wahlweise eine beknackte Wollmütze, ohne die sie nicht einmal unter die Dusche gehen. Das alles sind Kriterien, die du hier auswählen kannst. Lange Haare, kurze Haare, Glatze …«
»Ist mir sowat von egal.«
»Dann klicke ich hier genau das an. Größe?«
»Nicht unbedingt kleiner als ich, würde ich sagen, aber das ist es auch schon. Alles andere: schnurz.«
Diana nickte und klickte sich weiter durch die Auswahlfragen, während sie murmelte: »Egal … größer als 1,70 Meter … egal … egal …« Sie blickte hoch und fragte: »Bildung? Beruf?«
»Egal! Sag mal, geht es irgendwann auch um mich?«
Diana lachte, schob den Laptop ein Stück von sich weg und lehnte sich zurück. »Kurze Pause, schlage ich vor. Du musst jetzt über deinen Traummann auch nicht unbedingt alles ausfüllen; das kannst du irgendwann nachholen, wenn du willst. Du hast nicht zufällig eine Tüte Chips oder so im Haus?«
Hatte der Papst einen lustigen Hut auf? Natürlich hatte ich für Notfälle wie diesen – also nächtliche Hungerattacken – stets eine kleine Auswahl möglichst ungesunder und fettiger Snacks vorrätig. Ich füllte eine Schüssel mit Paprikachips und stellte sie auf den Tisch.
Sofort griff Diana zu und stopfte sich den Mund voll, dann stand sie auf und holte eine Flasche Mineralwasser aus dem Kühlschrank. Die Geräusche weckten Baghira, der umgehend von seinem Kratzbaum geklettert kam. Nachdem er begriffen hatte, dass es bei uns keine Chips zu erschnorren gab, marschierte er zur Terrassentür und quäkte dort vor sich hin. Ich öffnete die Tür für ihn, damit er draußen seine Kontrollrunde drehen konnte.
»Du haschesch hier echschön«, nuschelte Diana mit vollem Mund. Sie schluckte runter und fügte hinzu: »Dass du mitten in der Stadt eine Wohnung mit eigenem Eingang und großer Terrasse gefunden hast – doll.«
»Schwein gehabt. Aber du hast recht, und ich fühle mich superwohl hier.«
»Fehlt also nur noch ein netter Typ, obwohl die Wohnung für zwei Personen eigentlich zu klein ist.«
Ich winkte ab. »Punkt eins: nicht unbedingt. Punkt zwei: Wer sagt denn, dass ich wieder mit einem Kerl zusammenwohnen will? Vielleicht ist es ja viel besser, erst einmal Abstand zu wahren.«
»Hm … könnte sein. Aber wir sprechen hier über einen Partner, den es überhaupt noch nicht gibt. Und deshalb …« Sie zog den Laptop wieder zu sich heran. »Deshalb geht es jetzt mit dir weiter, meine Liebe. Wie ist zum Beispiel dein Kleidungsstil?«
»Wieso ist das denn bitte wichtig?«, fragte ich verblüfft.
»Ganz einfach. Ein Mann, der zum Beispiel sogar seine Wohnung im Anzug putzt, sucht vielleicht nicht unbedingt eine Frau, die selten bis nie etwas anderes anzieht als geringelte Pullis, Jeans mit ausgefranstem Saum und derbe Boots.«
»Das ist halt mein Stil.«
»Eben. Und der bevorzugte Kleidungsstil sagt halt auch was über die Persönlichkeit aus. Hier geht es ja nicht um die Kleidung, die man unter Umständen aus beruflichen Gründen tragen muss. Ein Bankbeamter, der nicht ohne Krawatte vor seine Kunden treten darf, steht in seiner Freizeit vielleicht auf Lederjacke und Cowboystiefel aus Schlangenleder. Wenn er sich allerdings nach Feierabend nicht umzieht, sagt das etwas über ihn aus. Und die Tatsache, dass du nicht ein einziges Kleid besitzt, ist ja schließlich auch irgendwie eine Art Statement, nicht wahr?«
Da hatte sie natürlich recht. Und dennoch: Im Gegensatz zu mir liebte sie wallende Rüschenkleider, und doch verstanden wir uns prächtig. Aber das war vielleicht nicht unbedingt zu vergleichen. Wichtig war, dass der Humor stimmte.
Aber wie sollte ich das bei einem mir völlig unbekannten Mann herausfinden? Ihn mit Gags befeuern und abwarten, wie er reagierte? Würde ich etwas mit einem Mann anfangen können, der die Monty-Python-Jungs nicht witzig fand?
Loretta, du galoppierst dem Stand der Dinge schon wieder meilenweit voraus, dachte ich.
Ich schreckte aus meinen Gedanken hoch, als