Der Malteser Falke. Dashiell Hammett

Der Malteser Falke - Dashiell  Hammett


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      Dashiel Hammett

      Der Malteser Falke

      Mit dem Vorwort des Autors zur Neuausgabe des Romans von 1934 und einem Nachwort von Heiko Arntz

      Roman

      Aus dem amerikanischen Englisch von pociao

      Kampa

      Für Jose

      Kapitel I Spade & Archer

      Samuel Spades Kiefer war lang und knochig, das Kinn ein hervorspringendes V unter dem weicheren V des Mundes. Die leicht zurückgeschwungenen Nasenflügel bildeten ein weiteres kleines V, die gelb-grauen Augen eine horizontale Linie. Das V-Motiv wiederholte sich in dichten Augenbrauen, die von einer Doppelfurche über der Hakennase nach außen führten, und noch ein letztes Mal in hohen Schläfen mit spitzem Haaransatz. Alles in allem sah er aus wie ein umgänglicher blonder Satan.

      Er sagte zu Effie Perine: »Ja, mein Engel?«

      Sie war ein schlaksiges, sonnengebräuntes junges Ding mit fröhlichen braunen Augen und einem jungenhaften Gesicht. Das hellbraune Wollkleid saß wie angegossen an ihrem Körper. Sie schloss die Tür, lehnte sich dagegen und sagte: »Da draußen ist eine Frau, die dich sprechen will. Sie heißt Wonderly.«

      »Eine Klientin?«

      »Sieht so aus. Du willst sie garantiert sehen – sie ist eine Wucht.«

      »Dann schick sie rein, Liebling«, sagte Spade, »schick sie rein.«

      Effie Perine öffnete die Tür und beugte sich, ohne den Türknauf loszulassen, ins Vorzimmer. »Bitte, Miss Wonderly.«

      Eine Stimme sagte: »Vielen Dank«, so leise, dass nur die übertrieben deutliche Aussprache ihre Worte verständlich machte. Eine junge Frau erschien in der Türöffnung. Sie bewegte sich langsam, fast zögernd, und musterte Spade mit kobaltblauen Augen, scheu und prüfend zugleich.

      Sie war hochgewachsen, schlank und hielt sich ohne jeden Anflug von Steifheit gerade. Hohe Brüste, lange Beine, schmale Hände und Füße. Passend zu den Augen war ihre Kleidung in Blau gehalten. Unter dem blauen Hut quollen rostrote Locken hervor, während die vollen Lippen in einem helleren Rot schimmerten. Hinter dem Halbrund ihres schüchternen Lächelns blitzten weiße Zähne.

      Spade erhob sich zu einer Verbeugung und deutete mit seiner kräftigen Hand auf den Eichenholzstuhl neben seinem Schreibtisch. Der schwere, etwa eins achtzig große Körper mit den auffallend runden Schultern wirkte beinahe kegelförmig – wenngleich nicht breiter als dick –, sodass das frisch gebügelte graue Sakko nicht besonders gut saß.

      Miss Wonderly murmelte: »Vielen Dank«, ebenso leise wie zuvor und setzte sich auf den Rand des ungepolsterten Stuhls.

      Spade nahm wieder Platz und wandte sich ihr mit einem höflichen Lächeln und einer Viertelwendung seines Drehstuhls zu. Seine Lippen blieben geschlossen. Sämtliche Vs in seinem Gesicht verlängerten sich.

      Durch die geschlossene Tür drang das Tippeti-tipp-tipp, das leise Bimmeln der Glocke und das gedämpfte Ratschen von Effie Perines Schreibmaschine. Irgendwo aus einem benachbarten Büro kam das dumpfe Vibrieren eines Maschinenmotors. Auf Spades Schreibtisch schwelte eine selbst gedrehte Zigarette in einem Messingaschenbecher voller Stummel. Die helle Oberfläche des Tischs, das grüne Löschpapier und die Schriftstücke darauf waren mit grauen Ascheflocken übersät. Durch ein leicht geöffnetes Fenster mit beigefarbenen Vorhängen drang der Geruch von Ammoniak vom Hof herein. Die Ascheflocken auf dem Schreibtisch zitterten und kräuselten sich im Luftzug.

      Miss Wonderly beobachtete das Zittern und Kräuseln der grauen Flocken. Ihr Blick war unruhig. Sie saß auf der äußersten Kante des Stuhls, die Füße flach auf dem Boden, als wollte sie jeden Moment wieder aufspringen. Auf dem Schoß lag eine flache dunkle Handtasche, die sie mit behandschuhten Händen umklammerte.

      Spade kippelte mit seinem Stuhl und fragte: »Nun, was kann ich für Sie tun, Miss Wonderly?«

      Sie holte tief Luft und sah ihn an. Dann schluckte sie und sagte hastig: »Könnten Sie …? Ich dachte … ich … das heißt …« Sie biss sich mit blitzenden Zähnen auf die Unterlippe und verstummte. Jetzt sprachen bloß noch ihre tiefblauen Augen, flehten ihn förmlich an.

      Spade lächelte und nickte verständnisvoll, als wüsste er Bescheid, als handelte es sich um eine Kleinigkeit. Er sagte: »Vielleicht erzählen Sie mir alles von Anfang an, damit wir wissen, was zu tun ist. Am besten holen Sie so weit wie möglich aus.«

      »Es war in New York.«

      »Ja«, sagte er.

      »Ich weiß nicht, wo sie ihm begegnet ist. Ich meine, ich weiß nicht, wo in New York. Sie ist fünf Jahre jünger als ich, erst siebzehn, und wir hatten nicht dieselben Freunde. Vermutlich standen wir einander nie so nahe, wie es unter Schwestern üblich ist. Mama und Papa sind in Europa. Es würde sie umbringen. Ich muss Corinne finden, bevor sie wiederkommen.«

      »Ja«, sagte er.

      »Wir erwarten sie Anfang nächsten Monats zurück.«

      Spades Blick hellte sich auf. »Dann haben wir noch zwei Wochen Zeit.«

      »Ich hatte keine Ahnung, was sie getan hat, bis ihr Brief kam. Ich war verrückt vor Angst.« Ihr Mund zitterte. Sie bearbeitete die dunkle Handtasche auf ihrem Schoß. »Meine Befürchtung, dass sie so etwas getan haben könnte, war zu groß, um zur Polizei zu gehen, aber die Sorge, dass ihr was passiert war, trieb mich dazu, es trotzdem zu tun. Es gab niemanden, den ich um Rat hätte fragen können. Ich wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte. Was hätte ich tun können?«

      »Nichts natürlich«, antwortete Spade. »Aber dann kam der Brief?«

      »Ja. Ich schickte ihr ein Telegramm und bat sie, nach Hause zurückzukommen. Ich habe es hierher geschickt, postlagernd. Das war die einzige Adresse, die sie mir gegeben hatte. Ich wartete eine ganze Woche, bekam aber keine Antwort, nichts. Mamas und Papas Rückkehr rückte immer näher. Deshalb bin ich nach San Francisco gekommen, um sie abzuholen. Ich habe ihr geschrieben, dass ich komme. Das hätte ich lieber nicht tun sollen, wie?«

      »Vielleicht nicht. Es ist nicht immer so einfach zu wissen, was man tun soll. Sie haben sie nicht gefunden?«

      »Nein. Ich habe ihr geschrieben, dass ich im St. Mark absteigen würde, und sie gebeten, dorthin zu kommen und mich anzuhören, selbst wenn sie nicht vorhätte, wieder mit mir nach Hause zu fahren. Aber sie hat sich nicht blicken lassen. Ich habe drei Tage gewartet, ohne dass sie aufgetaucht wäre oder mir irgendeine Art von Nachricht geschickt hätte.«

      Spades blonder Satanskopf nickte. Mitfühlend runzelte er die Stirn und presste die Lippen aufeinander.

      »Es war entsetzlich«, sagte Miss Wonderly und versuchte zu lächeln. »Ich konnte nicht einfach dasitzen und nichts tun, warten, ohne zu wissen, was ihr zugestoßen ist oder möglicherweise noch zustößt.« Sie gab den Versuch zu lächeln wieder auf. Sie erschauerte. »Die einzige Adresse, die ich hatte, war postlagernd. Ich habe ihr einen weiteren Brief geschrieben und bin gestern Nachmittag zum Postamt gegangen. Dort habe ich bis nach Einbruch der Dunkelheit gewartet, ohne dass sie aufgetaucht ist. Heute Morgen bin ich wieder hingegangen, habe Corinne aber wieder nicht angetroffen, dafür allerdings Floyd Thursby.«

      Spade nickte erneut. Seine Stirn hatte sich geglättet. Jetzt betrachtete er sie mit verschärfter Aufmerksamkeit.

      »Er wollte mir nicht sagen, wo Corinne steckt«, fuhr sie verzweifelt fort. »Er hat mir gar nichts gesagt, außer dass es ihr gut geht. Aber wie kann ich das glauben? Was anderes würde er mir doch ohnehin nicht erzählen, oder?«

      »Natürlich nicht«, pflichtete Spade ihr bei. »Aber es könnte ja auch stimmen.«

      »Hoffentlich. Ich kann es nur hoffen«, rief sie aus. »Aber ich kann unmöglich wieder nach Hause, ohne sie gesehen oder wenigstens am Telefon mit ihr gesprochen zu haben. Er wollte mich nicht zu ihr bringen. Er hat behauptet, dass sie mich nicht sehen will, aber das glaube ich nicht. Er hat mir versprochen, ihr zu erzählen, dass er mich getroffen hat, und sie heute Abend ins Hotel zu bringen – falls sie damit einverstanden ist. Angeblich wusste er, dass sie das nicht will. Er hat versprochen,


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