Der Malteser Falke. Dashiell Hammett

Der Malteser Falke - Dashiell  Hammett


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sagte: »Nein.«

      Tom hielt mitten in der Bewegung inne und musterte Spade mit überrascht zusammengekniffenen Augen.

      Spade sagte: »Du hast ihn gesehen. Mehr als du sehe ich auch nicht.«

      Tom nickte skeptisch, ohne Spade aus den Augen zu lassen, und zog das Bein wieder zurück.

      »Seine Waffe steckte noch im Hosenbund«, sagte er. »Sie war nicht abgefeuert worden. Sein Mantel war zugeknöpft. In der Tasche fanden wir hunderteinundsechzig Dollar. Hatte er einen Auftrag, Sam?«

      Spade zögerte einen Augenblick und nickte dann.

      Tom fragte: »Und?«

      »Er sollte einen Kerl namens Floyd Thursby beschatten.« Spade beschrieb Thursby so, wie er es von Miss Wonderly gehört hatte.

      »Weshalb?«

      Spade steckte die Hände in die Manteltaschen und blinzelte Tom müde an.

      Tom wiederholte ungläubig: »Weshalb?«

      »Möglicherweise war er Engländer. Ich weiß nicht so recht, was er vorhatte. Wir wollten rauskriegen, wo er wohnt.« Spade grinste flüchtig, nahm eine Hand aus der Tasche und klopfte Tom auf die Schulter. »Frag mir keine Löcher in den Bauch.« Er steckte die Hand wieder in die Tasche. »Ich muss los, um Miles’ Frau zu benachrichtigen.« Damit wandte er sich zum Gehen.

      Tom sah ihm finster nach. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, und schloss ihn dann wieder. Er räusperte sich, verscheuchte die finstere Miene und erklärte mit einem Anflug von rauer Herzlichkeit:

      »Dass es ihn so erwischen musste … Miles hatte seine Macken, so wie wir alle, aber er war in Ordnung.«

      »Das war er«, pflichtete Spade bei, in einem Ton, der absolut nichtssagend war, und verließ die Gasse.

      In einem durchgängig geöffneten Drugstore Ecke Bush Street und Taylor telefonierte er.

      »Schätzchen«, sagte er, nachdem er die Nummer durchgegeben hatte. »Miles ist erschossen worden … Ja, er ist tot … Verlier jetzt nicht die Nerven … Ja … Du musst es Iva beibringen … Nein, das mache ich auf keinen Fall. Du musst es tun … Braves Mädchen … Sie soll nicht ins Büro kommen … Sag ihr, ich melde mich – hm – irgendwann … Ja, aber nagel mich nicht fest … Das ist alles. Du bist ein Engel. Bis dann.«

      Spades Blechwecker stand auf zwanzig vor vier, als das Licht der Deckenlampe erneut aufflammte. Er warf Hut und Mantel aufs Bett, ging in die Küche und kam mit einem Weinglas und einer großen Flasche Bacardi zurück. Er schenkte sich ein und trank im Stehen, stellte Flasche und Glas auf den Tisch, setzte sich auf die Bettkante und drehte eine Zigarette. Nach dem dritten Bacardi, gerade als er sich die fünfte Zigarette anzünden wollte, klingelte es. Mittlerweile waren die Uhrzeiger auf halb fünf vorgerückt.

      Spade seufzte und ging zu der Sprechanlage neben seiner Badezimmertür. Er drückte auf den Knopf, der unten die Haustür öffnete. »Zum Teufel mit ihr«, murmelte er und starrte finster auf den schwarzen Kasten. Sein Atem ging stoßweise, und auf seinen Wangen breitete sich eine matte Röte aus.

      Im Korridor hörte man, wie sich die Tür des Fahrstuhls quietschend und rasselnd öffnete und schloss. Spade seufzte erneut und ging zur Wohnungstür. Leise, schwere Tritte auf dem mit Teppich ausgelegten Boden des Gangs, die Schritte zweier Männer. Spades Gesicht hellte sich auf. Der gequälte Blick verschwand. Rasch öffnete er die Tür.

      »Hallo Tom«, sagte er zu dem großen, schmerbäuchigen Detective, mit dem er sich in der Burritt Street unterhalten hatte, »hallo, Lieutenant« zu dem anderen Mann. »Kommt rein.«

      Beide nickten schweigend und traten ein. Spade schloss die Tür und führte sie in sein Schlafzimmer. Tom setzte sich auf das Sofa unter dem Fenster, der Lieutenant in einen Sessel neben dem Tisch.

      Der Lieutenant war stämmig, hatte dichtes, kurz geschnittenes graues Haar und ein kantiges Gesicht mit einem kurz geschnittenen grauen Schnurrbart. Ein Fünfdollar-Goldstück diente ihm als Krawattennadel, und am Revers glänzte ein kleines, in Diamanten gefasstes Geheimbundabzeichen.

      Spade holte zwei Weingläser aus der Küche, schenkte ihnen Bacardi ein und füllte sein eigenes erneut auf. Er reichte jedem Besucher ein Glas und setzte sich mit seinem auf die Bettkante. Sein Gesicht war ruhig und keineswegs neugierig.

      Er hob sein Glas – »Auf das Verbrechen!« – und leerte es in einem Zug.

      Tom folgte seinem Beispiel, stellte das Glas auf den Fußboden und strich sich mit dem schmutzigen Zeigefinger über den Mund. Er starrte auf das Fußende des Betts, als versuchte er, sich ins Gedächtnis zurückzurufen, woran es ihn vage erinnerte.

      Der Lieutenant betrachtete ein paar Sekunden sein Glas, nahm einen sehr kleinen Schluck und stellte es dann auf den Tisch neben sich. Sein scharfer, aufmerksamer Blick wanderte durch das ganze Zimmer, bis er an Tom hängen blieb.

      Der rutschte unbehaglich auf dem Sofa hin und her und fragte, ohne aufzusehen: »Hast du Miles’ Frau Bescheid gesagt, Sam?«

      Spade machte: »Hm-mh.«

      »Wie hat sie es aufgenommen?«

      Spade schüttelte den Kopf. »Ich verstehe nichts von Frauen.«

      Tom murmelte: »Wer’s glaubt, wird selig.«

      Der Lieutenant legte die Hände auf die Knie und beugte sich vor. Seine grünlichen Augen waren seltsam starr auf Spade gerichtet, als wäre ihr Fokus eine rein mechanische Angelegenheit, der sich mit dem Umlegen eines Schalters oder per Knopfdruck verändern ließ.

      »Was für eine Waffe tragen Sie?«, fragte er.

      »Gar keine. Ich mag Waffen nicht besonders. Im Büro liegen natürlich welche rum.«

      »Ich würde sie gern mal sehen«, sagte der Lieutenant. »Sie haben nicht zufällig eine hier?«

      »Nein.«

      »Sind Sie sicher?«

      »Sehen Sie sich um.« Spade lächelte und machte eine einladende Geste mit seinem leeren Glas. »Stellen Sie alles auf den Kopf, wenn Sie wollen. Ich habe nichts dagegen – solange Sie einen Durchsuchungsbefehl haben.«

      Tom protestierte: »Ach, hör auf, Sam.«

      Spade stellte sein Glas auf den Tisch, stand auf und musterte den Lieutenant.

      »Was wollen Sie, Dundy?«, fragte er. Seine Stimme war ebenso hart und kalt wie sein Blick.

      Lieutenant Dundys Augen hatten sich bewegt, um Spade im Blick zu behalten. Aber nur die Augen hatten sich bewegt.

      Tom verlagerte erneut das Gewicht auf dem Sofa, schnaufte tief durch die Nase und brummte dann vorwurfsvoll: »Wir wollen keine Scherereien, Sam.«

      Spade ignorierte ihn. Er fragte Dundy: »Was wollen Sie dann? Reden Sie Klartext. Für wen zum Teufel halten Sie sich, dass Sie hier aufkreuzen und versuchen, mich hochzunehmen?«

      »Schon gut«, sagte Dundy mit gepresster Stimme. »Setzen Sie sich und hören Sie zu.«

      »Ich setze mich oder bleibe stehen, wie es mir passt, verdammt noch mal«, sagte Spade, ohne sich zu rühren.

      »Um Himmels willen, reg dich nicht auf«, flehte Tom. »Sollen wir uns etwa darüber streiten? Wenn du wissen willst, warum wir nicht Klartext reden, dann denk mal nach. Du warst es, der auf die Frage nach Thursby gesagt hat, das ginge mich mehr oder weniger nichts an. So kannst du mit uns nicht umspringen, Sam. Das ist nicht in Ordnung, und es bringt dich nirgendwohin. Wir müssen schließlich auch unsere Arbeit machen.«

      Lieutenant Dundy sprang auf, stellte sich vor Spade und schob sein kantiges Gesicht dicht an das des größeren Mannes heran.

      »Ich habe Sie gewarnt, dass Sie eines Tages zu weit gehen werden«, sagte er.

      Spade verzog abschätzig den Mund und hob die Brauen. »Jeder geht mal zu weit«, gab er mit spöttischer


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