Der Malteser Falke. Dashiell Hammett

Der Malteser Falke - Dashiell  Hammett


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      »Ich habe gesagt, er soll wiederkommen, wenn du da bist.«

      »Gut gemacht. Wenn er wiederkommt, zeig sie ihm ruhig.«

      »Außerdem hat Miss Wonderly angerufen.«

      »Wurde auch Zeit. Was hat sie gesagt?«

      »Sie möchte dich sprechen.« Die junge Frau nahm einen Zettel von ihrem Schreibtisch und las die Notiz, die sie mit Bleistift notiert hatte. »Sie ist im Coronet, California Street, Apartment 1001. Du sollst nach Miss Leblanc fragen.«

      Spade sagte: »Gib mal her«, und streckte die Hand aus. Als sie ihm den Zettel reichte, hielt er das brennende Feuerzeug an das Papier, bis es sich krümmte und zu schwarzer Asche wurde, die er auf den Linoleumboden fallen ließ und mit der Schuhsohle zerdrückte.

      Die junge Frau verfolgte es mit vorwurfsvollen Blicken.

      Er grinste sie an, sagte: »So ist es nun mal, mein Engel«, und ging wieder hinaus.

      Kapitel IV Der schwarze Vogel

      Miss Wonderly trug ein grünes Kreppkleid mit Gürtel, als sie die Tür des Apartments 1001 im Coronet öffnete. Ihr Gesicht war erhitzt. Das dunkelrote, ein wenig zerzauste Haar war auf der linken Seite gescheitelt und fiel lose über die rechte Schläfe.

      Spade nahm den Hut ab und sagte: »Guten Morgen.«

      Auf ihr Gesicht trat ein schwacher Widerschein von seinem Lächeln, doch ihre blauen Augen, die fast violett waren, blieben besorgt. Sie senkte den Kopf und sagte mit gedämpfter, schüchterner Stimme: »Kommen Sie herein, Mr. Spade.«

      Sie führte ihn an den offenen Küchen-, Bad- und Schlafzimmertüren vorbei in einen weiß und rot gehaltenen Salon. Sie bat die Unordnung zu entschuldigen: »Ein grässliches Durcheinander. Ich bin noch beim Auspacken.«

      Sie legte seinen Hut auf einen Tisch und setzte sich auf ein Sofa aus Walnussholz. Er nahm ihr gegenüber auf einem Stuhl mit Brokatbezug und ovaler Rückenlehne Platz.

      Sie betrachtete ihre Hände, verschränkte die Finger und sagte: »Ich muss Ihnen ein furchtbares, ganz furchtbares Geständnis machen, Mr. Spade.«

      Spade lächelte höflich, was sie nicht bemerkte, weil sie den Blick noch immer gesenkt hatte, und schwieg.

      »Die … die Geschichte, die ich Ihnen gestern erzählt habe, war … ein Märchen«, stammelte sie und sah erst jetzt mit schrecklich verängstigten Augen zu ihm auf.

      »Ach, das«, sagte Spade leichthin. »Wir haben Ihnen die Geschichte ohnehin nicht geglaubt.«

      »Aber …« In den Schrecken und die Angst in ihren Augen mischte sich Verwirrung.

      »Wir haben Ihren zweihundert Dollar geglaubt.«

      »Soll das heißen …« Sie schien nicht zu begreifen.

      »Das soll heißen, dass Sie uns zu viel gezahlt haben für eine wahre Geschichte«, erklärte er unverblümt, »aber dieses Zuviel hat ausgereicht, um die Lüge wettzumachen.«

      Plötzlich leuchteten ihre Augen auf. Sie erhob sich ein paar Zentimeter vom Sofa, setzte sich wieder, strich das Kleid glatt, beugte sich vor und sagte eifrig: »Und Sie wären trotzdem bereit …«

      Spade unterbrach sie, indem er eine Hand hob. Der obere Teil seines Gesichts war finster. Der untere lächelte. »Das kommt drauf an«, sagte er. »Das Dumme an dieser Sache, Miss … heißen Sie nun Wonderly oder Leblanc?«

      Errötend murmelte sie: »In Wirklichkeit heiße ich O’Shaughnessy – Brigid O’Shaughnessy.«

      »Das Dumme an der Sache ist, Miss O’Shaughnessy, wenn zwei Mordfälle wie diese zusammenkommen« – sie zuckte zusammen – »gerät alles in Panik. Die Polizei glaubt, dass sie hart durchgreifen muss, und der Umgang mit den Beteiligten wird schwieriger und kostspieliger. Nicht dass ich …«

      Er hörte auf zu reden, denn sie hatte aufgehört zuzuhören. Sie wollte nur, dass er fertig wurde.

      »Sagen Sie mir die Wahrheit, Mr. Spade.« Ihre Stimme zitterte, als ränge sie um Fassung. Ihre Miene war angespannt, verzweifelt. »Ist das, was letzte Nacht passiert ist – meine Schuld?«

      Spade schüttelte den Kopf. »Nein, es sei denn, es gibt Dinge, von denen ich nichts weiß«, sagte er. »Sie haben uns gewarnt, dass Thursby gefährlich sei. Natürlich haben Sie gelogen, was Ihre Schwester angeht und so weiter, aber das spielt keine Rolle. Wie gesagt – wir haben Ihnen nicht geglaubt.« Er zuckte mit den runden Schultern. »Deshalb denke ich nicht, dass es Ihre Schuld war.«

      Sie sagte: »Danke«, sehr leise. Dann bewegte sie den Kopf hin und her. »Trotzdem werde ich mich immer schuldig fühlen.« Ihre Hand fuhr zur Kehle. »Mr. Archer war so … so lebendig gestern Nachmittag, so groß und stark und …«

      »Hören Sie auf«, rief Spade. »Er wusste, worauf er sich einlässt. Das ist unser Risiko.«

      »War er … war er verheiratet?«

      »Ja, und er hatte eine Lebensversicherung über zehntausend Dollar, keine Kinder und eine Frau, die ihn nicht liebte.«

      »Ach, bitte, reden Sie nicht so!«, flüsterte sie.

      Spade zuckte erneut die Schultern. »So ist es nun mal.« Er warf einen Blick auf seine Uhr, stand auf und setzte sich neben sie auf das Sofa. »Wir haben keine Zeit, um uns jetzt darüber Gedanken zu machen.« Seine Stimme war freundlich, aber fest. »Da draußen laufen Scharen von Polizisten herum, stellvertretende Staatsanwälte, Reporter – alle auf der Suche nach Indizien. Was wollen Sie also von mir?«

      »Ich möchte, dass Sie mich – aus diesem Schlamassel retten«, antwortete sie mit dünner, zitternder Stimme. Sie legte schüchtern die Hand auf seinen Ärmel. »Wissen diese Leute von mir, Mr. Spade?«

      »Noch nicht. Ich wollte zuerst mit Ihnen sprechen.«

      »Was … was würden diese Leute denken, wenn sie wüssten, wie ich Kontakt zu Ihnen aufgenommen habe … mit all den Lügen?«

      »Es würde ihnen verdächtig vorkommen. Deshalb habe ich die Polizisten hingehalten, bis ich mit Ihnen sprechen konnte. Ich dachte, vielleicht erzählen wir ihnen nicht alles. Vielleicht können wir eine Geschichte erfinden, die ihnen Sand in die Augen streut.«

      »Sie glauben doch nicht, dass ich was mit den … mit den Morden zu tun habe, oder?«

      Spade grinste und sagte: »Hab ich vergessen zu fragen. Haben Sie?«

      »Nein.«

      »Das ist gut. Nun. Was wollen wir also der Polizei erzählen?«

      Sie rutschte unruhig hin und her. Die Augen zwischen den dichten Wimpern flatterten, als versuchte sie vergeblich, ihren Blick von dem seinen zu lösen. Sie wirkte kleiner, sehr jung und bedrückt.

      »Muss die Polizei denn überhaupt etwas von mir erfahren?«, fragte sie. »Ich glaube, ich würde eher sterben, Mr. Spade. Ich kann es Ihnen jetzt nicht erklären, aber könnten Sie mich nicht irgendwie vor ihnen beschützen, damit ich ihre Fragen nicht beantworten muss? Ich würde ein Verhör im Moment nicht durchstehen. Ich glaube wirklich, ich würde eher sterben. Könnten Sie das versuchen, Mr. Spade?«

      »Vielleicht. Aber dazu müssen Sie wenigstens mir reinen Wein einschenken.«

      Sie sank auf die Knie, vor seinen Knien. Sie sah zu ihm auf. Ihr Gesicht über den fest gefalteten Händen war blass, angespannt und verängstigt.

      »Ich habe kein gutes Leben geführt«, schluchzte sie. »Ich war schlecht – schlechter, als Sie es sich vorstellen können, aber ich bin nicht nur schlecht. Sehen Sie mich an, Mr. Spade. Sie wissen, dass ich nicht von Grund auf schlecht bin, nicht wahr? Sie können es sehen – nicht wahr, Mr. Spade? Können Sie mir dann nicht auch ein bisschen vertrauen? Ich bin so allein, ich habe Angst, mir hilft kein Mensch, wenn Sie es nicht tun. Ich weiß, ich habe kein Recht, Sie um Ihr Vertrauen zu bitten, solange ich mich selbst Ihnen nicht anvertraue.


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