Von Zeitlupensymphonien und Marzipantragödien. Radek Knapp

Von Zeitlupensymphonien und Marzipantragödien - Radek Knapp


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      RADEK KNAPP

      Von

      Zeitlupensymphonien

      und Marzipantragödien

      Notizen eines

      Möchtegern-Österreichers

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      Gefördert von der Stadt Wien Kultur

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      Besuchen Sie uns im Internet unter: amalthea.at

      © 2020 by Amalthea Signum Verlag, Wien

      Alle Rechte vorbehalten

      Umschlaggestaltung und -abbildung: Nicolas Mahler

      Lektorat: Madeleine Pichler

      Herstellung und Satz: VerlagsService Dietmar Schmitz GmbH,

      Heimstetten

      Gesetzt aus der 11/14 pt Minion Pro

      ISBN 978-3-99050-181-8

      eISBN 978-3-903217-59-1

      Inhalt

       An alle Österreicher

       Zeitlupensymphonien und Marzipantragödien

       Deutsch für Sture

       Die aussterbende Spezies

       Das perfekte Gericht

       Dracula würde vor Neid tot umfallen

       Der erste Meldezettel

       Herr Oberbillig legt einen Gassi-Walzer hin

       So viele Berge, so wenig Gipfel

       Wie pinkelt man neben Plácido Domingo?

       Was geschah am helllichten Tag in Langenlois?

       Todesspinat und Selbstmordtomaten

       Der ewige Geist der Pragmatisierung

       Österreicher raus aus Österreich

       Drei triftige Gründe, Hexen und Fremde nach Österreich zu lassen

       Maestro Lem

       Die Augen eines Fremdlings

       Letzte Runde

      »Das Leben ist eine Reise durch einen langen,

      dunklen Tunnel, an dessen Ende ein Antidepressivum

      oder das große Lachen wartet. Nach reiflicher

      Überlegung entschied ich mich für das Zweite.«

       Der Autor

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       An alle Österreicher

      Österreich hat es in der letzten Zeit nicht leicht. Nicht genug, dass es kürzlich von einem Virus biblischen Ausmaßes getroffen wurde, nicht genug, dass es unter einer undurchsichtigen Organisation namens EU stöhnt, es wird auch noch regelmäßig von Individuen heimgesucht, die alles, bloß keine österreichische Staatsbürgerschaft haben.

      Einst waren es türkische Machos unter ihrem Anführer Kara Mustafa. Dann folgten slawische Vierkantschlüsselakrobaten, und neuerdings sind es Flüchtlinge, die durch ihre »Andersartigkeit« die heimische Identität noch gründlicher untergraben wollen, als es das iPhone ohnehin schon tut.

      Wen wundert’s also, dass die Österreicher scharenweise Seminare aufsuchen namens »Kochen Sie sich aus Ihrer eigenen Globalisierung heraus« oder langsam zu Vegetariern und Radfahrern mutieren. Spätestens da kommt die Frage auf, ob die Mitverursacher dieser unliebsamen Verwirrung den Österreichern hierbei nicht zur Hand gehen sollten.

      Als eines dieser zweifelhaften Individuen möchte ich dieses Kunststück versuchen. Sowohl in meinem Namen wie auch dem anderer Fremdlinge, die dazu keine Gelegenheit bekamen. Und auch wenn es wahrscheinlich nicht ganz zu schaffen ist, so wäre schon viel gewonnen, dem einen oder anderen Österreicher sein eigenes Heim wieder so schmackhaft zu machen, wie es uns, den Fremden, erscheint. Während die Skeptiker angesichts dieses mutigen Plans wahrscheinlich schon die Stirn runzeln und die Rechtsverliebten den Kopf schütteln, holt dieses Büchlein tief Atem und schreitet energisch zur Tat.

      Zeitlupensymphonien und Marzipantragödien

      Meine Reise nach Österreich begann an einem lauen Abend in Warschau. Ich brütete gerade über der Landkarte Europas und überlegte, wohin ich reisen sollte. Ganz Polen war im Reisefieber. Meine Landsleute fuhren scharenweise nach Westeuropa, um zum ersten Mal echtes Geld zu verdienen oder gleich für immer im Paradies zu bleiben. Ich hatte meine eigenen Pläne. Ich war weder an Geld noch an der Emigration interessiert. Ich wollte den neuen Kontinent Westeuropa erforschen so wie einst Marco Polo China oder Amundsen den Südpol. Dafür brauchte ich erst mal ein großes Land und schwankte zwischen Frankreich und Deutschland. In Frankreich lebte schließlich der Held meiner Kindheit, d’Artagnan. Und meinem Landsmann Chopin gefiel es unter den Franzosen so gut, dass er dort sogar starb. Für Deutschland sprach die geografische Nähe und die Tatsache, dass dort eine Tante von mir lebte, was für einen Forscher, der kein Geld hatte, ein gewichtiges Argument war.

      Während ich diese Probleme hin und her wälzte, kam mein Großvater mit seinem abendlichen Kräutertee herein. Er bemerkte die Europakarte auf dem Tisch und schätzte blitzschnell die Situation ein.

      »Immer noch nichts gefunden?«, erkundigte er sich mit einem ironischen Lächeln.

      »Ich bin nahe dran«, log ich. Das Letzte, was ich brauchen konnte, waren die Ratschläge eines Mannes, der vor dem Zweiten Weltkrieg zur Welt kam und sich von Kräutertee ernährte.

      »Ich hätte einen Vorschlag, der deine Probleme mit einem Schlag löst«, sagte mein Großvater. »Schon mal was von Österreich gehört?«

      »Österreich?«, staunte ich. »Und ob. Und zwar, dass dort nichts los ist.«

      »Ganz im Gegenteil«, widersprach mein Großvater, »dort hat man die Psychoanalyse erfunden, um sich vom jahrhundertelangen Walzertanzen


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