Römische Tagebücher. Alois C. Hudal

Römische Tagebücher - Alois C. Hudal


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Bedeutung der Rassenfrage und Eugenetik erfaßte, Lippert, der vornehme Essayist, der nicht Weniges in seinem geistvollen Stil Nietzsche zu verdanken hatte, und endlich Przywara, der Philosoph und Ästhet, dessen blendende Gedankengänge besonders die katholische Jugend der Nachkriegszeit begeisterten. In diesen Persönlichkeiten, zu denen später Karrer und Balthasar von Urs kamen, glaubte ich schon in Graz den geistigen Ausdruck der Gesellschaft erblicken zu können. In Rom wurde diese meine Beurteilung nicht geteilt. Sie galten als Außenseiter und nicht als Normaltyp eines Jesuiten.

      Prächtige Gestalten sind im Festzug des Papstes die Ordensgeneräle der Dominikaner und Franziskaner. Trotz ihrer in die Zehntausende gehenden Mitgliederzahl können sie sich in der Weltkirche vor allem an der Kurie nicht so durchsetzen wie die Gesellschaft Jesu, obwohl Thomas von Aquin, Albertus Magnus, Bartholomäus Las Casas und Lacordaire nicht bloß für den Dominikanerorden, sondern auch für die gesamte Kirche Sterne ersten Ranges sind. Die Nachfolger des heiligen Thomas vertreten ein wundervolles theologisches System, einheitlicher, geschlossener und konsequenter als jenes anderer Orden. Wenn nicht die letzten Schlußfolgerungen im Mysterium enden, während der forschende Menschenverstand noch weiterschreiten möchte, wäre die Theologie eines Thomas von Aquin das großartigste System theologischen Denkens, das je eine Religion in Europa aufgestellt hat. Daß die Lehre von der ewigen Vorausbestimmung des Menschenschicksals nicht bei Zwingli und Calvin geendet hat, ist das Verdienst der Thomaserklärer, die rechtzeitig aufhören oder sich in die Geheimnisse Gottes flüchten. An uns schreitet vorüber die ehrwürdige Gestalt des Benediktiner-Abtprimas aus der freiherrlichen Familie von Stotzingen. Etwas vom großen antiken Menschentum der Römer lebt in der monumentalen einfachen Mönchregel eines Benedikt bis heute weiter. Unsterblich bleiben die Verdienste dieses Ordens und seiner Abzweigungen in der Kolonisation des deutschen Lebensraumes. Durch Jahrhunderte waren mehrere seiner Abteien in Italien (Farfa, Nonantula) Burgen und Festungen des Römischen Reiches Deutscher Nation. Gegenüber diesen drei alten Orden treten die übrigen, deren Generäle im Farbenreichtum der Trachten einander folgen, weniger hervor, so überaus verdienstvoll ohne Zweifel ihr Wirken im Gesamtorganismus der Weltkirche ist. Ihre manchmal eigenartigen Uniformen, die in romanischen Ländern entstanden sind und mit ihrer fremdartigen Ästhetik kaum in das moderne Stadtbild passen, gehen nach der Lebensgeschichte ihrer Gründer auf Anweisungen Christi oder seiner Mutter zurück.

      Als der letzte Segen erteilt wird, dieselben Posaunen erklingen, die Menge im Beifall jubelt, blicke ich hinüber, wo einst die Grabstelle der Mutter Heinrichs IV., Agnes, der Tochter des Herzogs Wilhelm von Aquitanien war, dem die Lombarden ihre Krone angeboten hatten. In der Petronillakapelle liegt sie begraben, unweit vom Papstaltar, an dem die feierlichen Zeremonien der Missa papalis sich vollziehen. Niemand beachtet mehr die letzte Erinnerung an diese deutsche Mutter, nachdem ihr Grab verschollen ist. Beim Neubau von St. Peter wurde alles beseitigt, was den Architekten störte. So teilt Agnes das Schicksal der deutschen Päpste, deren Gräber in Sankt Lorenzo vor den Mauern, im Dom zu Florenz und in Ravenna verschwunden sind. Kein Gedenkstein erinnert mehr an ihre Namen. Sie sind ausgelöscht und leben nur mehr in den Büchern der Geschichte. Nur zwei Fürstlichkeiten der deutschen Nation, Agnes und Otto II., haben als die einzigen gekrönten Häupter aus der langen Geschichte des Römischen Reiches Deutscher Nation hier ihre Ruhestätte gefunden. Auch Agnes erlebte einst in St. Peter den Triumph eines Papstes, als ihr Sohn Heinrich IV. von der Kardinalskommission des Reiches und der Krone verlustig erklärt wurde. Schon beim Ausgang von St. Peter ruht Mathilde von Tuscien, die Gegnerin der Italienpolitik Heinrichs IV., der ihren großen Feudalbesitz bedrohte. Ein weiteres Stück deutscher Tragik. Wie wenn Hieroglyphen sich entziffern, sprechen diese Grabinschriften in die Gegenwart hinein.


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