Römische Tagebücher. Alois C. Hudal
Zur Erleichterung und zum besseren Verständnis für den Leser wurden die im Originalmanuskript in italienischer und lateinischer Sprache ausgedrückten Anmerkungen zusätzlich und ergänzend in deutscher Übersetzung vermerkt, soweit dies nicht vom Verfasser selbst erfolgte.
Die von Bischof Hudal im Manuskript seiner Lebenserinnerungen gewählte Form der Abkürzung sowohl für den rein weltanschaulich verwendeten Begriff des „Nationalen Sozialismus“ wie auch für den „Nationalsozialismus“ wurde in der von ihm gepflogenen Schreibweise „NS“ bewußt beibehalten. Der Verlag glaubt, mit dieser Vorgangsweise dem Werk als historischem Dokument am augenscheinlichsten und besten dienen zu können.
Möge diesem Buch in seiner tiefen Ernsthaftigkeit auch die richtige Beurteilung zuteil und so verstanden werden, wie dies in dem Geleitwort des Nachfolgers von Bischof Hudal als Rektor der deutschen Anima zu Rom, Weihbischof Jac. Weinbacher, ganz besonders zum Ausdruck kommt.
September 1976 | LEOPOLD STOCKER VERLAG |
Vorwort zur Neuausgabe
25 Jahre waren die „Römischen Tagebücher“ von Bischof Alois C. Hudal vergriffen, doch das Interesse an seiner Person und seinem Wirken ist nach wie vor ungebrochen. Nur selten kamen einzelne Exemplare des Buches antiquarisch auf den Markt und erzielten Höchstpreise.
Aus diesem Grund haben wir uns dazu entschlossen, diese „Lebensbeichte eines alten Bischofs“ neu im „Print-on-Demand“-Verfahren herauszubringen. Die Ausgabe wird vom Ares Verlag veranstaltet, der seit dem Jahr 2005 das politisch-historische Programm des Leopold Stocker Verlages weiterführt. Heute wird Bischof Hudal wieder positiver beurteilt als noch zu Lebzeiten. Unter anderem, weil allgemein bekannt ist, dass seine theologisch-philosophische Analyse „Die Grundlagen des Nationalsozialismus“ von den Behörden des Dritten Reiches verboten wurde (und in Österreich nach dem „Anschluss“ beschlagnahmt wurde), da Bischof Hudal in diesem Werk deutlich machte, dass die biologistischen Elemente der NS-Ideologie (die zu Antisemitismus und Rassismus führten) von der Katholischen Kirche keinesfalls toleriert werden könnten, sondern nur ein von diesen geistigen Strömungen gereinigter NS aus christlicher Sicht annehmbar sei.
Auch hat der neuseeländische General John Burns in seinen Memoiren geschildert, wie Bischof Hudal ihm und seinen aus einem Kriegsgefangenenlager geflohenen Kameraden in Rom Unterschlupf gewährte und ihnen so das Leben rettete. Sogar dem katholischen Informationsdienst „Kathpress“ war das 2002 erschienene Buch einen Bericht wert. Bischof Hudal und seine Bemühungen um Fluchthilfe nach 1945 erschienen nun in einem neuen Licht, schrieb „Kathpress“ in Übereinstimmung mit dem Vorsitzenden der päpstlichen Geschichtskommission, Walter Brandmüller.
Die im Ares Verlag erscheinende Quartalsschrift „Neue Ordnung“, begründet von Ernst Graf Strachwitz, hat Bischof Hudal und den Erinnerungen von General Burns einen Beitrag gewidmet, der am Ende des Buches wiedergegeben wird.
Graz, im Jänner 2018 | Mag. Wolfgang Dvorak-Stocker |
Zum Geleite
Der Autor des Buches, Bischof Dr. Alois Hudal, selbst hat zu seinen Erinnerungen — schon zu seinen Lebzeiten nannte er sie seine Memoiren — ein Vorwort verfaßt, das aus bekümmertem Herzen geschrieben die Gründe angibt, warum er diese persönlichen Erinnerungen der Öffentlichkeit übergeben will: das ehrliche, leider im letzten nicht immer erfolgreiche Sich-Abmühen um hochgespannte Ideale.
Wenn ich nun dem Werk auch ein Geleitwort mitgeben soll, so willfahre ich der Bitte des Herausgebers, weil ich mit Bischof Hudal doch viele Beziehungen hatte, besonders an dem Ort seines Wirkens in Rom, wo ich auch 1952 sein unmittelbarer Nachfolger wurde. Schon 1929 begegnete ich dem Rektor der Anima. Als Begleiter von Kardinal Piffl hatte ich bei Gelegenheit des österreichischen Pilgerzuges, der zum goldenen Priesterjubiläum Pius’ XI. nach Rom gekommen war, damals zum ersten Mal die Ewige Stadt betreten. Kardinal Piffl eröffnete mir, daß ich ein Jahr später zum Studium des Kirchenrechtes nach Rom kommen sollte. Tatsächlich habe ich dann zwei Studienjahre unter Hudal in der Anima verbracht und blieb mit meinem Rektor all die Jahre verbunden, in denen ich die Romreisen von Kardinal Innitzer mitmachte, bis ich 1952 der Nachfolger des aus dem Amte geschiedenen Bischofs wurde. Am 6. August traf ich in seinem Haus in Grottaferrata einen seelisch erschütterten Menschen. Es ist mir gelungen, den Anschluß an seine nahezu dreißigjährige Tätigkeit zu finden. Daraus ergab sich ein enger Kontakt mit meinem Vorgänger alle die neun Jahre meines Rektorates.
So möchte ich die Leser dieser Erinnerungen bitten, die Erinnerungen eines Mannes gut aufzunehmen, so wie er es gut gemeint hatte.
Was seine Feuerseele an Bewunderung und auch an Tadel bringt, ist nicht immer auf die Goldwaage zu legen, aber das Wertvolle dieser Lektüre liegt darin, daß ein Mensch aus unmittelbarer Erfahrung spricht. Manchmal überschwenglich, manchmal kritisch schildert er unbewußt das Milieu, in dem er jahrzehntelang stand.
So manches hat er bei meinen Besuchen in Villino Pace erzählt und immer hinzugefügt: „Das werden Sie in meinen Memoiren lesen.“
In manchen Dingen ist er seiner Zeit voraus mit seinen Reformvorschlägen, so zum Beispiel in dem, was er über das Diakonat schreibt, die Behandlung der „Armen Brüder“.
Was ihn bewegte, hat er sich von der Seele geschrieben. Und so soll es auch verstanden werden.
Wien, 16. Februar 1970 | † Jac. Weinbacher Weihbischof |
Römische Tagebücher
1. Vorwort
Ungezählte Bücher sind über Rom geschrieben worden. Gelehrte, Politiker, Künstler und Religionsphilosophen haben alle in ihrer Art Rom mit leidenschaftlicher Liebe oder mit der Ablehnung des „affectus antiromanus1)“ betrachtet. Keine Stadt der Erde kann sich rühmen, daß eine umfassende Bibliothek von Büchern ihr geistiges Schicksal begleitet, das durch das Christentum zum weltanschaulichen Ideal von Millionen Menschen aller Kontinente geworden ist. Von Zola zu Veuillot, von Mommsen, der im römischen Christentum das zersetzende Element großer Staaten sah, um selbst ein religiös imperialistischer Machtfaktor zu werden, von Gregorovius, der alles Unheil nationaler Zerrissenheit im mittelalterlichen Italien und noch mehr in der deutschen Kaiserzeit nur der Vatikanpolitik zuschrieb, ohne dasselbe auch aus dem Relativismus aller menschlichen Entwicklungen zu erklären, bis zu Joseph Bernhart, der im Vatikan geradezu den „Thron der Welt“ erblicken wollte („hart, eigengesetzlich wie die Natur, erbarmungslos Einzelschicksale für das Heil des Ganzen opfernd“) haben sich Menschen verschiedenster Geistesrichtung bald an das weltliche, bald an das christliche Antlitz der Ewigen Stadt herangewagt. Niemand hat je die Seele Roms ausgeschöpft, niemand Mythos, Legende und geschichtliche Wirklichkeit dieser eigenartigen Stadt in ihren letzten Tiefen ergründet. Alle erlebten eine Art Geheimnis. Noch immer die Metropole eines längst versunkenen weltlichen Imperium Romanum, die entthronte Königin einer einst so stolzen Kultursendung Europas, und andererseits noch immer ein religiöser Leuchtturm, die letzte Zufluchtstätte der Humanität und des Naturrechtes, so unklar auch manche seiner Forderungen sein mögen, der Mittelpunkt eines christlichen Universalideals, einer in politischer Schau adeligen und bürgerlichen Weltbetrachtung. Nichts nimmt, so mannigfach die Urteile von Ausländern und Italienern besonders über das kirchliche Rom im Laufe der Jahrhunderte auch gewesen sind, dieser Stadt, die sich immer wieder aus allen politischen Wechselfällen des Unglückes wundervoll erhoben hat, den Ruhm, noch immer Sinn, Ausdruck und Mittelpunkt der europäisch-lateinischen Kultur und damit die einzige und wahre Metropole des sogenannten Abendlandes zu